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Auswirkungen auf Vogelwelt
Windräder sind vogel­freundlicher als die Förderung von Öl und Gas

A man looks at the construction site of the highest wind park in Europe, at the Griessee, Nufenenpass, Valais, Switzerland, on Thursday, August 18, 2016. The wind turbines of this wind park were developed by the company SwissWinds GmbH. (KEYSTONE/Olivier Maire)
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Windräder können für Vögel zu gefährlichen Hindernissen werden. Das ist unbestritten und wird gern als Argument gegen den Ausbau der Windenergie aufgeführt. Selten ist jedoch davon die Rede, dass auch die Förderung von Öl und Gas direkte negative Auswirkungen auf die Vogelwelt hat.

Gemäss einer Studie der Universität Genf ist das aber durchaus der Fall: Neue Anlagen zur Förderung von Öl und Gas vermindern umliegende Vogelpopulationen im Mittel um rund 15 Prozent.

Obwohl Windanlagen durchaus Vögel töten, haben neue Windparks gemäss der in «Environmental Science & Technology» publizierten Studie keinen messbaren Einfluss auf angrenzende Vogelpopulationen.

Jahrzehntelange Vogelzählung verwendet

«In den Medien wird viel darüber berichtet, dass Windräder Vögeln schaden», sagt Studienautor Erik Katovich vom Institut für Ökonomie und Ökonometrie der Universität Genf. «Ich wollte das quantifizieren und mit potenziellen Beeinträchtigungen der Vogelwelt durch andere Infrastrukturen wie der Öl- und Gasförderung vergleichen.»

Dazu hat Katovich auf eine jahrzehntelange Reihe von Vogelbeobachtungen in den USA zurückgegriffen. Immer um den Jahreswechsel findet dort eine grosse Vogelzählung statt, der Christmas Bird Count, initiiert von der Umweltorganisation Audubon Society. Nach einem streng vorgegebenen Prozedere werden dabei in Hunderten über die ganzen USA verstreuten Kreisflächen mit einem Durchmesser von je 24 Kilometern die Vögel gezählt.

Enormer Ausbau von Windenergie und Fracking

Katovich hat sich die Zählungen der Jahre 2000 bis 2020 genauer angeschaut. Denn in diesen beiden Jahrzehnten wurde die Energie-Infrastruktur in den 48 untersuchten US-Bundesstaaten massiv ausgebaut. Die Menge durch Fracking gewonnenen Gases stieg von 37 Millionen Kubikmetern im Jahr 2007 um einen Faktor 20 auf 740 Millionen Kubikmeter im Jahr 2020 an. Noch stärker wuchs die Windkraft, und zwar um einen Faktor 48, von 2539 Megawatt installierter Leistung im Jahr 2000 auf 122’465 Megawatt im Jahr 2020.

In Anbetracht dieser Entwicklung sollte sich zeigen, wie stark welche Energie-Infrastruktur die Vogelwelt dezimiert. Katovich zitiert mehrere Studien, die Kollisionen mit Windrädern dokumentieren. Gemäss einer Studie von 2015 fallen in den USA jedes Jahr rund 234’000 Vögel Windrädern zum Opfer. Zudem gehen Vögel auf Abstand, sowohl während der Bauphase als auch im Betrieb. «Ich fand dennoch keinen messbaren Effekt neuer Windkraftanlagen auf die Vogelpopulationen und auch nicht auf die Anzahl vorhandener Vogelarten», sagt Katovich. Die Vogelpopulationen bleiben offenbar trotz der durch Windparks getöteten Vögel stabil. «Das gilt für viele unterschiedliche Vogelarten und insbesondere auch für Falken, Geier und Adler, von denen oft angenommen wird, dass Windräder für sie ein besonders grosses Risiko darstellen.»

