Ägypten entdeckenZeitreise auf dem Nil
Pyramiden, Tempel und Baba Ghanoush: Eine Schifffahrt auf dem Nil führt zu Kultstätten der Pharaonen und bietet regionale Delikatessen. In Kairo erleben die Besucherinnen und Besucher den quirligen Basar.
Dieser Artikel stammt aus der Schweizer Familie
Die Sonne steht schon tief am Himmel, als die Küchencrew auf dem Oberdeck den Tee serviert. Die Vorzüge des späten Nachmittags auf einer Nilkreuzfahrt locken die Gäste aus dem Pool: Einkuscheln in den Bademantel. Einsinken in die weiche Matte des Liegestuhls. Und Tee nippend eintauchen in die warm beleuchtete Szenerie jenseits der Reling.
Golden schimmert die ägyptische Wüste in der späten Nachmittagssonne. Der Fluss mäandert leise vor sich hin. Schiebt das Nilschiff in grossen Schlaufen durch die Ebene. Breitet seine wässerigen Arme aus und haucht dem Ödland Leben ein. Im Uferstreifen ragen Maishalme und Dattelpalmen in den Himmel, stehen Wasserbüffel und wiederkäuende Kühe im hohen Gras und ziehen Fischer ihren Fang an Land.
High Tea mit unvergleichlicher Aussicht. Während vier Tagen ist die Historia unterwegs zwischen Assuan und Luxor. Doch gemessen an der Länge des Flusses ist dies nur ein winziger Abschnitt. Der Nil entspringt viel weiter südlich, in den Bergen von Ruanda und Burundi. Bevor er in Ägypten ins Mittelmeer mündet, durchfliesst er Tansania, Uganda, den Südsudan und den Sudan. Mit 6650 Kilometern ist er der längste Fluss der Welt. Und die Lebensader Ägyptens. Dem Nil verdanken die Menschen in einer lebensfeindlichen Wüstenumgebung seit Jahrtausenden fruchtbare Böden und einen zentralen Handelsweg.
Diese Reise ist ein Angebot der Schweizer Familie, mehr Infos finden Sie hier
Seit der britische Wanderprediger Thomas Cook 1869 die Nilkreuzfahrt erfand, lockt der Fluss zudem Touristinnen und Touristen ins Land. Sie geniessen die Weite der Wüste hinter dem schmalen Ufergrün, die gehobene Küche im Speisesaal, die Ruinen am Wegesrand und die Langsamkeit, mit der die Schiffe durchs Wasser gleiten.
Zeit für Tee, Früchte und schöne Ausblicke
So auch an diesem Nachmittag. Mit nur 14 Kilometern pro Stunde bewegt sich die Historia vorwärts und lässt mit ihrer Gemächlichkeit den Alltagspuls sinken. Das 72 Meter lange Schiff, das Platz für 92 Gäste bietet, ist erst seit einem guten Jahr auf dem Nil unterwegs und gilt als kleines, schwimmendes Boutique-Hotel.
Schlichte Eleganz zieht sich durch die Einrichtung. Helle Hölzer und weiche Stoffe in Creme- und Sandtönen nehmen die Farben der Landschaft vor dem Fenster auf. 65 Crewmitglieder kümmern sich um das Wohl der Gäste. Wie jetzt auf dem Sonnendeck. Die Passagiere stehen mit ihren Teetassen an der Reling, knabbern an Fruchtspiessen und sehen zu, wie ein Ibis auf einem Fischerboot landet und Kinder einander am Ufer hinterherjagen. In der Ferne sind die Umrisse eines Tempels auszumachen.
Ein Deck tiefer sitzt Kapitän Kamil Said Mohamed, 60, in der traditionellen Dschallabija im Schneidersitz auf einem Hochstuhl, die Hand am Steuer, den Blick aufs Wasser gerichtet. Seit Kindertagen ist Kamil mit dem Nil verbunden. Er wuchs in einer Hütte am Flussufer auf, badete als Bub fast täglich im Wasser und heuerte mit 14 erstmals als Matrose auf einem Nilschiff an. Seither verdient er seinen Lebensunterhalt auf dem Wasser. «Ich liebe den Nil, weil ich hier Ruhe finde», sagt er. «Dieser Fluss ist ein Geschenk Gottes.»
