Rückkehr von Xherdan ShaqiriShaqiri – Basels kleiner Erlöser
Xherdan Shaqiri kommt heim, und alle drehen durch. Warum ist das so? Wird jetzt alles wieder gut beim FCB? Über eine verrückte Basler Woche.
Als Erstes: ein Schrei.
JAAAAAAAAA!!! Er kommt! Er kommt!!!
Der Schrei kommt aus dem Nebenzimmer, der ältere Bub hat es auf dem Whatsapp-Kanal des FC Basel gesehen, und jetzt rennt er in der Wohnung herum und weiss nicht mehr, wohin mit sich. Der Jüngere rennt mit, auch er schreit, ballt die Fäuste.
So geil.
Dann hört man es von draussen, vom Balkon her, aus dem Parterre. Dann aus dem ersten Stock. «Hesch scho ghört?» Das Handy blinkt und blinkt, alle schreiben, alle reden, wild durcheinander. Die «Basler Zeitung» wird später eine Onlineumfrage aufschalten und ihre Leserinnen und Leser fragen: «Wie haben Sie von Shaqiris Rückkehr erfahren?»
Per SMS? Per Push? Per Anruf? Per durchdrehender Söhne?
Oder weil es in der Stadt plötzlich laut geschrien hat?
Ein Hühnerhaut-Moment
Beni Pfister betreibt die Fussball-Beiz «Didi Offensiv» im Kleinbasel, auch sein Handy hat am vergangenen Freitag nicht mehr aufgehört zu blinken. «Ich habe das Ankündigungsvideo des FCB wieder und wieder geschaut. Ein absoluter Hühnerhautmoment.» Er habe danach einfach alles zum Shaqiri-Transfer konsumieren wollen, alles reinziehen, alles!
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Für Pfister ist Shaqiri der einzige Superstar im Schweizer Fussball. Nicht der beste Fussballer. Aber der Einzige, der von allen geliebt wird. «Seine Rückkehr gibt ein gutes Gefühl. Seine Rückkehr ist romantisch.» In den letzten Jahren sei es so oft nur noch ums Geld gegangen beim FC Basel, ein Söldner kam nach dem anderen. Transfer dahin, Transfer dorthin, für Identifikation hatte es keinen Platz. «Shaqiri verdient viel beim FCB, schon klar. Aber er verzichtet auf sehr viel mehr Geld, damit er hier sein kann. Sein Entscheid ist ein emotionaler. Darum war die Eruption so gross in der Stadt.»
Claudio Miozzari, SP-Grossrat, höchster Basler (er präsidiert derzeit das kantonale Parlament), hat ein Buch über den FC Basel und seine Bedeutung für die Stadt geschrieben. Er hat am vergangenen Freitag Shaqiri-Kurznachrichten von Menschen erhalten, die sich sonst kaum für Fussball interessieren. «Shaqiri verkörpert die Sehnsucht nach dem reinen Spiel. Nach dem schönen Fussball. Wenn er einen Ball hat, sieht er glücklich aus.»
Miozzari glaubt nicht, dass mit Shaqiri der grosse Erfolg zum FC Basel zurückkehrt (das glaubt auch Pfister nicht), aber zumindest die Hoffnung, dass es vielleicht besser werden könnte. Ein bisschen. Für einen Augenblick. In naher Zukunft oder auch in weiterer.
In Basel gibt es eine Sehnsucht
Shaqiri steht für die Basler Sehnsucht nach alter Grösse. Für die Sehnsucht, dass hier endlich wieder etwas Gutes geschieht.
Diese Sehnsucht ist momentan das grosse Gefühl in Basel. Shaqiri ist Stadtgespräch. Shaqiri ist überall. Am Samstag nach der Verkündung des Transfers reichte die Schlange vor dem Fanshop weit auf die Strasse hinaus. Tausend Bestellungen für Shaqiri-Leibchen am ersten Tag (so erzählt man es sich), Wartezeit: drei Wochen.
Am Montagabend wird Shaqiri offiziell begrüsst, wie ein grosser Spieler in Italien oder Spanien (in der Schweiz gibt es das sonst nie). Er winkt vom Balkon der Geschäftsstelle, sagt ein paar freundlich-fröhliche Sätze («Sali zämme, jetzt holen wir diesen Kübel zurück!»), mehr als 3000 Fans wollen das sehen und hören und vor allem: spüren.
Am Dienstag das erste Training, öffentlich. Völlig überlaufen.
Am Mittwoch die ersten Gerüchte, dass es für das Heimspiel diesen Sonntag gegen Yverdon eng werden könnte mit Tickets. Dabei weiss man noch gar nicht, ob er überhaupt spielen wird.
Wie man in Basel sagen würde: Alles nid ganz bache.
Hat diese Übereuphorie, dieser Überschwang, dieses Sich-nicht-mehr-Spüren (wegen Fussball!) etwas Basel-Spezifisches? Würde das irgendwo sonst auch so sein?
Diese Fragen wurden – gerade während der goldenen Jahre zwischen 2002 und 2017, in denen der FC Basel regelmässig Meister wurde und europäisch gross aufspielte – immer wieder diskutiert. Die Antwort: teilweise ja. Teilweise nein. Es braucht gewisse Voraussetzungen, damit sich eine ganze Stadt (eine ganze Region) so stark mit einem Club identifiziert. Eine überschaubare Grösse (sonst verzettelt sich die Konzentration), ein gesundes Selbstbewusstsein (wir sind besonders, wir sind anders) und eine magische Erzählung von früher. Von Abstürzen und Auferstehungen, von Sonnenschein und Regen, von goldenen Nächten, gemeinsamen Glücksmomenten.
