Wohnungsmarkt ZürichReizthema Genossenschaften: Zürcher Stadtparlamentarier müssen Wohnform nicht offenlegen
Die FDP wollte wissen, welche Politiker in städtisch geförderten und damit kostengünstigen Wohnungen leben. Doch der Antrag scheiterte im Stadtparlament klar.

- Der Zürcher Gemeinderat lehnte einen Antrag zur Offenlegung der Wohnverhältnisse ab.
- Linke Parteien kritisierten die Offenlegungsforderung als Eingriff in die Privatsphäre.
- SP und Grüne argumentierten, Wohnbaugenossenschaften seien essenziell für bezahlbaren Wohnraum.
Mit 78 zu 31 Stimmen hat der Zürcher Gemeinderat am Mittwoch einen Beschlussantrag der FDP abgelehnt. Dieser verlangte, dass die 125 Mitglieder des Stadtparlaments gegenüber der Öffentlichkeit offenlegen müssen, ob sie in einer städtischen oder von der Stadt finanziell geförderten, sprich gemeinnützigen und damit kostengünstigen Wohnung leben.
Ruf nach Transparenz
lnteressenbindungen der Gemeinderäte sollten nach Ansicht der FDP veröffentlicht werden, «um wirtschaftliche und/oder ideelle Interessen der Mitglieder offenzulegen, um so politisches Handeln einordnen zu können», wie es im Vorstoss heisst.
Die Stadt habe in den letzten Jahren mehrere Hundert Millionen Franken sowohl in den Kauf neuer Liegenschaften als auch in die Subventionierung von Wohnformen an Genossenschaften investiert; diese Beschlüsse würden jeweils auch von einer Mehrheit des Gemeinderats mitgetragen.
FDP-Gemeinderat Përparim Avdili erinnerte an eine von der «NZZ am Sonntag» publik gemachte Untersuchung der Jungfreisinnigen. Demnach lebten überdurchschnittlich viele Zürcher Gemeinderatsmitglieder in Genossenschaften und städtischen Wohnungen. Bei den linken Parteien sei der Anteil laut der Untersuchung deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung. Die Zahlen der Jungfreisinnigen seien allerdings mit Vorsicht zu geniessen, räumte die Zeitung ein.
Dennoch entfachten sie die Diskussion um gemeinnützigen Wohnraum neu. Dieser ist gerade in Zeiten der Wohnungsnot besonders gefragt, und immer wieder taucht die Frage auf, ob wirklich die Richtigen von den preisgünstigen Wohnungen profitieren.
«Wohnbaupolitik für die eigene Klientel»
Die FDP hegt laut Avdili schon lange den Verdacht, dass die rot-grüne Mehrheit in Zürich «eine Wohnbaupolitik für die eigene Klientel betreibt». Hier brauche es dringend mehr Transparenz. Die Öffentlichkeit habe ein Recht, zu wissen, wer von städtisch unterstützten Wohnungen profitiere.
Und wenn man sich schon den Lohn erhöhen wolle, solle man auch offenlegen, ob man in einer gemeinnützigen Wohnung lebe, sagte Avdili mit Blick auf die Abstimmung vom 9. Februar über die Erhöhung der Entschädigungen für Stadtparlamentarier. Weiter warf der FDP-Präsident der rot-grünen Ratsseite vor, seit 30 Jahren in Zürich an der Macht zu sein, und dennoch habe sich das Wohnproblem in dieser Zeit massiv verschlimmert.
Samuel Balsiger (SVP) kritisierte, die Linke rufe überall nach mehr Transparenz, etwa bei der Parteienfinanzierung, hier aber kneife sie. Dabei sei gerade beim Wohnthema Transparenz nötiger denn je: «Wir pumpen Hunderte Millionen Franken in den städtischen Wohnungsbau, da ist es nichts als logisch, dass man genau hinschauen muss», sagte Balsiger. Viele rot-grüne Ratsmitglieder hätten einen guten Lohn und wohnten dennoch in einer staatlich subventionierten Wohnung, behauptete er. «Wenn Sie ein soziales Herz haben, dann machen Sie Platz für Leute, die weniger Geld haben als Sie.»
AL warnt vor Schnüffelstaat
David Garcia Nuñez (AL) ging die Forderung nach Offenlegung der Wohnverhältnisse zu weit. Er warnte vor Schnüffeleien, Eingriffen in die Privatsphäre und einer politisch motivierten Hexenjagd. Die FDP-Forderung sei «politischer Lärm», der von der Tatsache ablenken solle, dass die FDP keine Rezepte gegen die Wohnkrise habe.
«Gründen Sie doch selber eine Genossenschaft»
Auch Matthias Probst (Grüne) warnte vor einem Eingriff in die Privatsphäre: «Es geht schlicht niemanden etwas an, wie wir wohnen.» Der FDP warf er vor, mit dem Vorstoss jene diskreditieren zu wollen, die in einer gemeinnützigen Wohnung leben. Dabei seien die Wohnbaugenossenschaften sehr wichtig für die Stadt, weil sie viel dazu beitrügen, dass in Zürich noch bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung stehe. «Vielleicht könnten Sie ja auch einmal eine Baugenossenschaft gründen, um das Problem der Wohnungsnot in Zürich zu lindern», schlug er der FDP vor.
SP: «Absurder Antrag»
Lisa Diggelmann (SP) sprach von einem «absurden Antrag», der auf einem fragwürdigen Medienbericht und einer zweifelhaften Untersuchung der Jungfreisinnigen beruhe. Wieso sollten Gemeinderatsmitglieder nicht auch offenlegen, wer eine Parkkarte für die blaue Zone besitze, Vorstellungen im Opernhaus besuche oder Mitglied einer Zürcher Zunft sei? Das Sechseläuten werde ja ebenfalls von der Stadt subventioniert.
Sven Sobernheim (GLP) hielt den FDP-Antrag für «nicht zielführend», zudem habe er einen «Touch von Fichierung». Auch er zog die Erhebung der Jungfreisinnigen zur Wohnsituation der Gemeinderatsmitglieder in Zweifel. Für Karin Weyermann (Die Mitte) geht die Forderung nach Offenlegung der Wohnform zu weit. Sonst müsste man auch angeben, ob jemand Wohneigentum besitze. Allerdings sollten gemeinnützige Wohnungen jenen zugutekommen, die wirklich darauf angewiesen seien, sagte sie.
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