Die Götter sind am Nil allgegenwärtig, besonders jene der alten ägyptischen Mythologie. Horus, Herr des Himmels, Thot, Gott der Weisheit, Isis, Göttin der Magie, oder Osiris, Gott des Totenreiches – ihnen begegnen Reisende in Tempelanlagen und bei historischen Denkmälern, die sie auf ihren Landausflügen besuchen.
Auch bei den drei Pyramiden von Gizeh in der Nähe von Kairo, wo die Ägyptenreise zwei Tage vor dem Einschiffen ihren Anfang genommen hatte. Hemden und lange Röcke der Touristen und Touristinnen flatterten im warmen Wüstenwind, während diese sich gedanklich in die Zeit der Pharaonen zurückversetzten.
Nach 2700 v. Chr. brachten die Herrscher Cheops, Chephren und Mykerinos, die von ihrem Volk verehrt wurden wie Götter, ihr irdisches Leben mit dem Bau je einer Pyramide zu. Sie wollten einen einbruchsicheren Ort erschaffen für ihr Leben nach dem Tod. «2,5 Millionen Steine von je 2 bis 6 Tonnen brauchte es, um die Cheops-Pyramide zu bauen», sagt der Ägyptologe Essam Abdul Moasin seiner Reisegruppe beim Besuch der Pyramiden. «Das ist so schwer wie das Gewicht von einer Million Elefanten.» Imposant ragen die riesigen Bauwerke in den Himmel. Bewacht werden sie von der Sphinx, einer Statue in Löwengestalt mit Menschenkopf.
Wo die Pharaonen einst ihre letzte Ruhe fanden, herrscht inzwischen reges Treiben. Reisende verrenken sich fürs perfekte Erinnerungsbild. Einheimische binden ihnen für ein paar ägyptische Pfund ein Tuch um den Kopf und drücken auf der Handykamera den Auslöser. Oder sie kutschieren sie vom Eingang zum Aussichtspunkt und treiben dafür ihre Pferde und Kamele durch die Wüste. Wer den geschäftstüchtigen Anbietern von solchen Dienstleistungen oder von Souvenirs entkommen will, der prägt sich drei kurze englische Wörter ein, die es auf der Reise des Öfteren höflich, aber bestimmt zu wiederholen gilt: «No, thank you.»
Kairos Basar lockt mit Schmuckstücken
Ein «Nein danke» geht allerdings auch bei den besten Vorsätzen nicht immer so leicht über die Lippen. Zuweilen sind die Versuchungen im Land der Pharaonen überwältigend. Etwa am Basar in der pulsierenden Hauptstadt Kairo. Hierhin brachte Essam Abdul Moasin seine Reisegruppe am Ende des ersten Tages.
Der Duft von warmem Zuckergebäck und Weihrauch durchwehte das bunte Gewusel. Händler boten Lampen und Tücher in allen Farben an und steckten den Touristinnen kleine blaue Glückskäfer aus Keramik, sogenannte Skarabäen, zu. In den Schmuckgeschäften wimmelte es von Ägypterinnen, die sich mit Goldketten und Armreifen vor den Spiegeln betrachteten oder ihren Kindern das erste Ohrloch stechen liessen. Und in den Kaffeehäusern sassen Männer und Frauen beisammen und rauchten Wasserpfeife.
Aufregung wegen eines Ruderboots
Zu diesen Erinnerungen der ersten Tage sind die Gedanken zurückgekehrt, während sich das Schiff nun gemächlich seinen Weg durchs Wasser bahnt. Doch kaum ist der Nachmittagstee vorüber, ist es auch mit der Ruhe vorbei. «Hello, hello!», rufen zwei Männer in einer kleinen Barke, die weiter vorne auf dem Fluss kräftig rudern. Was sie planen, sieht nach einem halsbrecherischen Manöver aus. Es scheint, als wollten sie die Historia kreuzen und hätten die Entfernung falsch eingeschätzt. Die Bugspitze des Kreuzfahrtschiffes kommt dem Ruderboot gefährlich nah, als würde sie es im nächsten Augenblick rammen.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Schnell aber wird klar, dass die rudernden Männer wissen, was sie tun. Als sie nah genug sind, werfen sie ein Seil über eine Klampe am grossen Nilschiff und lassen sich seitlich zurückfallen und von der Historia mitschleppen. Nun legen sie ihre Ruder weg und packen stattdessen bunte Tücher aus, die sie im Fahrtwind flattern lassen und den Menschen an Bord zum Kauf anbieten. Die Belegschaften der Kreuzfahrtschiffe sind diese Art des Handels auf dem Wasser gewöhnt. In der Regel lassen sie die Kaufleute, die den Gästen mit ihren Kapriolen und den munteren Dialogen auch ein kleines Spektakel bieten, eine Weile gewähren, bevor sie sie wegschicken.
