Gastkommentar zur KlimazukunftWie die Klimakrise uns glücklicher machen kann
Glücklichsein ist eine Entscheidung: für weniger Arbeit, für weniger Konsum und für mehr Zeit mit der Familie und sich selbst.
Wir Schweizerinnen und Schweizer leben auf Pump – auf Kosten unserer Enkel. Wenn die ganze Menschheit so leben würde wie wir, brauchten wir 3,3 Planeten, um unseren derzeitigen Konsum und Ressourcenverbrauch zu decken.
Haben wir aber nicht. Ohne Konsumverzicht werden wir die Zahl nicht drücken können.
Stellen Sie sich vor, Sie würden nur die Hälfte konsumieren, aber dafür auch nur die Hälfte arbeiten. Meine Familie und ich versuchen das – diese Zeitung hat darüber berichtet, hier und hier. Die Reaktionen zeigen: Für viele ist das eine schreckliche Vorstellung. Die Wissenschaft sieht das anders. Welche psychologischen Auswirkungen hätte es, so wenig zu konsumieren? Und so viel freie Zeit zu haben?
Laurie Santos, Professorin an der Yale University, gibt in ihrer (online kostenlos zugänglichen) Vorlesung über Glücksforschung eine klare Antwort: Der tolle Job, das schöne, grosse Haus und das schnelle, neue Auto machen nur ganz kurz glücklich. Sie werden allzu schnell zur Gewohnheit. Kein Wunder: Im Feierabendstau zu stehen, ist auch in einem noblen Mercedes einfach nervig. Zumal wenn nebenan ein noch teurerer Tesla fährt.
Deshalb wird die Lebenszufriedenheit gerade einmal zu zehn Prozent von Karriere, Wohnsituation und anderen äusseren Merkmalen bestimmt. Vielmehr setzt sie sich aus vielen kleinen Glücksmomenten zusammen – die wir selbst herbeiführen können.
Wann erleben wir solche Momente? In der Zeit, die wir mit Freunden, mit der Familie und mit uns selbst verbringen. Es sind so simple Dinge wie genug Schlaf, die wissenschaftlich betrachtet einen grossen Einfluss auf unser Wohlbefinden haben. Und das ganz klimafreundlich!
Ganze 40 Prozent der Arbeitnehmer sind sicher: Sie machen einen sinnlosen Job.
Natürlich macht auch Arbeit glücklich. Aufs Gleichgewicht kommt es an. Und auf den Sinn, den wir in unserer Arbeit sehen. Ganze 40 Prozent der Arbeitnehmer sind sich aber sicher: Sie machen einen sinnlosen Job. Das hat David Graeber, Professor an der London School of Economics, herausgefunden.
Womit wir bei der Wirtschaft sind. Ich höre schon die Klagen: Wenn wir nur noch die Hälfte konsumieren und arbeiten, würde sich ja das Bruttoinlandprodukt (BIP) halbieren.
Na und? Das BIP haben sich Wirtschaftswissenschaftler ausgedacht, um die Wohlfahrt der Gesellschaft zu messen. Es verfehlt ganz einfach sein Ziel. Zeit, diesem sinnentleerten Messinstrument endlich Lebewohl zu sagen. Das Wirtschaftssystem sollte den Menschen dienen. Nicht umgekehrt. Sinnstiftende Jobs in Wirtschaftsbereichen, die Positives zur Gesellschaft beitragen, sind möglich.
Alternativen, die das Bekämpfen der Klimakrise ermöglichen, sind in nahezu allen Bereichen entwickelt. Wir müssen sie nur endlich einmal nutzen. Und damit meine ich Konsumenten genauso wie Unternehmen. Ich verkaufe mit meinen Unternehmen nun zum Beispiel nicht mehr nur Kaffee, sondern auch Solarpanels für den Balkon. Einen so grossen Schritt müssten die meisten Unternehmen aber noch nicht einmal machen. Neue Produkte kommen ohnehin ständig auf den Markt, nur dass die meisten eben immer noch nur dem verkaufenden Unternehmen dienen. Statt dem Glück der Konsumenten oder der Umwelt.
Wissen Sie, was Menschen im Sterben bereuen?
Selbst im Corona-Jahr 2020 war der Earth Overshoot Day in der Schweiz am 8. Mai. Das ist der Tag, an dem wir unseren Teil der planetaren Ressourcen aufgebraucht haben. Vor genau fünfzig Jahren war es erst am 29. Dezember so weit. Waren die Menschen damals unglücklicher? Nein. Sie haben einfach nur einmal pro Woche Fleisch gegessen. Sind für Ferien nicht geflogen. Und ihre Autos und Wohnungen waren kleiner.
Kommen wir zum Ende. Wissen Sie, was Menschen im Sterben bereuen? Die Palliativpflegerin Bronnie Ware hat darüber einen Bestseller geschrieben: Sterbende bedauern, dass sie so viel gearbeitet haben. Dass sie nicht genug Zeit für Freunde und Familie hatten. Und dass sie nicht früher begriffen haben, dass Glücklichsein eine Entscheidung ist.
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