Heftiger Schneesturm in den USAWindräder eingefroren: Millionen in Texas ohne Strom
Im Süden der USA ist es nach einem Schneesturm kälter als in Alaska. Das Stromnetz ist zusammengebrochen, einige erleben bereits die dritte Naturkatastrophe innert Jahresfrist.
Ungewöhnlich eisiges Winterwetter hat im südlichen US-Bundesstaat Texas zu massiven Stromausfällen geführt. Zeitweise waren knapp 4,4 Millionen Menschen ohne Elektrizität. Die Netzagentur des Bundesstaates schränkt die Stromzufuhr rotierend ein, um einen kompletten Zusammenbruch der Versorgung zu verhindern. Die Bewohner hatten dabei jeweils rund eine Stunde lang keine Elektrizität und konnten ihre Wohnungen und Häuser nicht heizen.
Dabei war es an vielen Orten so kalt wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. In Houston wurde mit -9 Grad Celsius der Kälterekord aus dem Jahr 1905 gebrochen, in Dallas war es gar -15 Grad Celsius und somit kälter als in Alaska. Auch in Austin, Corpus Christi und San Antonio wurden über 100-jährige Kälterekorde gebrochen, vielerorts war es erstmals überhaupt -10 Grad oder kälter.
Rekordwerte gab es auch im Mittleren Westen und in Neuengland im Nordosten des Landes
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Windräder sind eingefroren
Dass gerade in dieser Rekordkälte der Strom ausfiel, hängt wiederum auch mit dem Eissturm zusammen, der nun in Richtung Nordosten weitergezogen ist. So ist Windkraft in Texas eine wichtige Energiequelle. Minustemperaturen sorgten aber dafür, dass viele davon einfroren und nicht mehr oder langsamer liefen. Zudem werden einige Turbinen gerade gewartet, wie die «Dallas Daily News» berichtet. Normalerweise ist der Strombedarf im heissen Sommer am höchsten, wenn alle Klimaanlagen auf Hochtouren laufen, derartige Kälteeinbrüche sind zudem selten.
Erschwerend kommt hinzu, dass Texas ein dezentralisiertes Energiesystem hat und keinen Strom aus anderen Staaten bezieht. Der örtliche Stromversorger Oncor warnte Kunden, dass die weitreichenden Stromausfälle noch bis Dienstag anhalten dürften.
Gouverneur Greg Abbott teilte mit, die Nationalgarde sei im Einsatz, um dabei zu helfen, frierende Menschen aus ihren Häusern in eines der 135 eingerichteten Wärmezentren zu bringen. Es seien rund 3300 Polizisten des Bundesstaats, knapp 600 Angehörige militärischer Einheiten, Allradfahrzeuge der Forstverwaltung und 700 Schneepflüge im Einsatz. Für den Bundesstaat an der Grenze zu Mexiko, der flächenmässig etwas so gross ist wie Frankreich und die Schweiz zusammen, wurde der Notstand ausgerufen.
Die Behörden forderten alle Bürger auf, wegen verschneiter und vereister Strassen in ihren Häusern und Wohnungen zu bleiben. Der Bürgermeister von Houston, Sylvester Turner, forderte alle Bewohner, die noch Strom haben, auf, ihre Heizungen zu drosseln, um das Netz zu stabilisieren. Bürgermeister Turner forderte die Führung des Bundesstaats auf, die Verantwortung für die «Grössenordnung dieser Stromausfälle» zu übernehmen und eine Erklärung vorzulegen.
Eingefrorene Pipelines in Mexiko
In Tennessee, Oklahoma und Kentucky kam es ebenfalls zu eisigen Wetterverhältnissen. Örtliche Medien berichteten über zahlreiche Verkehrsunfälle. Im Zentrum des Landes hielt sich dem Nationalen Wetterdienst zufolge «kalte arktische Luft». Für die Stadt Lincoln in Nebraska etwa sollten die Temperaturen nach Prognosen über Nacht unter minus 30 Grad fallen.
