Bezüge fast verdoppeltZürcher Parlamentarier wollen sich selbst mehr Geld zahlen
Der Zürcher Gemeinderat hat einer Lohnerhöhung in eigener Sache zugestimmt. Die Jahresbezüge sollen sich im Schnitt von 16’000 auf 28’000 Franken knapp verdoppeln. Die SVP ergreift das Referendum.
Mit deutlichem Mehr hat sich das Stadtparlament am Mittwochabend hinter die neue Entschädigungsverordnung gestellt. Diese sieht im Kern eine Erhöhung der durchschnittlichen jährlichen Bezüge eines Ratsmitglieds von heute rund 16’000 Franken auf neu 28’000 Franken vor. Die genaue Höhe hängt von der Anzahl und Dauer der künftigen Sitzungen ab und davon, wer in welchen Kommissionen sitzt.
SP, Grüne, AL, GLP, Mitte und EVP sprachen sich für die Erhöhung aus, SVP und FDP waren dagegen. Die Schlussabstimmung findet erst in einigen Wochen nach der redaktionellen Bereinigung der Vorlage statt.
Jährliche Ausgaben von 4,5 Millionen Franken
Im Einzelnen sieht die Revision vor, dass anstelle der heutigen Grundentschädigung von 260 Franken (nur für Spesen) eine monatliche Pauschale von 1000 Franken tritt. Dieser fix ausgerichtete Betrag soll ungefähr 40 Prozent der Entschädigungen ausmachen und deckt auch alle Spesen ab.
Die restlichen 60 Prozent machen die variablen Sitzungsgelder aus. Kommissions- und Ratssitzungen werden neu nach Minuten abgerechnet und entschädigt. Damit die Reduktion der Pensen in den Berufen nicht zu einer Lücke in der Altersvorsorge führt, werden die Bezüge neu auch in der 2. Säule versichert.
Mit den höheren Entschädigungen orientiert sich das Zürcher Stadtparlament an den Ansätzen des Zürcher Kantonsrats. Dieser hat seine Bezüge im Jahr 2020 neu geregelt. Seither erhalten die Kantonsratsmitglieder im Schnitt rund 30’000 Franken pro Jahr.
Die höheren Bezüge für die Zürcher Gemeinderatsmitglieder haben Folgen für die Stadtkasse. Laut einer Schätzung der Parlamentsdienste erhöht sich das jährliche Budget von heute 2,6 auf rund 4,5 Millionen Franken.
Zeitlicher Aufwand stark gestiegen
Die Befürworterinnen und Befürworter betonten, die Entschädigungen seien seit 1998 nicht mehr grundlegend an die aktuellen Gegebenheiten angepasst worden. Dabei sei das Gemeinderatsmandat in den letzten Jahren immer komplexer geworden und der zeitliche Aufwand stetig gestiegen, sagte Selina Walgis (Grüne). Heute könne man inklusive aller Sitzungen und Vorbereitungen von einem 30-Prozent-Pensum ausgehen. Daher sei meistens eine Reduktion des Arbeitspensums notwendig.
Hoher Fluktuation entgegenwirken
Damit das Gemeinderatsamt weiterhin allen offen stehe und sowohl mit dem Beruf als auch mit dem Familienleben vereinbar bleibe, müsse die Entschädigung in einem angemessenen Verhältnis dazu stehen, sagte Walgis. Dass das derzeit nicht der Fall sei, zeige die hohe Fluktuation im Rat.
Diese Wechsel führten immer zu einem beträchtlichen Wissensverlust für den Gesamtrat, was problematisch sei. Denn die Kontrolle der Verwaltung sei eine anspruchsvolle Aufgabe und bedinge viel Erfahrung. Die nun geforderte Entschädigung entspricht laut Walgis in etwa einem Medianlohn in der Stadt Zürich.
