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Meinung

Gastbeitrag zur Wirtschaft
Das BIP als Massstab ist ein Auslaufmodell

ARCHIV - 16.12.2022, Brandenburg, Baruth: Dampf und Abgase kommen aus einem Schornstein einer Fabrik. (zu dpa: «Umweltverbände: CO2-Speicherung bremst Energiewende») Foto: Patrick Pleul/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Patrick Pleul)
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Die BIP-Prognose 2024 sei unterdurchschnittlich, war im «Tages-Anzeiger» zu lesen. Eine Expertengruppe prognostiziert alle drei Monate, wie gut sich die Schweizer Wirtschaft entwickelt. Messgrösse ist das Bruttoinlandprodukt (BIP), also der Wert aller Güter und Dienstleistungen. Nimmt das BIP zu, geht es der Wirtschaft gut. Geht es der Wirtschaft gut, geht es den Menschen gut.

Wer das infrage stelle, arbeite mit «ideologisch aufgeladenen Allerweltsbegriffen». Das behaupten Wirtschaftsliberale. Die «Neue Zürcher Zeitung» schreibt, die «Anti-Wachstums-Bewegung» habe «einen totalitären Charakter».

Wumm! Das sitzt. Dennoch ist es falsch. In der Schweiz sind 7 von 10 Menschen überzeugt, dass die «natürlichen Grenzen des wirtschaftlichen Wachstums» erreicht seien. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GFS Zürich im Auftrag von Greenpeace. 8 von 10 Befragten sind der Meinung, es brauche Wege, wie wir «unabhängig vom Wirtschaftswachstum gut leben können». 

Dem BIP ist unsere Gesundheit egal

Seit den 1950er-Jahren messen wir den Erfolg unserer Wirtschaft mit dem BIP. Dem BIP ist es aber weitgehend egal, wie es um soziale Gerechtigkeit, Umweltzerstörung oder unsere Gesundheit und Zufriedenheit steht. Eine Wirtschaft hat keine Raison d’Être, wenn sie nicht zum Wohlergehen beiträgt. Das bildet das BIP nicht ab, ebenso wenig wie die dominierenden Wirtschaftsmodelle mit dem «homo oeconomicus» im Zentrum. Die Menschen handeln sozialer als das Modell.

Es gibt Alternativen, die die Realität besser abbilden. Etwa die Wohlfahrtsmessung des Bundesamts für Statistik mit Indikatoren wie Bildung, Gesundheit und Umweltqualität. Und an der Uni Zürich macht sich eine Gruppe von Studierenden für Plurale Ökonomik stark. Sie fordert einen Lehrplan, der nicht nur auf Gewinnmaximierung und Wachstum fixiert ist.

Die Greenpeace-Studie «Transformation zu einem sozialgerechten Leben innerhalb der planetaren Grenzen» zeigt, wohin die Wachstumslogik geführt hat. Wir befinden uns ausserhalb der Zone, die den viel zitierten Wohlstand langfristig ermöglicht. Das sind Alarmzeichen, die jede BIP-Prognose zu Makulatur werden lässt.

Lasten und Wohlstand gerecht verteilen

Der Bundesrat schreibt im Umweltbericht 2022: «Noch ist eine nachhaltige Zukunft erreichbar, sie erfordert aber einen grundlegenden Wandel von Produktion und Konsum. (…) Nichthandeln hat negative ökonomische Folgen.»

Das weckt Verlustängste. Umso wichtiger ist es, Lasten und Wohlstand gerecht zu verteilen. Für die Klimapolitik etwa heisst das: Wer viel Ressourcen verbraucht oder viel CO2 emittiert – etwa mit Privatjets – muss zahlen. Oder besser: Privilegien abgeben.

Noch fehlen zwar umfassende Modelle, wie sie die klassischen Wirtschaftswissenschaften gewohnt sind. Doch deren Modelle halten mit der Gegenwart nicht mit. Grünes Wachstum gibt es nicht: Wenn Autohersteller effizienter und günstiger produzieren, folgt bald ein grösseres Modell mit mehr Ressourcenverbrauch.

Die Bausteine für eine andere Wirtschaft sind vorhanden: geteilter Wohlstand durch einen starken Service public, weniger Ressourcenverbrauch, energieintensive Produktionsformen aufgeben, Arbeit weniger besteuern, dafür Vermögen und Erbschaften stärker, genauso wie den Verbrauch von Primärressourcen. 

Agnes Jezler ist Expertin für «Change» bei Greenpeace Schweiz.