Mamablog: Planung im Elternalltag«Wie viele Stunden braucht man für so ein Baby?»
Der Alltag mit Kindern ist unberechenbar – und zwar nicht nur in der Babyzeit. Erfahrungsbericht einer dreifachen Mutter.
Als unser erstes Kind wenige Wochen alt war, traf ich beim Spazieren auf eine entfernte Bekannte. Entzückt kommentierte sie die paar Zentimeter flaumigen Köpfchens, die sie im Tragetuch sehen konnte. Dann wechselten wir ein paar weitere harmlose Worte, bevor sie eine Frage stellte, an die ich bis heute manchmal denke: «Und, wie viele Stunden pro Tag braucht man jetzt für so ein Baby?»
Ich war perplex. Seit der Geburt hatte ich jenseits jeglichen Zeitgefühls gelebt, war pausenlos mit Stillen, Brustumschlägen und Rhythmusfinden beschäftigt. Auch dieser Spaziergang glich eher einem Luftschnappen, bevor ich wieder in das heimische Meer aus Salbeitee-Kompressen und versabberten Nuschelis eintauchen würde. So murmelte ich nur etwas wie «schon noch streng» und «Mutterschaftsurlaub» und wechselte das Thema.
Zuständig und einsatzbereit – immer
Wie viele Stunden braucht man für ein Baby? Das klang, als ob Eltern dem Neugeborenen in einem regelmässigen, berechen- und planbaren Pensum «nachgehen» könnten, optimalerweise Teilzeit. Dass in Realität die einzige Regel die ist, dass man zu jeder Tages- und Nachtzeit zuständig und einsatzbereit ist, hätte sich zwar leicht beschreiben, aber im tatsächlichen Ausmass schwer verstehen lassen. Ich war ja selbst noch davon überwältigt. Aufwand in Stunden also? Was hätte ich schon sagen sollen?
Der Alltag mit Kindern, so scheint mir, ist längerfristig ein einziges, grosses Umdisponieren.
Damals fand ich die Annahme sonderbar, es könnten weniger als 24 Stunden sein. Später erst begann ich, auch über den Aspekt der Berechenbarkeit nachzudenken, der in der Frage mitschwingt. Denn natürlich lassen sich die 24 Stunden aufteilen und auch auslagern. Ein Tag Mama, ein Tag Papa, drei Tage Kita. Macht ja jeweils minus x Stunden. Aber halt nur theoretisch, wie man in der Praxis bald feststellt: Dass Fieber dem Kitatag entgegensteht, leuchtet vorab ein. Wie oft es auftritt … muss man erst erleben.
Einzelteile des durchgetakteten Alltags
Doch es wird einfacher. Oder planungssicherer. Wenn das Kind eins ist. Oder zwei. Denkt man. Und tatsächlich laufen die Tage irgendwann öfters ab, wie sie angedacht waren. Ausser halt ab dem Moment, in dem die Goldregenblüte in der Hand des Dreijährigen steckt oder eine Platzwunde auf dem Kinn des Schulkindes prangt. Und weiterhin gehts auch banaler: Der «Babysitter» ist kurzfristig verhindert und schon sucht man die Einzelteile des vormals durchgetakteten Alltags wieder am Boden zusammen, sortiert neu, verschiebt, sagt ab.
Eine Reiserücktrittsversicherung? Aber sicher! Es müssen Eltern gewesen sein, die sie erfunden haben.
Ja, die Stunden werden irgendwann immer weniger. Doch die Unberechenbarkeit bleibt. Der Alltag mit Kindern, so scheint mir, ist längerfristig ein einziges, grosses Umdisponieren. Nicht immer. Aber immer dann, wenn ich denke, jetzt läufts, ist bestimmt gleich … sagen wir: Schulausfall. (Und natürlich war Corona bei all dem keine Hilfe.)
Gedanklicher Default: Alarmbereitschaft
So ist mein gedankliches Default-Setting selbst mit grösseren Kindern die ständige Erwartung einer Planänderung, die fortwährende, latente Alarmbereitschaft. Eine Auftragsdeadline ohne Pufferzeit? Macht mich sehr nervös. Ein wichtiger Anlass? Was, wenn die Grosseltern an dem Datum nicht «übernehmen» können? Eine Reiserücktrittsversicherung? Aber sicher! Es müssen Eltern gewesen sein, die sie erfunden haben.
Trotz konstanter Habachtstellung und einem Puffer-und-Backup-Spleen muss ich bis heute manchmal hyperventilieren, wenn wieder mal Umdisponieren nötig ist. Kommt es so weit, wirkt die Erinnerung an diese merkwürdige Frage von einst aber wie eine gedankliche Plastiktüte. Sofort fühle ich mich dann nämlich ertappt. Dabei, dass ich selbst immer wieder annehme, der Elternalltag sei berechenbar. Besagte Bekannte wusste es nicht besser. Ich dagegen hätte mich längst daran gewöhnen können.
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