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Fast Fashion von Zara und Massimo Dutti
Wie die Billigmarken aus Nordspanien die Modewelt umkrempeln

The shop at the fashion giant Inditex's heaquarters where Zara fashion garmets are designed in Arteixo in La Coruna, Spain, on Tuesday, April 10, 2012. (Jesus Sancho/AP Images)
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In Kürze:
  • Der Umsatz des spanischen Modekonzerns Inditex verdoppelte sich seit 2015 auf 33,8 Milliarden Franken.
  • Weiterhin werden alle Kollektionen am Hauptsitz im nordspanischen Arteixo entworfen.
  • Trotz weniger Läden nimmt die Verkaufsfläche weltweit insgesamt zu.
  • Inditex plant bis 2040 eine CO₂-Reduktion um 90 Prozent.

Ein normaler Nachmittag in Madrids Calle de Serrano, Hausnummer 23. Auf vier Stockwerken residiert dort ein Laden der Modemarke Zara. Hunderte Kundinnen und Kunden begutachten, probieren und kaufen Röcke, Blusen, Sakkos, Pullover, Unterwäsche. Ganz oben, in der Männerabteilung, wirbt ein abgetrennter Bereich für die Sonderedition eines italienischen Stardesigners.

Sachen, die offenbar begeistern. Eine Traube von Kunden fragt nach diesem oder jenem Stück, das sie nicht finden können, doch der Verkäufer bedauert: «Das ist heute Morgen wie im Flug rausgegangen», erklärt er den enttäuschten Männern.

Willkommen in der Welt von Fast Fashion. Der Welt, in der Mode jeden Tag neu erfunden wird, in der am Nachmittag out ist, was am Morgen noch in war.

Willkommen in der Welt von Zara.

Jedes Teil wird in Arteixo entworfen

Wie kaum ein anderes Modelabel hat Zara der Pandemie, der Inflation und den neuerdings brutal auf den Markt drängenden chinesischen Billigversendern getrotzt. Während Ketten wie H&M, Uniqlo und Primark ins Schlingern geraten sind, hat Zaras Mutterkonzern Inditex, zu dem auch Marken wie Bershka, Oysho und Massimo Dutti gehören, den Umsatz seit 2015 verdoppelt – auf umgerechnet fast 33,8 Milliarden Franken pro Jahr. Allein in der ersten Hälfte dieses Jahres stieg er um gut sieben Prozent. Ein Siebtel des spanischen Börsenindex besteht aus Inditex.

Das ist auch deshalb erstaunlich, weil der Erfolg nicht in den Modezentren New York, Paris oder Mailand geboren wurde, sondern am äussersten Rand Kontinentaleuropas, in der nordwestspanischen Region Galicien.

Es ist die Heimat von Amancio Ortega. Der 88-Jährige ist der reichste Mann Spaniens, weltweit rangiert er unter den reichsten Top 15.

** HOLD FOR RELEASE UNTIL 6 P.M. EASTERN TIME. THIS STORY MAY NOT BE POSTED ONLINE, BROADCAST OR PUBLISHED BEFORE 6 P.M. EASTERN TIME** Amancio Ortega, chairman and the controlling shareholder of Spanish fashion retail company Inditex, which runs the Zara chain of clothing stores is seen in a horse jumping competition in this Aug. 7, 2003 photo. Forbes magazine releases its annual rankings of the world's billionaires, Thursday, March 8, 2007. (AP Photo/EFE,Torrecilla)

Vor knapp 50 Jahren eröffnete Ortega in der Küstenstadt A Coruña den ersten Zara-Laden, zuvor hatte er unter anderem Bademäntel verkauft. Heute betreibt Zara mehr als 5600 Filialen in 213 Ländern.

Der Hauptsitz des Inditex-Konzerns ist nur wenige Kilometer von A Coruña entfernt, in der 33’000-Einwohner-Gemeinde Arteixo.

