Impfpflicht für Grossveranstaltungen?«Wir können nicht einfach die Spielregeln ändern»
Festival- und Konzertveranstalter stehen vor einem Problem: Sie haben bereits Hunderttausende Tickets verkauft – ohne Impfpflicht oder Testzwang. Diese können sie nun nicht ohne weiteres von den Besuchern einfordern.
Wer darf im Sommer an ein Konzert oder ein Festival? Geht das nur mit einer Impfung? Oder auch mit einem negativen Test? Seit Wochen wird eifrig diskutiert, unter welchen Umständen Grossveranstaltungen bald wieder möglich sein könnten. Der Bund hat die Verantwortung dafür den Betreibern zugeschoben: Als private Unternehmen läge es in ihrer Macht, zu grossen Events nur Geimpfte oder Getestete zuzulassen. Doch so einfach ist das nicht, sagt Thomas Dürr – Geschäftsführer des auf Gross-Events spezialisierten Veranstalters ACT Entertainment.
Denn er und viele andere Veranstalter haben bereits Tickets für Konzerte verkauft, die wegen der Pandemie verschoben wurden. Für diese bereits verkauften Eintrittskarten könnten die Betreiber nicht im Nachhinein die Zutrittsbedingungen ändern.
«Das sind einige Hunderttausend wenn nicht Millionen von Tickets, die verkauft sind zu allgemeinen Geschäftsbedingungen, in denen keine Impfpflicht steht», sagt Dürr. Allein seine Firma, die Konzerte von Superstars wie Bon Jovi, Anastacia, Helene Fischer, Katie Melua oder Ehrlich Brothers organisiert, habe bis zu 300’000 Tickets verkauft und wegen des Veranstaltungsverbots nicht einlösen können. «Für die bereits verkauften Tickets können wir als Veranstalter privatrechtlich die Spielregeln nicht ändern», so Dürr. Das sei lediglich bei neuen Shows und neu verkauften Tickets möglich.
Nachträgliche Impfpflicht nur mit Gesetz
Dürr sieht vielmehr die Behörden in der Pflicht, über Rahmenbedingungen wie eine Impfpflicht oder einen Testnachweis zu entscheiden. Denn nur wenn der Zutritt zu Veranstaltungen gesetzlich geregelt sei, könnten die Veranstalter ihre Bedingungen anpassen. Ansonsten seien sie an die Bedingungen zum Zeitpunkt des Verkaufs gebunden.
Der Verband der professionellen Schweizer Konzert-, Show- und Festivalveranstalter (SMPA) spricht sich explizit gegen eine Impfpflicht für Grossveranstaltungen aus. «Das kommt für uns nicht infrage», sagt Geschäftsführer Stefan Breitenmoser. Bevor sich der Bundesrat nicht zu den längst fälligen Auflagen für grössere Veranstaltungen geäussert habe, sei es zu früh, über die Handhabung von bereits verkauften Tickets zu sprechen. Falls es die Bedingungen nötig machen, müsse der Bund eine rechtliche Grundlage zur Verfügung stellen.
Im Ausland wird wieder getanzt…
Im Ausland finden bereits wieder vereinzelt grössere Konzerte statt. In Israel gab ein Popmusiker ein Konzert vor rund 500 geimpften Besuchern mit Masken. In Barcelona ist für Ende März ein Popkonzert mit 5000 Zuschauern geplant. Es war binnen Stunden ausverkauft – obwohl strenge Vorschriften gelten: Die Besucher müssen einen Schnelltest absolvieren, sich registrieren, während des Konzerts eine FFP2-Maske tragen und sich beim Eintritt die Körpertemperatur messen lassen.
… die Schweiz wartet noch ab
In der Schweiz ist das noch nicht möglich. Viele Organisatoren hoffen bis spätestens 22. März auf konkrete Weichenstellungen. Denn den Betreibern grosser Festivals läuft die Zeit davon. Sie benötigen für die Organisation mehrere Monate Vorlauf. «Schaffen die Behörden nicht umgehend Klarheit, werden Grossveranstaltungen im Sommer 21 schon alleine mangels fehlender Vorlaufzeit nicht mehr möglich sein», sagt ein Sprecher des Openair Frauenfeld, das für Anfang Juli geplant ist. Auch beim Openair St. Gallen steht eine Entscheidung noch aus. Ebenso wartet das Gurtenfestival auf die Vorgaben der Behörden.
Das Montreux Jazz Festival will seine Pläne Ende März oder Anfang April vorstellen. Geplant ist ein Projekt, das sich den im Sommer geltenden Auflagen anpassen kann. Das Greenfield-Festival, das bereits für Anfang Juni in Interlaken geplant ist, dürfte hingegen wohl kaum im gewohnten Rahmen stattfinden. «Es gibt keine Anzeichen dafür, dass wir das Festival in der Art und Weise, wie es der Event erfordert, durchführen können», sagt Thomas Dürr, der auch in der Geschäftsführung des Festivals vertreten ist.
Dennoch haben viele Betreiber die Hoffnung noch nicht aufgegeben, im Sommer zumindest in kleinerem Rahmen Veranstaltungen wieder durchführen zu können. Um die private Kulturszene nach der Corona-Starre wieder in Schwung zu bringen, hat der Nationalrat einen Schutzschirm über 350 Millionen Franken verabschiedet. Er soll als eine Art Versicherung zum Tragen kommen, wenn geplante Veranstaltungen wegen der Pandemie doch nicht stattfinden können. (mit Material von sda, afp)
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