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Heisseste Metropole Europas
«Wir müssen die Autos loswerden»: So soll Athen von der Hitze befreit werden

Die Bereitschaft zu einem «radikalen Umbau» sei unter den Bürgerinnen und Bürgern Athens stark gewachsen.
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Wer mal aus einem im Stau stehenden Auto heraus mit sehr viel Zeit die Akropolis von unten betrachten konnte, also wohl so ziemlich jeder, der in den letzten Jahren Athen besucht hat, kann ermessen, welch herkulischer Herausforderung sich Eleni Myrivili verschrieben hat. «Wir müssen die Autos loswerden», sagt sie immer wieder, was in Bezug auf Griechenlands Hauptstadt ähnlich ambitioniert klingt, als würde ein Bademeister sich zum Ziel eines sandfreien Strandes bekennen.

Doch sie vertritt das mit beherzter Zuversicht: Die Bereitschaft zu einem «radikalen Umbau» sei unter den Bürgerinnen und Bürgern Athens stark gewachsen. Immer mehr Leute, sagt Myrivili, erkennen, dass es so nicht weitergehen kann. Dass man es auch im hitzegewohnten Griechenland angesichts des Klimawandels mit einer «neuen Art von Hitze» zu tun hat.

Das europaweit erste Amt dieser Art

Eleni Myrivili (60) ist Hitzebeauftragte ihrer Stadt – die erste in einem vergleichbaren Amt in Europa. Griechenlands Hauptstadt gilt im Sommer als die heisseste des Kontinents, was nicht allein an ihrer geografischen Lage im östlichen Mittelmeerraum liegt, sondern auch daran, dass die Metropole mit mehr als drei Millionen Einwohnern so dicht zugebaut und -asphaltiert ist, dass sich die Wärme des Tages nachts nur spärlich verflüchtigt. (Lesen Sie auch den Artikel «Auch wer die Hitze nicht mag, sollte sich ihr aussetzen».)

Einer ihrer wesentlichen Lösungsansätze: Strassen stilllegen und durch «grüne Korridore» ersetzen. Um die neuen Parkanlagen zu bewässern, soll ein noch aus der Antike stammendes, von Kaiser Hadrian geplantes 20 Kilometer langes Aquädukt reaktiviert werden und Wasser aus den umliegenden Bergen in die Stadt führen.

«Athen ist eine gute Stadt, um Dinge auszuprobieren und zu schauen, was funktioniert.»: Eleni Myrivili (60), Hitzebeauftragte von Athen.

Eleni Myrivili, Enkelin des grossen Schriftstellers Stratis Myrivilis, hat sich schon früh für menschliches Verhalten in Gesellschaften interessiert. Sie wurde Professorin für Sozialanthropologie, trat der Grünen Partei bei, war Vizebürgermeisterin von Athen und verfasste in dem Amt schon 2017 einen Klimaplan für die Stadt, der unter anderem vorsah, den Ausstoss von Treibhausgasen massiv zu senken. (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Das Mittelmeer wird wärmer».)

Die Entscheidung, in die Politik zu gehen, traf sie nach eigener Aussage vor 15 Jahren, als sie in der Wohnung ihrer Mutter sass und im Fernsehen Bilder von Waldbränden in Griechenland sah: Die Machtlosigkeit beim tagelangen Zuschauen habe sie nicht ertragen.

Seit sie im Juli vergangenen Jahres ihren neue Posten antrat, hat Athen ein neues SMS-Warnsystem für drei verschiedene Stufen von Hitzewellen eingeführt. Zusätzlich weist eine Smartphone-App jeweils aktuell Orte in der Nähe aus, wo man sich abkühlen kann, etwa klimatisierte öffentliche Räume. Nun sind energiefressende Klimaanlagen eher Teil des Problems, auch weil sie mit ihrer Abwärme die Stadt noch zusätzlich aufheizen.

Es geht auch um soziale Anliegen

Trotzdem räumt Myrivili ein, dass sie in absehbarer Zeit nötig bleiben werden, um Gesundheitsrisiken zu lindern: Hitze sei ein «unsichtbarer und heimtückischer Killer», erklärt sie, viele der Tode etwa, die im Sommer als Herzinfarkte und Schlaganfälle in die Statistik eingingen, seien darauf zurückzuführen.

Dabei sieht sie ihre Arbeit nicht in erster Linie als eine technische oder städteplanerische, sondern im Wesentlichen auch als eine soziale. Nicht zuletzt weil Ärmere in dichter bebauten Vierteln wohnen und sich oft keine Klimaanlagen oder den Strom dafür leisten können. Den nötigen sozialen Ausgleich schaffen, auch durch Subventionen, das ist auch deshalb eine Herausforderung, weil Athen noch immer unter den Folgen der Sparmassnahmen des vergangenen Jahrzehnts leidet.

Doch gerade wegen dieser nicht immer einfachen Bedingungen ist aus ihrer Sicht Athen ein geeigneter Ort, um weltweit eine Vorreiterrolle einzunehmen: Mit ihrer Lage an der Schnittstelle zwischen Europa und Orient, als weder extrem arme noch extrem reiche Metropole, sei Griechenlands Kapitale eine «gute Stadt, um Dinge auszuprobieren und zu schauen, was funktioniert», hat Myrivili einmal der «New York Times» gesagt.