Nur durch ein paar Hügel vom Atlantik getrennt liegen die fussballplatzgrossen Flachbauten des Firmengeländes. Der Gebäudekomplex ist unter- und oberirdisch durch ein verwirrendes Geflecht aus Gängen und gläsernen Brücken verbunden. Teilweise durchquert man Hallen, in denen Kleiderständer, Stoffproben, Flachbildschirme, Fotoscheinwerfer und Hunderte Menschen eine Atmosphäre wuselnder Geschäftigkeit verbreiten.

Nur 6000 der rund 160’000 Angestellten von Inditex arbeiten hier in der Zentrale. Die meisten sind in den Stores der diversen Konzernmarken tätig.

Doch jedes Stück, das sie dort verkaufen, wird in Arteixo entworfen, bei Zulieferern bestellt, geprüft und für das Marketing fotografiert. 700 Designer tüfteln die ständig neuen Zara-Designs aus, drucken Schnittmuster auf Spezialpapier, die sofort zusammengenäht und an Kleiderpuppen anprobiert werden.

Der Schlüssel? «Trends frühzeitig erkennen»

Plötzlich taucht Óscar auf, so nennen sie ihn hier, den Konzernchef. 2021 wurde Óscar García Maceiras zum neuen CEO von Inditex ernannt, kurz darauf übernahm Marta Ortega, die jüngste Tochter des Firmengründers, den Vorsitz im Aufsichtsrat. Die Personalie Maceiras erstaunte viele in der Branche. Denn der heute 49-Jährige war Staatsanwalt, dann Bankenjurist, Inditex ist sein erster Chefposten. Doch die Zahlen sprechen für ihn.

Tatsächlich ist Maceiras einer dieser Menschen, die einen Raum sofort mit Energie aufladen. Die rechte Hand gestikuliert, die linke steckt in der Hosentasche. «Trends frühzeitig zu erkennen», sagt er, das sei ein «Schlüsselelement unseres Geschäftsmodells», dazu komme die Diversifikation, neue Linien, neue Brands.

epa09828483 Spanish textile giant Inditex's CEO Oscar Garcia Maceiras delivers a speech during the presentation of the company's results registered in fiscal year 2021, finished in 31 January 2022, at company's headquarters in Arteixo, Galicia, northwestern Spain, 16 March 2022. The company, owner of several fashion retailers including Zara, Pull&Bear and Massimo Dutti, among others, announced that Inditex achieved a net income of 3.2 billion euro in fiscal year 2021, 193 percent more than same period period of 2020.  EPA/Cabalar

Das mit der Skimode sei auch so ein Novum. Jovial erzählt er von einem Praktikum in einem Zara-Store, das er wie jeder Firmenneuling absolvieren musste – bei ihm war es der Laden in Madrids Calle de Serrano. Dann muss er los, zu einem Treffen mit Regionalleitern in Neapel, «die wahre Welt spüren», nicht nur Zahlen auf Bildschirmen.

Überhaupt, die Zahlen. Sie sind bei Inditex kein Geheimnis des obersten Managements. Sie leuchten überall auf Bildschirmen in der Konzernzentrale, auch dort, wo die Designer die nächsten Kollektionen entwerfen. Jeder Storemanager bekommt sie zu sehen. Wie Börsenwerte zeigen sie die aktuellen Verkäufe in den 213 Ländern, wo es Zara gibt, von Kanada bis Kambodscha.

Läden bringen 75 Prozent des Umsatzes

Tatsächlich sind die Stores auch in digitalen Zeiten der wichtigste Verkaufsmotor von Zara.

Drei Viertel des Umsatzes werden mit ihnen erwirtschaftet, trotz der gut 150 Millionen App-Nutzer, auf die Inditex stolz verweist. Doch auch hier tut sich einiges: Seit 2018 hat Zara die Zahl der Läden weltweit von 7500 auf gut 5600 reduziert.

