Neuer Corona-Hotspot in GraubündenParty-Gänger kehren mit Virus aus Serbien zurück
Sechs junge Männer sind im Bündnerland nach der Rückkehr aus dem Ausland in Isolation. Kantonsweit stehen 73 Personen unter Quarantäne, die meisten von ihnen wegen des Belgrader Falls.

Der erste aus der Gruppe der sechs jungen Männer erkrankte drei Tage nach der Rückkehr aus dem Ausland. Er hatte sich beim Arzt testen lassen. Daraufhin griff die Contact-Tracing-Gruppe des Kantons Graubünden ein. Seither sind die sechs Party-Gänger in Isolation.
Alle Personen, die mit den jungen Männern nach deren Rückkehr aus dem Ausland Kontakt hatten, wurden unter Quarantäne gestellt. Derzeit befinden sich im Kanton Graubünden insgesamt 73 Personen in Quarantäne, die meisten von ihnen wegen des Belgrader Falls.
Kantonsärztin: Es liegt am Party-Leben
Die Party-Gänger seien vorletztes Wochenende ins Ausland gegangen, hätten sich dort angesteckt und seien dann zurück in die Schweiz gekommen, sagte die Bündner Kantonsärztin Marina Jamnicki am Montag gegenüber dem Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz RSI. Der Grund für die Ansteckungen sei das Party-Leben an sich.
Es spiele keine Rolle, wo Partys stattfänden. Wenn eine Person krank sei, dann bestehe einfach die Gefahr von Ansteckungen. Jamnicki appelliert an die Selbstverantwortung: Die ganze Nacht Party machen Schulter an Schulter, das gehe einfach nicht. In Zürich war am Wochenende der Fall des Clubs Flamingo bekannt geworden, wo ein Corona-Infizierter andere Party-Gänger ansteckte. Die Folge: 300 Menschen müssen in Quarantäne.
Handlungsbedarf im Kanton
Laut der Kantonsärztin gibt es Handlungsbedarf in Graubünden. Die im Frühjahr wegen der Corona-Pandemie errichteten Führungsstrukturen seien teils reaktiviert worden.
Serbien wird zunehmend zum Risikoland für Schweizer Reisende (das war bereits Thema bei der Pressekonferenz des Bundes am letzten Donnerstag). Am Freitag sprach die Zürcher Kantonsärztin Christiane Meier von elf Neuinfektionen im Zusammenhang mit Rückkehrern aus Serbien allein im Kanton Zürich. Das waren vier mehr, als der Bund tags zuvor für die gesamte Schweiz gemeldet hatte. Das Problem sei neu und bereite ihr Sorgen, besonders in Hinblick auf die bevorstehenden Sommerferien, wenn viele Migranten in ihre Ursprungsländer reisten, so Meier.
Politiker fordern Bund auf, zu handeln
Das Problem beschränkt sich aber nicht nur auf Serbien, das die Corona-Massnahmen relativ früh gelockert hat und jüngst unter anderem Schauplatz von einem Fussballspiel mit über 20’000 Zuschauern gewesen ist. Betroffen ist der ganze Balkan. Der Grossteil der importierten Fälle stamme aus dieser Region, sagt Rudolf Hauri, Kantonsarzt von Zug und Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte der Schweiz. Unter den zwölf vergangene Woche festgestellten Neuansteckungen im Kanton Zug kämen neun Fälle aus dem Balkan. Aus anderen Kantonen erhalte er gleiche Signale. Von dort lägen ihm aber keine konkreten Zahlen vor.
Politiker im Bundeshaus zeigten sich bereits Ende letzter Woche beunruhigt. «Wir müssen sicherstellen, dass nur Covid-19-freie Menschen in die Schweiz kommen», sagte etwa SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi. Seine Partei fordert die Einführung systematischer Grenzkontrollen, sollten die Fallzahlen hierzulande wieder stark steigen. Aber auch im Falle von einzelnen Ländern, in denen sich das Virus wieder schneller verbreite, müsste der Bund nach Ansicht von Aeschi frühzeitig reagieren. «Eine Lehre der ersten Welle war, dass es eine bessere Kontrolle an den Grenzen braucht.» Aeschi würde es daher unterstützen, wenn der Bund Ein- oder Rückreisende etwa aus Serbien entweder einem Covid-19-Test unterziehen oder sie in eine zweiwöchige häusliche Quarantäne schicken würde.
Die Forderung nach einer Regimeverschärfung ertönte auch aus anderen Parteien. «Einreisende aus Ländern mit hohen Krankheitszahlen, wie aktuell Serbien, müssen besser geprüft und entsprechende Massnahmen beschlossen werden», sagte Ständerätin Brigitte Häberli-Koller (CVP) am Freitag. Sie dachte ebenfalls an Covid-19-Tests und häusliche Quarantäne. Im Minimum solle der Bund ihrer Ansicht nach Gesundheitskontrollen an Flughäfen und den Landesgrenzen einführen. Auch Ständerat Damian Müller (FDP) hielte es für sinnvoll, Rückreisende aus Ländern mit stark steigenden oder weiterhin hohen Fallzahlen zu kontrollieren, idealerweise mit Covid-19-Tests. Das Virus mache an den Grenzen nicht halt. «Mit unserem Verhalten riskieren wir eine zweite Welle, welche uns viel schneller überrollen kann, als dies die erste getan hat», befürchtet Müller. Die Schweizer seien nun gut beraten, im eigenen Land Ferien zu machen, so der Politiker am Freitag.
Für Deutschland ist Serbien «Risikogebiet»
Für die Bundesbehörden kommt die wachsende Zahl von Importfällen namentlich aus Serbien nach den Lockerungsschritten nicht unerwartet. Mit dem Land bestehen zwar noch Einreisebeschränkungen, doch in Ausnahmefällen ist eine Einreise möglich. Reisende aus der Schweiz können problemlos und ohne weitere Sicherheitschecks heimkehren.
Dagegen hat das deutsche Robert-Koch-Institut Serbien offiziell zum «Risikogebiet» erklärt. Es besteht damit grundsätzlich die Pflicht, sich unmittelbar nach Einreise nach Deutschland zu Hause selber zu isolieren. Mit Blick auf Deutschlands Strategie sagte Taskforce-Leiter Egger Ende letzter Woche: «Es ist schwierig, nachzuvollziehen, warum die Schweiz bis jetzt darauf verzichtet.» Die Taskforce rät zudem, die Länder je nach Schweregrad der Epidemie in verschiedene Kategorien einzuteilen, so wie das Deutschland bereits tue.
Ob die Schweiz dem Beispiel Deutschlands folgen wird, dazu äussert sich das Aussendepartement bislang nicht. Es verwies am Freitag auf die Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit (BAG), das von «nicht notwendigen» Auslandsreisen abrät.
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