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Mit Massentests zum Erfolg
Wie China die Corona-Fallzahlen drückt

Antraben zum Corona-Test: Vor den Testzentren in der chinesischen Millionen-Metropole Qingdao standen die Menschen Schlange, um sich testen zu lassen. 
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Während noch immer viele Staaten unter der Pandemie leiden, scheint China als eines der Siegerländer aus der Corona-Krise hervorzugehen. Die Wirtschaft hat überraschend schnell wieder an Fahrt aufgenommen. Die zweitgrösste Volkswirtschaft der Erde konnte die Lockdown-bedingten Verluste vom Frühjahr, die ersten seit Messbeginn im Jahr 1992, wiedergutmachen. Eine Rezession bleibt voraussichtlich aus – ganz im Unterschied zu den meisten anderen Staaten auf der Welt.

Dass sich die chinesische Wirtschaft so schnell vom Corona-Schock erholte, ist auch der positiven pandemischen Entwicklung zu verdanken. Die Corona-Fallzahlen bewegen sich gemäss Daten der Johns-Hopkins-Universität bereits seit Monaten auf einem tiefen zweistelligen Niveau und haben seit April nie mehr als 300 Neuinfektionen pro Tag erreicht. Das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben im Reich der Mitte läuft wieder weitgehend im Normalbetrieb.

Die gängigen Hygieneregeln wie Abstandhalten und Maskentragen gelten weiterhin und sind Teil des Alltags geworden – beziehungsweise schon länger gewesen. Ebenso muss jeder Chinese und jede Chinesin eine Health-Tracking-App, sprich, eine Corona-App, auf dem Handy installiert haben. Und das Ein- und Ausreisen ist noch immer nur stark eingeschränkt möglich.

Offiziell sind die meisten der noch nachgewiesenen Neuinfektionen «importierte» Fälle, wie die Regierung sie nennt: einreisende Ausländer oder Chinesen, welche das Virus mit sich einschleppen und ohnehin direkt am Flughafen entdeckt werden.

Doch manchmal kommt es auch zu lokalen Ansteckungen. Dann greift China zum Hammer. Etwa, wenn es eine ganze Stadt zum Corona-Test antraben lässt. So geschehen in Wuhan, dem wahrscheinlichen Ursprungsort des neuartigen Coronavirus, jüngst aber auch in der Metropole Qingdao im Nordosten des Landes.

So gehts: Ein Test für mehrere Personen

Zwölf neue Fälle verzeichnete die Metropole vor etwa einer Woche, die meisten von einem Krankenhaus ausgehend, wie die lokale Gesundheitskommission mitteilte. Offenbar war der Ausbruch besorgniserregend genug, um innert fünf Tagen die ganze Bevölkerung testen zu lassen. Das sind über neun Millionen Menschen, neun Millionen Abstriche also. Während Länder wie etwa die Schweiz mit ihren Testkapazitäten an ihre Grenzen stossen, setzt China bei seiner Eindämmungsstrategie auf die massenweise Durchführung von Corona-Tests.

Möglich macht dies unter anderem das sogenannte Pooling. Dabei werden entnommene Proben zu Gruppen von beispielsweise zehn bis zwanzig Proben zusammengefügt und als Ganzes untersucht. Schlägt der Corona-Test bei diesem Gemisch negativ aus, dann kann man davon ausgehen, dass auch die einzelnen Proben negativ sind. Der Vorteil: Man hat dafür nur einen Test statt zehn oder zwanzig verwendet. Ist das Resultat positiv, dann muss jede Person jeweils individuell getestet werden. In diesem Fall hat man einen Test «verschwendet».

Durch dieses Testverfahren lassen sich Zeit und Ressourcen sparen. Gleichzeitig können mehr Menschen getestet werden. Der Blutspendedienst des Roten Kreuzes in Frankfurt am Main hat sein eigenes Pooling-Verfahren entwickelt. Damit soll es möglich sein, die Anzahl von Corona-Untersuchungen landesweit von momentan 40’000 auf 200’000 bis 400’000 Tests pro Tag zu erhöhen, «ohne damit die hohe Qualität der Diagnostik zu reduzieren», wie das «Deutsche Ärzteblatt» schreibt.

Nur bei geringen Fallzahlen geeignet

Ohne Weiteres lässt sich dieses Verfahren jedoch nicht anwenden. Einerseits braucht es bei grossen Testmengen trotz allem zahlreiche Testkits, Testzentren und Personal, welches die Untersuchungen durchführt. Auf der anderen Seite eignet sich die Methode eher am Anfang der Ausbreitung, und nicht, wenn es schon fast zu spät ist. Dann nämlich sind bereits zu viele Personen potenziell infiziert, was beim Pooling zahlreiche Mehrfachtestungen zur Folge hätte.

Hinzu kommt, dass beim Testen grosser Bevölkerungsgruppen auch das Risiko falsch-negativer respektive falsch-positiver Resultate steigt. Bei einer Population von einer Million Einwohnern und einer Prävalenz von 0,1 Prozent – insgesamt 1000 wären demnach infiziert – würden zwanzig Personen fälschlicherweise negativ getestet; knapp 1000 Personen müssten in Isolation, obwohl sie eigentlich negativ wären, wie das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) in einem Bericht berechnete. Die erwähnten Zahlen gelten für gängige Labortests mit einer Sensitivität von 98 Prozent und einer Spezifität von 99,9 Prozent. Mit sogenannten Antigen-Schnelltests liessen sich solche Massentests zwar noch schneller durchführen. Diese sind in der Regel jedoch ungenauer und somit noch anfälliger für falsche Resultate.

Wegen der hohen Kosten sei eine Durchführung bevölkerungsweiter Tests «möglicherweise nicht für alle Mitgliedsstaaten durchführbar, angemessen oder vorrangig», heisst es im Bericht des ECDC. Es sei jedoch möglich, dass die entstehenden Aufwände andernorts wieder eingespart werden könnten, etwa durch die geringere Anzahl von Hospitalisierungen, Todesfällen und Arbeitsausfällen sowie die Einführung «passenderer, nicht pharmazeutischer Massnahmen».

8000 Soldaten helfen in der Slowakei beim Testen

Auch die Slowakei hat sich diese Woche für den «chinesischen Weg» entschieden und möchte angesichts rasant steigender Fallzahlen die gesamte Bevölkerung, fast 5,5 Millionen Menschen, testen lassen. Dafür hat die Regierung laut eigenen Angaben rund 13 Millionen Antigen-Schnelltests bestellt, welche an den rund 6000 Testzentren durchgeführt werden sollen. 8000 Soldaten sowie 50’000 staatliche Angestellte helfen mit beim Unterfangen. Ob die Tests freiwillig sind, ist unklar.

In Europa steht die Slowakei mit dieser Teststrategie wohl (noch) allein auf weiter Flur. Massentests, wie sie China durchführt, sind hier noch kein Thema, wie eine Befragung des ECDC Ende Juli ergeben hat. Auch die Schweiz beantwortete die Frage nach einer möglichen Einführung von Massentests dazumal mit Nein. Vielerorts beschränken sich Massentestungen auf einzelne Branchen, etwa auf das Personal in Spitälern oder Altersheimen, oder auf Reiserückkehrer aus Risikogebieten.