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Evakuierung aus dem Sudan
Wie die EU-Staaten der Schweiz wieder einmal aus der Patsche helfen

Gerettet: Ein französischer Evakuierungsflug aus dem Sudan wird am Sonntagabend in Djibouti entladen.
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Wie oft schwärmen Schweizer Politikerinnen und Politiker von der Souveränität der Schweiz! Wie gern empören sie sich über die EU-Staaten!

Doch sobald Schweizerinnen und Schweizer im Ausland in Lebensgefahr geraten, ist die Souveränität des Landes am Ende, die offizielle Schweiz ohne EU-Hilfe handlungsunfähig. Das war schon im August 2021 bei der Evakuierung des Schweizer Botschaftspersonals aus Afghanistan der Fall – und jetzt wieder im aufflammenden Bürgerkrieg im Sudan.

Am Sonntag konnten das Schweizer Botschaftspersonal im Sudan und seine Angehörigen, insgesamt zwölf Personen, das Land verlassen – aber nur dank europäischer Hilfe.

Am Sonntagnachmittag sah es zunächst danach aus, als würde Italien die Schweizer Diplomaten evakuieren. Doch am späten Abend dankte Aussenminister Ignazio Cassis auf Twitter nicht der Regierung in Rom, sondern jener in Paris. «Un grand merci à la France», schrieb auf Twitter auch die Schweizer Botschaft in Paris.

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Weil die Lage in Khartum so verworren sei, habe man bei der Planung der Evakuierung «mit verschiedenen Optionen gearbeitet», erläuterte Serge Bavaud, der Leiter des Krisenstabs im Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), am Montagnachmittag in Bern.

Doch schliesslich stach die Karte Frankreich: Zehn Personen konnten am Abend in einem französischen Militärflugzeug nach Djibouti ausfliegen, unter ihnen auch der Botschafter Christian Winter. Am Dienstag sollen sie in die Schweiz weiterreisen. Ein weiterer EDA-Angestellter und eine Begleitperson gelangten mithilfe des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz nach Äthiopien.

«Im Zentrum der Gefechte»

Die Evakuierung habe «unter extrem schwierigen Bedingungen» stattgefunden, so Bavaud. Zuerst mussten die EDA-Angestellten auf dem Landweg aus dem Stadtzentrum zu einem Flughafen ausserhalb Khartums gebracht werden, wo sie dann in das Militärflugzeug umsteigen konnten. Die Botschaft in Khartum ist nun «temporär» geschlossen, sie werde aber bewacht, so das EDA. Damit reduzieren sich auch die Möglichkeiten des EDA, den eigenen Bürgerinnen und Bürgern im Land zu helfen. 

Wie viele Schweizerinnen und Schweizer sich noch im Land befinden, ist unklar. Bei der Botschaft offiziell gemeldet sind rund 100. Etwa 30 davon hätten ihr Interesse an einer Evakuierung bekundet. Diese habe man nun über verschiedene Optionen für die Ausreise informiert, so Bavaud.

«Extrem schwierige Bedingungen»: Serge Bavaud, Chef des Krisenmanagement-Zentrums des EDA.

Die nächstbeste Möglichkeit ist ein Evakuierungsflug, den Deutschland für den Montagabend geplant hatte. Doch wer mitfliegen will, muss es auf eigene Faust zum Flugzeug schaffen. Derzeit steht noch nicht fest, wie viele Menschen auf diesem Weg ausgeflogen wurden. In Djibouti werden die Evakuierten von Angestellten des EDA und des Verteidigungsdepartements (VBS) in Empfang genommen.

Ob auch Schweizer Berufssoldaten der Eliteeinheit AAD 10 bei der Evakuierung im Einsatz sind, wollte Bavaud nicht sagen. Bereits habe das EDA auch einigen Touristen am Roten Meer bei der Ausreise aus dem Sudan helfen können.

Nicht evakuiert werden hingegen die 48 lokalen Angestellten der Schweizer Botschaft. Diese Menschen wüssten von vornherein, dass sie bei einer allfälligen Evakuierung nicht mitgenommen würden, sagte Bavaud.

«Ich arbeite mit den Mitteln, die ich habe.»

Serge Bavaud, Chef des Krisenmanagement-Zentrums des EDA

Ob die Schweiz für solche Fälle nicht eigene Transportflugzeuge haben solle, wurde Bavaud von Journalisten gefragt. Bavaud antwortete sehr diplomatisch: «Ich arbeite mit den Mitteln, die ich habe.» Die Beschaffung von Transportflugzeugen sei eine politische Frage, und das Parlament habe dies wiederholt abgelehnt.

Tatsächlich ist die Schweiz zu eigenständigen Evakuationen von Landsleuten im Ausland nicht in der Lage. Zwar verfügt sie mit dem Aufklärungsdetachement 10 (AAD 10) seit 2004 über rund 90 Profisoldaten, die für Auslandseinsätze in kriegerischem Umfeld ausgebildet sind. Zu deren Anforderungsprofil gehört explizit, «gefährdete Schweizerinnen und Schweizer zu evakuieren».

Nur: Bevor die Gefechtsprofis überhaupt an Ort und Stelle ankommen, sind sie auf andere Armeen und deren Transportkapazitäten angewiesen. Die Schweizer Politik diskutiert zwar seit über 20 Jahren die Beschaffung eigener Transportflugzeuge. Jedes Mal aber, wenn es konkret wurde, sagte eine Parlamentsmehrheit Nein.

Neuer Anlauf für Transportflugzeug

Das letzte Nein des Nationalrats ist erst ein Jahr alt. SP-Nationalrat Pierre-Alain Fridez (JU) hatte für seine Motion zur Beschaffung eines Transportflugzeugs für militärische und humanitäre Einsätze zwar zunächst 45 Unterschriften aus allen Fraktionen gesammelt. Doch als es am 9. März 2022 zur Abstimmung kam, sagten nur noch 20 SP-Fraktionsmitglieder, 16 Grünliberale sowie ein Grüner Ja.

Gegen die Beschaffung ist auch der Bundesrat. Verteidigungsministerin Viola Amherd begründete dies damit, eigene Transportflugzeuge würden die Handlungsfreiheit der Schweiz zwar erhöhen, wären aber nur schwach ausgenutzt und würden «sehr viel kosten».

«Die Schweiz muss bei der Auslandhilfe proaktiver agieren als bisher.»

SP-Nationalrat Pierre-Alain Fridez (JU)

«Bei Evakuationen ist die Schweiz immer auf die militärische Zusammenarbeit mit Partnern angewiesen», sagte Amherd im Nationalrat. Dies sei zum Beispiel bei Schutz, Sicherheit, Logistik, Besatzungen von Flughäfen und bei den Fluglotsendiensten der Fall.

Fridez will aufgrund der Vorkommnisse in Khartum nun einen neuen Anlauf unternehmen für ein schweizerisches Militärtransportflugzeug. Seinen vierten. Die Kosten könnten sich das Aussen- und das Verteidigungsdepartement teilen, schlägt er vor, denn der Flieger solle auch für humanitäre Hilfe, etwa bei Naturkatastrophen, eingesetzt werden. Die Schweiz müsse bei der Auslandhilfe proaktiver agieren als bisher, fordert Fridez. Als Nächstes will er deshalb eine unverbindliche Interpellation einreichen, als erster Schritt vor einer neuerlichen Motion.