Knappe ReservenDer Schweiz drohen die Corona-Tests auszugehen
Schon in zehn Tagen könnte der Schweiz das Material für Corona-Tests ausgehen, warnen die Labors. Das Bundesamt für Gesundheit will das Testvolumen sogar noch erhöhen.
Das Testen ist ein wichtiger Bestandteil der Strategie des Bundesamts für Gesundheit (BAG) zur Bekämpfung von Covid-19. Allein von Freitag bis und mit Montag wurden fast 33’000 Tests durchgeführt. Doch das kann nicht ewig so weitergehen: «Wir brauchen derzeit rapide die Vorräte an Testmaterial auf, welche wir während der ruhigeren Phase im Sommer anlegen konnten», sagt Willi Conrad, Präsident des Verbands der medizinischen Laboratorien der Schweiz (FAMH), gegenüber 20 Minuten.
Das Problem: «Sämtliches Testmaterial wie Tupfer, aber auch die Reagenzien, um das Virus sichtbar zu machen, werden im Ausland hergestellt. Derzeit läuft ein weltweiter Verteilkampf um diese Materialien. Die Schweiz mit ihren acht Millionen Einwohnern kann nicht einfach so viel Material einkaufen, wie sie will oder benötigt», sagt Conrad. Auch im Sommer sei es nicht möglich gewesen, grössere Reserven anzulegen.
«Die Stimmung ist nicht rosig»
Die Situation sei prekär: «Wenn die Liefermengen gleich bleiben und die Zahlen weiter steigen wie in den letzten Tagen, so sind die Vorräte in zehn Tagen bis zwei Wochen aufgebraucht», sagt Conrad. Bereits jetzt würden einzelne Labors bei anderen anfragen, ob diese gewisse Materialien noch vorrätig hätten und etwas abtreten könnten. «Das Labor Spiez hat den Auftrag, die Verteilung der kritischen Güter zu organisieren. Die Stimmung in der Arbeitsgruppe ist alles andere als rosig», sagt Conrad.
Für den Präsidenten der FAMH ist klar: «Wenn wir nur begrenzt Tests zur Verfügung haben, müssen wir die Strategie ändern und diejenigen Personen testen, welche auch wirklich darauf angewiesen sind.» Conrad denkt dabei etwa an das Pflegepersonal oder die Patienten in Spitälern. Für andere mache ein Test hingegen wenig Sinn: «Wenn sich jemand so oder so für zehn Tage in Quarantäne begibt und klar ist, dass er keine Gefährdung für Mitmenschen darstellt, spielt es keine Rolle, ob er sich testen lässt oder nicht.»
BAG relativiert
Das BAG bezeichnet die Situation bei den Tests als «angespannt, aber nicht kritisch», wie Mediensprecher Jonas Montani sagt. «Der Bund steht in regelmässigem Kontakt mit den Labors und beobachtet die Entwicklungen in diesem Bereich mit grossem Interesse.» Das BAG stehe mit mehreren Herstellern und Lieferanten in Kontakt, um «angemessene Lösungen» zu finden.
Mehrere Labors bereiten sich laut Montani darauf vor, die Testkapazität zu erhöhen. Auch die Strategie werde evaluiert und angepasst, um Schnelltests einzubinden. «Diese spielen derzeit noch keine Rolle, da sie noch nicht validiert sind», sagt Montani. Ihr Einsatz hänge von der tatsächlichen Leistung der Tests ab, vorläufige Empfehlungen würden voraussichtlich in Kürze veröffentlicht.
«Schnelltests sind kein Allheilmittel»
Für Conrad sind die Schnelltests allerdings kein Allheilmittel: «Erstens, weil sie weniger genau sind als PCR-Tests. Es kann nicht die Lösung sein, dass wir negative Resultate von Schnelltests in grossen Mengen noch mit einem PCR-Test nachkontrollieren müssen, denn dann brauchen wir insgesamt noch mehr Tests.»
Der Einsatz von Antigen-Schnelltests sollte laut Conrad zu einer Entlastung in der PCR-Testung führen. «Im Moment ist aber noch nicht klar, wie die Antigen-Schnelltests eingesetzt werden sollen.» Das zweite Problem der Schnelltests sei, dass es sich um Einzeltests handle. Diese werden im Unterschied zu den PCR-Tests nicht vollautomatisch im Labor, sondern einzeln ausgewertet. «Wir können die Testkapazität damit nicht extrem steigern», sagt Conrad.
BAG will noch mehr testen
Trotz der angespannten Lage auf dem Markt will das BAG die Testkapazitäten laut Mediensprecher Montani weiter erhöhen: «Wir rechnen damit, dass das Testvolumen im Winter zunehmen wird, weil es auch mehr Infektionen mit anderen Atemwegviren wie dem Grippevirus geben wird.»
Derzeit liegt die Kapazität laut Conrad bei rund 25’000 Tests pro Tag – sofern dafür ausreichend Material zur Verfügung steht. «Wenn wir das Material haben und die personellen und maschinellen Ressourcen ausbauen, können wir auch die vom BAG angestrebten 40’000 Tests pro Tag erreichen. Das ist in der derzeitigen Lage aber unrealistisch», sagt Conrad.
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