Gastkommentar zur Energiewende Wir brauchen bessere Anreize für nachhaltigen Strom
Die Schweiz hat die falschen Instrumente für die Förderung der erneuerbaren Energien. Wir haben einen Vorschlag, wie man das ändern kann.
Die Zukunft ist erneuerbar. Das ist eine Feststellung und keine Behauptung. Die erforderlichen Technologien für die Energieproduktion sind weitgehend vorhanden und die Lösungen absehbar. Trotzdem lassen die Investitionen in Schweizer Produktionskapazitäten auf sich warten. Schweizer Energieversorgungsunternehmen und institutionelle Investoren haben den Ausbau von erneuerbaren Kapazitäten im Ausland per Ende 2019 auf 11,5 Terrawattstunden, also auf knapp ein Fünftel der gesamtschweizerischen Jahresproduktion erhöht, während die Investitionen in der Heimat bescheiden blieben.
Das liegt an den überlegenen wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen im Ausland. In der Schweiz dagegen fehlen Investitionsanreize, vor allem für erneuerbare Grossanlagen. Die Folge: Die Energiewende in der Schweiz bleibt ein Wunschtraum.
Versorgungstechnisch steht unser Land vor grossen Herausforderungen: Die Kernenergie fällt mittelfristig weg, die Wasserkraft leidet unter regulatorischen Bürden und die fortschreitende Elektrifizierung des Verkehrs- und Gebäudesektors lässt den Stromverbrauch steigen. Der Bundesrat will die Versorgungssicherheit der Schweiz stärken und gleichzeitig die Klimaziele erreichen.
Daher ist ein rascher Aufbau der Kapazität erneuerbarer Energien im Inland zwingend. Denn Corona hat gezeigt: Es ist fahrlässig, sich in Notlagen auf Importe zu verlassen. Die Schweizer Energiewirtschaft bietet gerne Hand und ist von der Erfahrung und der technischen Expertise her fähig, bereits morgen damit zu starten.
Die Energieanbieter aber haben keinen Anreiz, Versorgungssicherheit zu bieten, weil sie dafür im heutigen Energiemarkt nicht entschädigt werden.
Das grosse Aber: Unter den herrschenden Rahmenbedingungen in der Schweiz lohnen sich Investitionen in Neuanlagen schlicht nicht. Es besteht ein Zielkonflikt zwischen dem Bedürfnis nach Versorgungssicherheit und der wirtschaftlichen Realität. Um den von der Politik im Zuge der Energiestrategie 2050 gewünschten Ausbau zu erreichen, braucht die Schweiz darum ein neues, wirksames Finanzierungsmodell.
Eine breite Allianz der Schweizer Energiewirtschaft schlägt ein Modell mit einer «gleitenden Marktprämie» vor. Dabei werden Produktionskapazitäten in einem Wettbewerb ausgeschrieben. Den Interessenten mit den tiefsten Angeboten wird darauf über eine gewisse Laufzeit eine minimale Vergütung für den produzierten Strom zugesichert – aber nur, falls der Marktpreis diesen nicht abdeckt. Dieses Modell wird heute bereits in vielen Ländern weltweit erfolgreich angewandt und hat gerade in unseren grossen Nachbarländern eine starke Ausbaudynamik ausgelöst.
Der Bundesrat sieht einen anderen Weg vor. Im Rahmen der Energiegesetzrevision schlägt er ein Modell mit Investitionsbeiträgen vor. Die Beträge werden im Vornherein fix festgelegt. Problematisch dabei: Es ist kaum möglich, die volkswirtschaftlich effizienteste Beitragshöhe zu ermitteln. Die Mittel der Konsumentinnen und Konsumenten würden ineffizient eingesetzt. Entweder der Beitrag ist zu hoch, was eine Überförderung nach sich zöge. Oder der Ansatz ist zu tief, was zu Anlagenstilllegung wegen schlechter Rendite führen könnte. Im Gegensatz dazu fördert die gleitende Marktprämie genau und nur so viel wie nötig. Für den Betreiber ist das ein grosser Anreiz, die Anlage am Markt auszurichten und möglichst lange möglichst viel zu produzieren. Versorgungssicherheit ist unbestritten ein wichtiges öffentliches Gut, das aber etwas kostet. Die Energieanbieter jedoch haben keinen monetären Anreiz, Versorgungssicherheit zu bieten, weil sie dafür im heutigen Energiemarkt nicht entschädigt werden.
Die gleitende Marktprämie entspricht genau diesen Kosten. Sie ist deshalb keine Subvention, sondern das faire Preisschild einer zentralen Dienstleistung.
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