Am Golf von Mexiko traf der Wintersturm in Louisiana und Alabama Regionen, die von den Hurrikan Laura und Delta 2020 schon arg mitgenommen wurden. Viele Häuser sind wegen der Coronavirus-Pandemie noch nicht oder nur behelfsmässig repariert. Menschen, die an ihrem Wohnort kaum jemals Schnee sehen, mussten mitansehen, wie eisiger Regen und teilweise auch Schnee durch Dächer in ihr Heim eindrangen. Es sei das dritte Desaster innert wenigen Monaten, berichtet die New York Times.
Auch in Mexiko waren in den Bundesstaaten Nuevo León, Chihuahua, Coahuila, Tamaulipas, Durango und Zacatecas am Montag fast fünf Millionen Haushalte zeitweise ohne Strom, wie der staatliche Stromanbieter CFE erklärte. Bei etwa zwei Drittel der Anschlüsse sei die Versorgung inzwischen wiederhergestellt, hiess es. Das Frieren von Pipelines habe zu einer Unterbrechung der Gaszufuhr geführt, hiess es.
«Bitte nicht Staubsaugen» in Schweden
Eisige Temperaturen haben aber auch im wintererprobten Schweden zu einer Stromknappheit geführt. Am Wochenende rief die Regierung deshalb dazu auf, nicht zu staubsaugen, wenn es gerade am kältesten sei, um Strom zu sparen. Im skandinavischen Land heizen viele Menschen ihre Häuser und Wohnungen elektrisch und die hohe Nachfrage liess den Strompreis in die Höhe schnellen. Das führte wiederum dazu, dass Industriebetriebe ihre Produktion zurückfuhren, um Kosten zu sparen.
Um genügend Energie zur Verfügung zu stellen, importierte Schweden «schmutzigen» Strom aus Braunkohlekraftwerken in Deutschland und Polen. Auch ein ölbetriebenes Notkraftwerk wurde in Betrieb genommen, eine Schlappe für das Land, welches «saubere» Energie fördert wie kaum ein anderes. Dabei gäbe es in Schweden eigentlich genug Strom, denn im Norden wird mehr produziert und genutzt. Aufgrund zu schwacher oder fehlender Leitungen kann die Energie aber nicht in den bevölkerungsreichen Süden umgeleitet werden, ein Problem, das die Regierung in den nächsten Jahren beheben will.
Das derzeitige Stromdilemma ist allerdings ein Ausnahmezustand. Zu normalen Zeiten kann Schweden seinen Ökostromüberschuss exportieren. Für künftige Kältewellen will man sich nun mit Superspeichern vorbereiten, das Ziel sei gar, zur Superbatterie für Nordeuropa zu werden, sagt der grüne Abgeordnete Lorentz Tovatt der deutschen Tagesschau. Auch ist das Land offen für Kernkraft, so sollen neue und kleinere Atomkraftwerke den Sonnen- und Windmix unterstützen. Eine Mehrheit der Bevölkerung ist für den Erhalt der Kernkraft.
Kein Hubschrauber nötig
Wie in Texas können auch in Europa Windanlagen einfrieren. Sensoren schalten die Windräder automatisch ab, wenn sich Eis bildet. Neuere Anlagen haben zudem Heizungen auf dem Rotorblatt, die auch während des Betriebes funktionieren. Denn die Windenergie ist für einen Ökostrommix insbesondere im Winter gefragt, wenn wegen mangelnder Sonneneinstrahlung weniger Solarenergie zur Verfügung steht.
Während der Kälte in den letzten Tagen machte auf sozialen Medien ein Bild eines Hubschraubers die Runde, der eine Windanlage enteist. Das von einer konservativen Meinungsseite verbreitete Bild zeigt allerdings einen Testflug im Jahr 2016 und kein tatsächlich angewandtes Verfahren, um Windkraftanlagen zu enteisen. Physikalisch wäre ein solches Vorgehen mit heissem Wasser bei zweistelligen Minustemperaturen ohnehin keine gute Idee und würde zu noch mehr Eis führen – Stichwort Mpemba-Effekt.
SDA/anf
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