Was sich wie eine Konsolidierung anhört, ist in Wahrheit jedoch eine Expansion, denn die einzelnen Geschäfte werden grösser. In Quadratmetern gemessen ist die weltweite Verkaufsfläche von Zara so gross wie nie zuvor. Zweimal pro Woche kommt frische Ware in die Läden. Kein Kleidungsstück wird jemals neu aufgelegt, egal, wie erfolgreich es war. Das erzeugt bei den Kunden das Gefühl, schnell zugreifen zu müssen. Tatsächlich kommt bei Zara vergleichsweise wenig Ware in den Rabattverkauf.

Auch Inditex lässt in Asien fertigen

Vom Entwurf in Arteixo bis zur Auslage in den Stores vergehen nur drei bis vier Wochen, in der Branche sind neun bis zwölf Monate üblich. Um im Trend zu bleiben, wird die Fabrikation der neu entworfenen Stücke bis zur letzten Minute aufgeschoben. Mitunter werden Modelle ungefärbt hergestellt und in letzter Minute der aktuellen Trendfarbe angeglichen.

Um die Ladenwelten mit dem digitalen Universum zu verknüpfen, ist die Ware mit RFID-Chips im Preisschild versehen. Bald soll es sogar weiche Chips geben, eingewebt im Markenetikett. Mit der Technik kann man nicht nur in Arteixo sehen, was den Menschen in Phnom Penh gerade gefällt, es lassen sich auch Lieferströme unmittelbar anpassen und bestimmte Modelle dorthin versenden, wo sie den Kundengeschmack treffen. Logistik am Limit.

Das wirft Fragen zur Nachhaltigkeit auf. Gerne betont Inditex die geografische Nähe seiner Herstellerbetriebe in Portugal und Marokko, aus denen die Ware per Schiff und LKW in die Logistikzentren auf der Iberischen Halbinsel gebracht werden könne.

Doch schon ein Blick auf die Etiketten im Store in Madrid zeigt, dass dies nur ein Teil der Wahrheit ist: Viele Stücke werden in China gefertigt, manche auch in Bangladesh. Viele Stoffe sind aus Acryl und Polyester. Und sowohl die globale Verbreitung der Marke als auch die von Zara gelebte Last-Minute-Produktionspolitik machen Luftfracht zum Teil der gut geölten Maschinerie.

Immerhin gibt es in der Konzernzentrale einen Beauftragten für Nachhaltigkeit. Luis Coloma präsentiert ambitionierte Ziele: Bis 2040 will Inditex den CO₂-Fussabdruck um «mindestens 90 Prozent im Vergleich zu 2018» verringern. Zudem sollen in wenigen Jahren 40 Prozent der Kleidungsstücke aus recycelten Fasern hergestellt werden. Um soziale Nachhaltigkeit zu wahren, verpflichtet Inditex jeden Zulieferbetrieb zu Compliance-Regeln. Die Skandale um Ausbeuterbetriebe in Bangladesh sind in der Branche nicht ohne Wirkung geblieben.

Doch das grösste Risiko dieses Geschäfts lässt sich weder mit Technik noch mit Nachhaltigkeitszielen beseitigen: das «fashion risk». Das Risiko, dass nicht nur einzelne Kleidungsstücke bei der Kundschaft durchfallen, sondern die gesamte Marke ihr Image verliert.

Das ist einer der Gründe, warum die Filialleiter aus aller Welt jeden Morgen in Arteixo Bericht erstatten, wie es am Vortag lief. «In diesem Geschäft wird permanent viel Geld umgesetzt, man kann viel gewinnen und, wenn es schlecht läuft, schnell viel verbrennen», sagt ein Inditex-Manager. Bislang scheint Zara den Riecher zu haben, und das ist das Wunder dieses Weltkonzerns: dass er die Modetrends des gesamten Erdballs von Arteixo aus erkennt und bedient.

In der Madrider Calle de Serrano ist zwei Wochen später nichts mehr zu sehen von dem italienischen Designer. Jetzt wird die Edition einer Modeschöpferin aus Budapest beworben. Auch bei ihr haben die Hosen einen weiten Schlag. Aber, wer weiss, dieser Trend kann morgen schon wieder out sein.