Und darum: Ja, die Aufregung hat etwas Baselspezifisches, die Stadt hat alle Voraussetzungen. Aber nicht nur. Dass Shaqiri so fest bejubelt wird, hat noch weitere Gründe. Er ist der populärste Schweizer Fussballer der jüngeren Vergangenheit – weit über Basel hinaus (wie man am Empfang der Nationalmannschaft nach der EM in Zürich sah). Und er kommt zu einer Zeit nach Basel, da es dem Club nicht mehr läuft. Der Jubel über den verlorenen Sohn, der in der Dürre nach Hause findet, beobachtete man auch schon in anderen Städten mit Traditionsclubs, die ihre beste Zeit hinter sich hatten.
Das ist auch der Unterschied zu anderen Basler Rückkehrern. Zu Alex Frei oder Beni Huggel oder Marco Streller oder Matias Delgado, die nach Stationen im Ausland in den 00er- und 10er-Jahren wieder zum bereits erfolgreichen FCB zurückkehrten. Auch sie wurden bejubelt, fest, aber niemals so überschwänglich wie jetzt Shaqiri. «Die Euphorie war nicht annähernd so gross wie heute», erinnert sich Beni Huggel. Seine eigene Rückkehr habe etwas Zufälliges gehabt – es sei vor allem Marco Streller gewesen, der auf eine gemeinsame Rückkehr gedrängt habe. «Und irgendwann hat dann Trainer Christian Gross angerufen, ich habe mir das überlegt und Ja gesagt.»
Es ging dann relativ schnell. Unterschrift und ab ins Trainingslager ins Engadin, ohne Winken vom Balkon. Dafür (später) mit tatsächlichen Kübeln. Huggel war Teil einer der erfolgreichsten Basler Mannschaften der Moderne. Mit Streller, mit Alex Frei, mit Yann Sommer und mit zwei sehr jungen Basler Talenten: Granit Xhaka – und Xherdan Shaqiri.
Shaqiri hat schon viel Grosses geleistet
«Ich kann mich noch so gut erinnern, wie wir mit ihm an einem Tisch sassen und seinen ersten Vertrag unterzeichneten», erzählt Bernhard Heusler, der Präsident während dieser goldenen Jahre und verantwortlich für die meisten Rückkehrer. Das sei übrigens nie eine Strategie gewesen, sagt Heusler. «Es waren Opportunitäten.»
«Shaqiri war so jung damals», sagt Heusler, «wir waren so unter Druck – und dann schiesst er uns in seinem ersten Profi-Jahr als Linksverteidiger in die Champions League. Unglaublich.»
Der Wahnsinn ging weiter, letztes Gruppenspiel in der Champions League gegen Manchester United, Dezember 2011. Nach neun Minuten verspringt ein Ball Richtung Manchester-Corner, Shaqiri zwiebelt in Nähmaschinen-Schritten Richtung Eckfahne, dreht sich einmal und drischt den Ball hart aufs Tor. Abpraller, Streller, 1:0. In der zweiten Hälfte noch einmal das Gleiche, einfach von der anderen Seite. Harte Flanke von Shaqiri, Frei stürzt sich in den Ball, 2:0. Manchester: draussen.
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Shaqiri-Momente haben sie das genannt. Das und all seine Verrücktheiten später, seltener in München und in Liverpool, öfter in der Nationalmannschaft.
Auf diese Momente freuen sich die Leute in Basel – und auch sonst wo in der Schweiz. «Shaqiri verkörpert das Geheimnis, warum Fussball weltweit einen so grossen Erfolg hat», sagt Bernhard Heusler. Im Fussball-Podcast «Dritte Halbzeit» des «Tages-Anzeigers» (normalerweise nicht der Ort für grenzenlose Basel-Euphorie) mutmassten die Experten, dass selbst die härtesten FCZ- und YB-Fans Freude haben könnten an Shaqiri.
Das wiederum bezweifelt Beni Huggel. «Dass Shaq zurückkommt, ist super für die Liga. Aber er muss sich bewusst sein: In Basel werden seine Sympathiewerte steigen, in der restlichen Schweiz werden sie sinken.»
Auf Shaqiri liegt viel Druck
Und selbst daheim werde es für Shaqiri nicht nur einfach. Ihm sei das erst später so richtig bewusst geworden, sagt Huggel, im Gespräch mit dem ehemaligen Trainer Thorsten Fink. «Natürlich ist der Trainer am Schluss der Dumme, wenn es nicht läuft. Aber im Gegensatz zu uns wird der Trainer dann irgendwann entlassen und geht nach Hause. Wir Rückkehrer aber wollten hierbleiben, auch nach der Karriere. Das erhöht den Druck.»
Ob das bei Shaqiri auch so sein wird? Ob er den Druck spüren wird? Und ihn aushalten?
Wer weiss das heute schon. Und spielt es überhaupt eine Rolle?
Viel wichtiger: der nächste Sonntagnachmittag, St.-Jakob-Park gegen Yverdon. Die neue Nummer 10 macht sich bereit. Schüttelt sich noch einmal, betritt den Rasen.
Und das Stadion brüllt.
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