Andächtige Ruhe im Tempel von Luxor
Heute haben die rudernden Händler allerdings kein Glück. Ihre potenzielle Kundschaft ist abgelenkt, denn das Schiff erreicht den nächsten Hafen. Es ist Zeit, von Bord zu gehen und eine neue Stadt und ihre Denkmäler zu erkunden. Auf dem Platz vor dem Luxor-Tempel sitzen ägyptische Familien und geniessen den Feierabend. Sie knacken mit den Zähnen Sonnenblumenkerne. Die Plastikbälle der Kinder leuchten in der Abendsonne, und von der Moschee ruft der Muezzin zum Abendgebet.
Als sich der Himmel dunkelblau färbt, gehen im Tempel die Lichter an. Im Hintergrund brummt auf der Hauptstrasse der Abendverkehr. In der Ruine aber herrscht trotz vieler Menschen bedächtige Ruhe. Ägyptologe Hany Mahamoud begleitet eine kleine Gruppe vom Schiff auf ihren Landausflug.
Er spricht leise, als er durch den um 1500 v. Chr. erbauten Tempel führt, der zu den grössten der Welt gehört. Hany deutet auf den riesigen Obelisken auf der einen Seite des Eingangs und auf den leeren Sockel auf der anderen Seite. «Dort stand einst ein zweiter Obelisk», sagt er. «Doch 1831 wurde er per Schiff nach Frankreich verfrachtet, wo er heute die Place de la Concorde ziert.»
Der Ägypter geht in seiner Arbeit auf. Er kennt keinen schöneren Ort als seine Heimat. Der Liebe wegen hatte er Ägypten einst verlassen und für ein paar Jahre in Deutschland gelebt. Doch er vermisste sein Land und seine Arbeit als Reiseleiter so sehr, dass er zurückkehrte. «Ich könnte tagelang durch diese alten Tempel wandeln und mir ausmalen, wie es hier einst ausgesehen haben muss», schwärmt er.
Die Begeisterung für die Geschichte seines Landes ist ansteckend. Auch jetzt lässt er anhand von Reliefs an den Wänden vor dem geistigen Auge Bilder aufleben von Volksfesten mit Musik und Tanz, von Intrigen unter den Priestern und von Opfergaben aus Gemüse, Obst, Fleisch und Wein.
Erinnerungen an das Tal der Könige
Als wir zurück auf dem Schiff sind, ist bereits zum Abendessen aufgedeckt. Die Köche präsentieren am Buffet ihr Tagwerk, das sie mit viel Liebe zubereitet haben. Linsensalate, Baba Ghanoush, Fladenbrot, Falafel und grilliertes Fleisch. Nach dem Genuss der Köstlichkeiten breitet sich eine angenehme Schwere im Körper aus.
Eine halbe Stunde später, der Kopf ruht in den weichen Kissen, wandern die Gedanken zu unlängst Erlebtem. Zu bunten Heissluftballonen, die sich über der fernen Wüste erheben. Zu langen, reich verzierten unterirdischen Gängen, die im Tal der Könige zu Gräbern führen. Zum Karnak-Tempel, wo einem beim Anblick der riesigen Säulen der Atem stockt.
Oder zu Tauben, die in den Gemäuern des Hatschepsut-Tempels gurren. Und als der Schlaf schliesslich wie eine Welle heranrollt, nimmt er einen letzten Gedanken mit ins Land der Träume: Diese Reise könnte ewig weitergehen.
Diese Reportage entstand in Zusammenarbeit mit unserem Partner MCCM Master Cruises.
Fehler gefunden?Jetzt melden.