Neues Buch von Papst Franziskus Wie der Papst sich selbst gerne sieht
Mit seinem neuen Buch über eine bessere Welt nach der Corona-Pandemie will Franziskus sein Image als barmherziger Seelsorger festigen.
Irgendwie kommt einem der Titel des Buches bekannt vor: «Wage zu träumen!» Kaum überraschend ist auch, wovon Papst Franziskus in Zeiten der Pandemie träumt: von der Bekehrung der Herzen, von der Umkehr der Gesellschaft und ihrer Hinwendung zu den Armen. In dem diese Woche auf Deutsch erscheinenden Buch macht sich Franziskus für ein bedingungsloses Grundeinkommen stark – ein linkes Postulat, das in der Post-Covid-Zeit aktuell werde: Schliesslich beraube die Pandemie Millionen Arbeiter und Taglöhner des informellen Sektors ihrer Existenzgrundlage.
Wenn überhaupt, dann überrascht das Buch mit den Passagen über die am eigenen Leib erfahrene existenzielle Einsamkeit, über die drei «Covid-Erfahrungen» des Jorge Mario Bergoglio. 1957 zum Beispiel wurde dem 21-jährigen, lebensgefährlich erkrankten Seminaristen der obere rechte Lungenflügel entfernt: «Ich weiss aus Erfahrung, wie sich am Coronavirus Erkrankte fühlen, die an einem Beatmungsgerät um Luft ringen», schreibt der Papst. Was ihn nicht hinderte, letzten Samstag mit den neuen Kardinälen seinen greisen Vorgänger Benedikt zu besuchen und ihn ohne Maske und Abstand zu umarmen.
In Deutschland «völlig fehl am Platz»
Auch seinen Deutschland-Aufenthalt schildert Bergoglio als «Covid-Erfahrung». Auf Anordnung seiner Oberen kam er 1986 zur Promotion an die Jesuiten-Hochschule in Frankfurt. Er fühlte sich dort «völlig fehl am Platz, wie ein Fisch ohne Wasser». Von Heimweh getrieben, pflegte er auf dem Frankfurter Friedhof die nach Buenos Aires startenden Flugzeuge zu beobachten.
Die dritte und für sein Pontifikat entscheidende «Covid-Quarantäne» verlebte er von 1990 bis 1992 als einfacher Seelsorger und Beichtvater in Cordoba. Nach seinen umstrittenen Jahren als Oberer des Jesuitenordens und Hochschul-Rektor wurde er zur Besinnung in die zweitgrösste Stadt Argentiniens geschickt. Tatsächlich habe er im dortigen Exil eine Läuterung erlebt und «eine neue Empathie für die Machtlosen».
Ein durch Fehler geläuterter Sünder
Manches davon hat bereits der britische Journalist Austen Ivereigh in seiner 2014 erschienenen Bergoglio-Biografie «The Great Reformer» erzählt. Das lesenswerte Werk gefällt auch dem Porträtierten selbst. Kein Wunder, stützt der Papst sein aktuelles Buch auf Gespräche mit seinem Biografen. Dieser hat Franziskus stets so geschildert, wie er sich selbst gerne sieht: persönlich als einen durch Fehler geläuterten Sünder, politisch als globalen Anti-Trump.
In seinem zweiten, fünf Jahre später veröffentlichten Franziskus-Buch spricht Ivereigh nicht mehr vom «Grossen Reformer», sondern vom «Verwundeten Hirten». Er schildert des Papstes «Kampf um die Bekehrung der Kirche», wie die konservative Clique unter dem von Franziskus kaltgestellten Glaubenspräfekten Gerhard Ludwig Müller ihn an Reformen hindern will.
«The wounded Sheperd» gehört, wie etwa auch Marco Politis «Franziskus-Komplott», zu den Büchern, die massgeblich das Narrativ des verhinderten Reformers schufen und für Bergoglio zum Alibi wurden, von Reformen zu sprechen, ohne sie umzusetzen. Es ist auch sein Auftreten als barmherziger Seelsorger, das dazu verleitet, ihn als Reformer zu sehen. In Wahrheit aber ist er vor allem seiner Rolle in Cordoba als empathischer Beichtvater treu geblieben.
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