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Erschütternde Erlebnisberichte
«Wir dachten, das Auto wird jede Sekunde mitgerissen»

Weinend liegen sich zwei Brüder vor ihrem von der Flut zerstörten Elternhaus in Altenahr in den Armen. (19. Juli 2021)
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Die Pegelstände sinken in den Dörfern an der Ahr im Bundesland Rheinland-Pfalz. Wo sich das Wasser zurückgezogen hat, belieben Schlamm und Zerstörung zurück.

Wie die «Rhein-Zeitung» berichtet, ist in den Dörfern an der Ahr teilweise die gesamte Infrastruktur weggebrochen. «Wir sind als Mittelahr nicht mehr existent», wird die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, Cornelia Weigand, zitiert. «Die Menschen hier stehen unendliches Leid durch. Man erkennt die Orte nicht wieder.»

Noch immer werden im Kreis Ahrweiler Menschen vermisst. Die Behörden vermuten, dass beim Absuchen der Häuser in den Dörfern weitere Todesopfer gefunden werden. «Wir vermeiden es, dass Feuerwehrleute die Leichen bergen. Es könnten Freunde, Bekannte oder Verwandte darunter sein», sagt Frank Linnarz, Chef der Feuerwehren in Altenahr, gegenüber der «Rhein-Zeitung». Die Polizei oder Soldaten der Bundeswehr würden diese Aufgabe übernehmen.

«Die Menschen an der Ahr sind traumatisiert» so Linnarz und erzählt von einer Familie in Arthweiler, die auf das Dach ihres überschwemmten Hauses kletterte, um sich in Sicherheit zu bringen. Doch dieses sei unter dem Druck der Flut zusammengebrochen. «Nur mit einem Sprung auf das Garagendach des Nachbarn konnte sich die Familie retten.»

«Ich habe meinen Sohn gebeten, mich zurückzulassen.»

Petra Gründler aus Insul an der Ahr

Auch Petra Gründler spricht gegenüber der «Tagesschau» von Todesangst, die sie und ihr Sohn stundenlang durchleben mussten. Die 51-Jährige wohnt in Insul am Ufer der Ahr. Auch ihr Haus wurde in der Nacht von der Flut getroffen. Doch Wassermassen hätten verhindert, dass sie durch die Tür flüchten konnten. «Ich habe meinen Sohn gebeten, mich zurückzulassen», wird Gründler zitiert.

Nach langem Hin und Her konnte sich Gründler mit ihrem Sohn über eine Leiter ins Freie retten. Gemeinsam wollten sie sich auf dem höchsten Punkt im Ort in Sicherheit bringen: der Brücke über die Ahr.

Doch die Brücke hielt den Wassermassen kaum stand. Nach und nach seien Steine von den Fluten mitgerissen worden. «Wir waren von Wasser umzingelt», sagte Gründler. Stundenlang mussten die beiden auf der Brücke ausharren. Erst am nächsten Morgen konnten sie gerettet werden. «Wir hatten Todesangst. Wenn ich meinen Sohn nicht gehabt hätte, wäre ich freiwillig in die Ahr gegangen.»

Zahlreiche Häuser wurden in Insul von den Fluten der Ahr komplett zerstört. (15. Juli 2021)

Der Nachbar von Petra Gründler bestätigt gegenüber der «Tagesschau» die dramatische Szene. Er habe Gründler mit ihrem Sohn auf der Brücke gesehen und gehört. Doch er konnte ihnen nicht helfen. In den reissenden Fluten wäre er selbst ertrunken. Weil das Mobilfunknetz zusammengebrochen war, konnte er keine Hilfe rufen.

«Das Haus hat gezittert»

Auch am Ufer der Prüm in Rheinland-Pfalz haben viele Menschen alles verloren. Im Dorf Waxweiler im Kreis Bitburg-Prüm standen über 50 Häuser unter Wasser, wie die «Frankfurter Allgemeine» schreibt. Die Fluten hätten Bäume und eine ganze Holzbrücke mitgerissen, ehe sie in die Brücke im Ortskern krachten.

Edith Reinert wohnt direkt am Fluss. Schlammreste an der Hausfassade zeigen, dass bei ihr das Wasser zwei Meter hoch stand. Doch Reinert, die mit ihrer 92-jährigen Mutter in dem Haus lebt, harrte die ganze Nacht über im zweiten Stock des Gebäudes aus. «Eine Evakuierung wollte ich ihr einfach nicht antun», wird Reinert zitiert.

In Gefahr sei das Haus nicht, so Reinert. Ganz im Gegensatz zu dem ihrer Nachbarn auf der anderen Seite der Prüm. Die alte Mühle drohte unter den Wassermassen einzustürzen. Die Familie musste sich auf das Dach retten. «Das Haus hat gezittert», berichtet der Wehrführer Stefan Hagedorn der «Frankfurter Allgemeinen». Wegen der reissenden Flut konnten keine Rettungskräfte die Familie erreichen. Weil in der Nacht auch kein Helikopter zur Verfügung stand, mussten die Menschen bis Mittag auf dem Dach ausharren.

Ein völlig zerstörtes Haus in Altenahr. (19. Juli 2021)

Rund 30 Kilometer weiter in Messerich durchlebten drei Rettungskräfte Ähnliches: Die Helfer blieben mit ihrem Fahrzeug in der Flut stecken. Fünf Stunden harrten sie auf dem Dach des Fahrzeuges aus, bis sie im letzten Moment mit einem Bagger gerettet werden konnten. «Wir dachten, das Auto wird jede Sekunde mitgerissen», sagt Willi Schlöder, Katastrophenschutzinspektor des Kreises Bitburg-Prüm. «Wir konnten ihnen einfach nicht helfen. Das war das Schlimmste für mich.»