Nicht nur für die, die es sich finanziell leisten können
Für Sophia Karakostas (SP) darf ein Gemeinderatsmandat nicht nur für diejenigen zugänglich sein, die es sich auch finanziell leisten können. Im Zürcher Stadtparlament sollten möglichst alle Bevölkerungs- und Einkommensschichten vertreten sein, das sei für eine funktionierende Demokratie zentral, sagte sie.
Auch David Garcia Nuñez (AL) und Serap Kahriman (GLP) betonten die Notwendigkeit einer Anpassung, die heutige Entschädigungsverordnung sei nicht mehr zeitgemäss.
Christian Traber (Die Mitte) wies ebenfalls auf die gestiegene zeitliche Belastung durch die Parlamentsarbeit hin. Früher hätten die Sitzungen jeweils von 17 bis 19 Uhr gedauert, heute dauerten sie deutlich länger. In seiner Fraktion gebe es Selbstständigerwerbende, die es sich ernsthaft überlegten, ob sie sich die Ratstätigkeit überhaupt leisten könnten. «Wir wollen kein Berufsparlament, aber es braucht eine adäquate Entschädigung», sagte Traber.
FDP: «Schamlos, wenn nicht gierig»
Die FDP lehnte die Erhöhung als «schamlos, wenn nicht sogar gierig» ab, wie ihr Sprecher Roger Meier sagte. «Der Rat will sich ohne Befragung des Stimmvolks eine Verdoppelung des Lohnes gönnen», kritisierte er. Die FDP hätte eine moderatere Erhöhung der Entschädigung in der Höhe von rund 20 Prozent mitgetragen, eine solche wäre angesichts der Teuerung und des gestiegenen Arbeitsaufwands vertretbar.
Weiter störte sich die FDP daran, dass die Krankentaggelder, die Vergütung für anfallende Betreuungskosten und das ZVV-Abonnement für die Stadt Zürich in die Grundentschädigung eingepreist und diese dadurch «massiv aufgeblasen» worden sei. Dies führe dazu, dass fortan alle für Betreuungskosten entschädigt würden, auch wenn sie keine Betreuungsaufgaben wahrnehmen müssten, und alle Krankenentschädigung erhielten, auch wenn sie gesund seien.
«Sie haben die Bodenhaftung verloren, kommen Sie zur Vernunft», rief Roger Meier der Befürworterseite zu. Mit einem Rückweisungsantrag forderte die FDP, die Verordnung zu überarbeiten und auf die «massive Erhöhung» der Beträge zu verzichten. Ohne Erfolg: Der Antrag wurde mit 93 zu 21 Stimmen abgeschmettert.
SVP: «Exorbitante Erhöhungen»
Auch für die SVP wäre eine moderate Anpassung der Entschädigung in Ordnung gewesen, wie Fraktionschef Samuel Balsiger sagte. Die nun geplanten «exorbitanten Erhöhungen» seien allerdings jenseits von Gut und Böse. In einer Zeit, in der der Mittelstand den Gürtel enger schnallen müsse, «bereichern sich die mitverantwortlichen Politiker an Steuergeldern – anstatt der Bevölkerung mittels struktureller Reformen und Steuersenkungen endlich das Leben zu erleichtern».
Die SVP akzeptiere diesen «schamlosen Griff in die Stadtkasse» nicht und werde gegen die Entschädigungsverordnung das Volksreferendum ergreifen, kündigte Balsiger an.
Ansätze in Zürich sind hoch
Roger Bartholdi (SVP) zog zudem einen Vergleich zu den Sitzungsgeldern in anderen Parlamenten im Kanton Zürich und in Städten wie Bern, Basel, Luzern und St. Gallen. Demnach seien die Entschädigungen für die Stadtzürcher Parlamentsmitglieder schon heute «top» und wären mit der geplanten Erhöhung massiv höher als anderswo. «Leisten wir in Zürich wirklich so viel mehr als die anderen Gemeindeparlamente?», fragte er.
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