FILE - This Jan. 16, 2015, file photo shows pumpjacks operating at the Kern River Oil Field, in Bakersfield, Calif. Some Democratic presidential hopefuls are calling for fracking bans. It may play well with some of the party’s base, but it could be risky. (AP Photo/Jae C. Hong, File)

Nur bei neuen Öl- oder Gasbohrungen zeigten sich signifikant negative Effekte. Mit einem Rückgang von 37 Prozent besonders stark betroffen sind Mittel- und Langstreckenzieher, aber auch Grünland- und Buschlandvögel mit 24 Prozent. In Mitleidenschaft gezogen werden aber auch Eulen, Spechte, Falken und andere Arten. «Besonders gross sind die negativen Effekte, wenn in wichtigen Vogelhabitaten nach Öl und Gas gebohrt wird, etwa in Brutgebieten oder in Regionen, die für den Vogelzug relevant sind», sagt Katovich. Dort ging die Stärke der Populationen nicht wie im Mittel um 15 Prozent, sondern um 25 Prozent zurück. Zudem sank in den wichtigen Habitaten die Anzahl vorkommender Arten.

Wie kann das sein?

Laut Katovich bringt die Erschliessung neuer Öl- und Gasquellen viele potenzielle Störfaktoren mit sich. «Dazu gehören Licht- und Lärmbelästigung, das Austreten und Versickern von kontaminiertem Grundwasser, Luftverschmutzung, das Abfackeln von Gas und konstanter Lastwagenverkehr.» Die aus dem Verkehr resultierenden Staubemissionen können bis zu 180 Meter in die angrenzenden Felder hineinreichen, wie eine andere Studie gezeigt hat, die Katovich zitiert. Gewisse Vogelarten würden sich gemäss einer weiteren zitierten Studie 150 Meter von den Strassen und 350 Meter von den Förderanlagen fernhalten. Besonders sensible Arten machen einen noch grösseren Bogen um diese Infrastrukturen.

Klimawandel ist grosse Bedrohung für Vögel

Wie er selbst sagt, hat die Aussagekraft seiner Studie gewisse Einschränkungen. «Ein Limit ist, dass der Christmas Bird Count nur im Winter durchgeführt wird und somit einige Zugvogelarten nicht berücksichtigt werden», sagt Katovich.

Der Biologe Livio Rey, Mitarbeiter Kommunikation der Schweizerischen Vogelwarte in Sempach, sieht das ähnlich. Die Vogelwarte begrüsst zwar, dass in der Studie die Auswirkungen mehrerer Energiegewinnungsformen auf die Umwelt untersucht werden. Rey weist aber darauf hin, dass einmal jährlich zwischen Dezember und Januar stattfindende Erhebungen wie beim Christmas Bird Count nur bedingt geeignet seien, um Veränderungen für alle vorkommenden Vogelarten festzustellen. «Erstens werden möglicherweise Auswirkungen auf seltene oder bedrohte Arten unterschätzt. Zweitens können Brutvögel oder durchziehende Vögel betroffen sein, was in den Zählungen im Winter nicht unbedingt sichtbar wird.»

Rey verweist auch auf die Existenz zahlreicher Studien, die die Auswirkungen der Windenergie auf lokale Brutpopulationen belegen und die Problematik von Kollisionen aufzeigen. «Die Einschätzung der Vogelwarte zur Windenergie ändert sich daher durch diese neue Studie nicht», sagt Rey. «Der einfachste, schnellste und kostengünstigste Weg, um Konflikte zu vermindern, ist das Sparen von Energie und in einem zweiten Schritt, so weit wie möglich, bestehende Infrastruktur zu nutzen. Müssen dennoch Anlagen gebaut werden, sind gewisse Vorgaben einzuhalten. Die Vogelwarte hat für Windenergieanlagen einen Leitfaden für die Umweltverträglichkeitsprüfung verfasst.»

Die Bedeutung seiner Studie sieht Katovich vor allem vor dem Hintergrund der Erderwärmung. «Der Klimawandel stellt eine grosse Bedrohung für Vögel und andere Wildtiere dar», sagt Katovich. Andererseits sei der Ausbau der Windenergie ein wichtiger Teil der Energiewende, um den Klimawandel zu begrenzen. «Meine Studie legt nahe, dass der Preis, den die Vogelwelt für den Ausbau der Windenergie bezahlt, möglicherweise nicht so gross ist, wie Kritiker der Windenergie befürchten – vor allem, wenn man bedenkt, dass die Alternative mehr Öl- und Gasförderung bedeutet.»

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