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Meinung

Analyse zum Tod eines Schwerkranken
Wie Impfgegner falsch spielen

Wie diese Freiburger Seniorin erhalten derzeit viele Betagte ihre erste Corona-Impfung: Dass gerade alte Menschen in den Tagen nach der Covid-Impfung einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden ist statistisch wahrscheinlich. Nur: Die Impfung ist dann daran bestimmt nicht schuld. 
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Menschen können es nicht mit dem Zufall. Wir unterschätzen ihn notorisch. Denn unser Gehirn will Ordnung schaffen, Zusammenhänge erkennen zwischen den Dingen, die es wahrnimmt. Oft sind das auch Zusammenhänge, die es so gar nicht gibt. Wenn sich zum Beispiel in einer von einem Zufallsgenerator generierten Ziffernfolge die gleiche Zahl mehrfach wiederholt, empfinden wir das als nicht zufällig, sich schön brav abwechselnde Ziffern hingegen schon.

Das gleiche Denkmuster wenden wir an, wenn zwei Ereignisse zeitnah geschehen. Den Klassiker kennen alle: «Just in dem Moment, wo ich an diese Person gedacht habe, ruft sie an, das kann doch kein Zufall sein.» Ist es eben doch, sagt die Neuropsychologie. Man überlege nur, wie oft jemand nicht anruft, an den man gerade denkt.

Diese Schwäche des menschlichen Geistes nutzen Impfgegner gnadenlos aus, wie diese Woche wieder einmal klar wurde. Ein 91-jähriger, schwer kranker Pflegeheimbewohner erhielt am 24. Dezember als einer der ersten Menschen in der Schweiz die Covid-Impfung. Fünf Tage später starb er. «Erster Todesfall in Folge der Covid-Impfung in der Schweiz», liessen die Impfgegner denn auch nur wenige Stunden nach dem Tod verlauten.

Die Falschmeldung war draussen, in den Köpfen der Menschen.

Das ist natürlich Humbug. Noch am gleichen Tag stellte die Arzneimittelbehörde Swissmedic klar: «Weder die Krankengeschichte noch der akute Krankheitsverlauf legen einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen der Covid-19-Impfung und dem Tod nahe.» Aber die Falschmeldung war bereits draussen, in den Köpfen der Menschen.

Wie absurd solche Behauptungen der Impfgegner sind, zeigt eine Zahlenspielerei, die Bob Wachter, Vorsteher des Medizin-Departements an der University of California, San Francisco, auf Twitter veröffentlichte. Wenn man 10 Millionen Menschen impfe, schreibt er, dann würden von dieser Gruppe in den zwei darauf folgenden Monaten je rund 4000 Menschen einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erleiden, 9500 würden eine Krebsdiagnose erhalten und 14’000 Menschen würden sterben.

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Eine ähnliche Rechnung könnte man auch für die Schweiz anstellen. So erleiden hierzulande jeden Tag knapp 100 Menschen einen Herzinfarkt. Es kann also gut sein – und wird auch vorkommen –, dass Menschen in den Tagen nach der Covid-Impfung einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden. Nur: Die Impfung ist dann daran bestimmt nicht schuld. Wie auch nicht am Tod des 91-Jährigen.

Denn der bei uns eingesetzte Covid-19-Impfstoff BNT162b2 von Biontech/Pfizer gilt als äusserst sicher. Zwar ist in der Schweiz die Impfkampagne eben erst angelaufen, weltweit wurden gemäss Bloomberg News aber bereits sechs Millionen Menschen damit ein erstes Mal geimpft. Wären dabei schwere Nebenwirkungen aufgetreten, wüsste die Welt davon, und die Impfaktionen wären sofort gestoppt worden. Doch offenbar sind die Impfungen bislang ohne grössere Probleme verlaufen.

In ganz seltenen Fällen kann es bei einer Impfung zu schweren allergischen Nebenwirkungen kommen: Impfung im Kanton Neuenburg. 

Was nicht heisst, dass keine Nebenwirkungen auftreten. Im Gegenteil: Aus der im «New England Journal of Medicine» veröffentlichten Zulassungsstudie von Biontech/Pfizer wissen wir, dass beim Covid-19-Impfstoff BNT162b2 relativ viele Nebenwirkungen auftreten, allerdings in den allermeisten Fällen harmlose, die nach ein bis zwei Tagen wieder verschwinden.

Während der klinischen Studie starben zwei Probanden der Impfstoffgruppe, in der Placebogruppe verschieden aber vier Testpersonen.

So berichteten von den über 43’000 Probanden gut 70 Prozent der Geimpften von Schmerzen, Rötung oder Schwellung an der Einstichstelle, 59 Prozent der geimpften 16- bis 55-Jährigen vermeldeten Müdigkeit, 52 Prozent der gleichen Altersgruppe Kopfschmerzen (in der Placebogruppe betrugen die entsprechenden Werte 24 und 24 Prozent). Bei den Ü-55-Probanden waren alle Werte tiefer. Während der klinischen Studie starben zwei Probanden der Impfstoffgruppe, in der Placebogruppe verschieden aber vier Testpersonen.

In ganz seltenen Fällen kann es bei einer Impfung zu schweren allergischen Nebenwirkungen kommen, im schlimmsten Fall zu einem sogenannten anaphylaktischen Schock. Doch diese Nebenwirkungen treten schon innert Minuten nach der Impfung auf, meist in der ersten halben Stunde und nicht erst nach fünf Tagen. Daher wird auch geraten, nach einer Impfung für 30 Minuten am Impfzentrum zu verweilen, damit die Ärzte im schlimmsten Fall eingreifen könnten.

Impfgegner werden solche zufälligen Einzelschicksale weiterhin nutzen, um ihr Narrativ von der angeblichen Gefährlichkeit der Impfungen weiterzuspinnen.

Der Tod des 91-Jährigen wird nicht der letzte gewesen sein, der kurz nach der Impfung auftritt, zumal vorerst nur ältere und Risikopersonen geimpft werden. Trotzdem werden Impfgegner und Impfskeptiker solche zufälligen Einzelschicksale weiterhin nutzen, um ihr Narrativ von der angeblichen Gefährlichkeit der Impfungen weiterzuspinnen.

Für alle anderen, also die grosse Mehrheit, die der Impfung positiv gegenübersteht, gilt: Wir können uns – trotz seines bisweilen übereifrigen Ordnungsdrangs – auf unser Gehirn verlassen, denn wir haben ja auch noch den Verstand. Und der sagt uns, dass zwei Ereignisse, die zeitnah auftreten, in den meisten Fällen eben keinen kausalen Zusammenhang haben.