Jetzt redet Serbiens Botschafter«Wir sind für die Schweiz nicht das grösste Problem»
Weil Serbien ein Corona-Hotspot ist, verordnet der Bundesrat für Serbien-Reisende die Quarantäne-Pflicht. Davon lassen sich viele seiner Landsleute nicht abhalten, sagt Goran Bradic, Botschafter in Bern.
Der Bundesrat sieht Serbien als Risikoland und will alle Serbien-Rückkehrer in Quarantäne schicken. Ihre Reaktion?
Jedes Land hat das souveräne Recht, die bestmöglichen Massnahmen zum Schutz seiner Bevölkerung zu ergreifen. Ich gehe davon aus, dass der Bundesrat allein auf Basis von harten Fakten und Empfehlungen von hiesigen Experten entschieden hat.
Betroffen von der Quarantänepflicht sind laut Schätzungen etwa 150’000 Menschen in der Schweiz.
Mindestens so viele. Es leben rund 62’000 serbische Staatsbürger in der Schweiz und noch mehr schweizerisch-serbische Doppelbürger.
Wie viele davon reisen im Sommer nach Serbien?
Einige werden jetzt vielleicht verzichten. Zweifellos werden aber in den nächsten Wochen sehr viele Menschen aus der Schweiz nach Serbien reisen. Für sie wird die Quarantänepflicht natürlich schwierig: Entweder müssen sie ihren Ferienaufenthalt um zehn Tage kürzen oder zusätzlich unbezahlten Urlaub nehmen. Darum wäre es hilfreich, wenn die Rückreisenden in Serbien oder in der Schweiz einen Covid-Test machen könnten und sich bei negativem Resultat von der Quarantänepflicht befreien könnten.
Ist das eine Forderung an die Schweizer Regierung?
Es ist ein Vorschlag und eine Bitte. Die zuständigen Behörden treffen die Entscheidung.
«Mit dieser Einseitigkeit gegen die Serben habe ich Mühe.»
Was raten Sie Ihren Landsleuten? Sollen sie hierbleiben?
Mein Sohn ist vor wenigen Tagen von Wien nach Serbien gereist, und ich habe volles Vertrauen, dass er dort eine Maske tragen und alle Hygieneregeln befolgen wird. Ich will niemandem weder eine Reise empfehlen noch davon abraten. Das liegt in der Eigenverantwortung der Menschen.
Tatsache ist, dass mehrere Serben das Virus eingeschleppt haben: Der Fussballer Boris Babic vom FC St. Gallen, sechs junge Partygänger in Graubünden und auch im Kanton Zürich sind mindestens elf Fälle auf Serbien-Rückkehrer zurückzuführen.
Darf ich Ihnen eine Gegenfrage stellen: In Zürich waren zu diesem Zeitpunkt 11 von 72 Infizierten Serben – woher stammen die anderen 61? «20 Minuten» titelte: «Reisende aus Serbien müssen zehn Tage in Quarantäne». Warum erwähnt die Zeitung in der Schlagzeile nur die Serben, aber nicht die Schweden, die ebenfalls in Quarantäne müssen? Mit dieser Einseitigkeit gegen die Serben habe ich Mühe. Als Botschafter bin ich natürlich ein wenig subjektiv: Aber ich glaube nicht, dass die Serben in dieser Pandemie für die Schweiz das grösste Problem sind.
Ihr Land hat aber mit Corona ein gröberes Problem.
Es ist eine Tatsache, dass in den letzten Tagen etwas mehr Fälle registriert wurden. Gestern waren es 272 neu angesteckte Personen.
Der Chef der serbischen Ärztegewerkschaft glaubt den offiziellen Zahlen nicht. Er sagte im Fernsehen: «Glaubt nicht den Politikern, glaubt nicht dem Krisenstab, achtet auf eure Gesundheit, weil die Ärzte nicht mehr helfen können.» Denn die Spitäler seien überfüllt.
Ich bin Beamter und glaube meiner Regierung. Man kann das Glas immer als halb voll oder als halb leer sehen. Die Daten der serbischen Regierung werden von keinem ausländischen Experten in Zweifel gezogen. Serbien steht nicht schlechter da als andere vergleichbare Länder in Europa. Ich bin sicher: Wir bekommen das Virus unter Kontrolle.
«Zum Zeitpunkt der Wahl war die epidemiologische Situation gut.»
Auch die Rechercheplattform Birn sagt, in Serbien seien doppelt so viele Menschen an Covid-19 gestorben, wie die Regierung zugibt.
Wo sind die Beweise für diese Behauptungen? Ich bestreite nicht, dass es an gewissen Orten Probleme gab – etwa in der Kleinstadt Novi Pazar, wo ein kleines Spital überfordert war. Aber die Behörden haben bereits Gegenmassnahmen ergriffen. So gilt bereits seit rund einer Woche die Maskentragpflicht im öffentlichen Verkehr.
Ein Problem ist, dass Serbien am 21. Juni mitten in der Pandemie Wahlen durchgeführt hat.
Zum Zeitpunkt der Wahl war die epidemiologische Situation gut, in den Wahllokalen galten Hygienemassnahmen und Maskenpflicht. Auch in der Schweiz wählten mehrere Hundert Serben: in Bern in der Botschaft, im Generalkonsulat in Zürich und im Kongresszentrum in Lugano. Die Wahlen waren kein Problem – anders vielleicht als einzelne Sportanlässe.
Sie meinen das Fussballspiel Roter Stern gegen Partizan Belgrad mit 20’000 Zuschauern Mitte Juni? Das sind paradiesische Zustände für ein Virus.
Von diesem Spiel waren nicht alle Leute begeistert. Einige Epidemiologen hielten es aber für vertretbar, weil das Stadion nur zur Hälfte gefüllt war. Aber ich persönlich wäre vermutlich tatsächlich nicht hingegangen.
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