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Mamablog: Kleiderstil von Teenies
Wer bin ich? Jugendstil!

Sturmkappe und North-Face-Jacke als Erkennungsmerkmal? Die Codes der Jugendlichen sind mehrdeutig. Oder?
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«Musst du dich immer wie ein Sack kleiden?» fragte meine Mutter damals Ende der Achtzigerjahre, als ich jeweils das Haus verliess. Besonders ein Dorn im Auge waren ihr die überweiten Jeans, die ich in der Taille mit einem Gürtel bis zur schieren Atemlosigkeit zusammenzurrte. Wir nannten diesen Jeans-Look «Clochard», was wahrscheinlich ein Verweis auf die Kleidung von Obdachlosen hätte sein sollen. Aber auch dem dazu getragenen XL-Sweater konnte meine Mutter nichts abgewinnen.

Da waren ihr die indischen Hippiekleider, die zwei Jahre später um mich herumwallten, um einiges lieber. Auch wenn sie den süssliche-herben Patschuliduft, der in den Fasern meiner Gewänder hing, abgrundtief verabscheute. Wahrscheinlich auch deshalb, weil sie vermutete, dass sich hinter den dicken Rauchschwaden der Räucherstäbchen in meinem Zimmer mehr als pure Raumbeduftung verbarg. Der Hippielook wurde von meiner Mutter aber insofern positiv bewertet, als dass sie ihn mit dem Attribut «weiblich» verknüpfen konnte, was meine modischen Ausflüge in die Punkszene oder Hip-Hop-Kultur nicht vermochten.

Wo gehöre ich hin?

«Die läuft voll dänisch rum», schnappte ich kürzlich bei einem Gespräch zwischen meiner Tochter und ihrer Freundin auf. «Dänisch?», fragte ich bei den beiden nach, denn unter diesem Begriff hatte ich vor allem Möbelklassiker aus den Fünfzigerjahren abgespeichert. «Hochgeschnittener Kragen, Wolljäckchen, selbstgeschneidertes Zeug, simple Schnitte.» Ein Look, der offenbar vorzugsweise von Menschen getragen wird, die eine Kunstschule besuchen.

Mode symbolisiert Zugehörigkeit und Abgrenzung zugleich.

Mode ist mehr, als was wir anziehen. Auf dem Weg zum Erwachsenwerden wird sie zur Botschaft an unsere Eltern, zum Experiment für uns selbst, zum Ausdrucksmittel und Identifikationsmerkmal einer Subkultur und manchmal auch zum Statussymbol. Mode symbolisiert Zugehörigkeit und Abgrenzung zugleich. Und gelegentlich ist sie auch Protest. Aber selbst, wenn mir diese sozialpsychologischen Aspekte durchaus geläufig sind, und ich mich stilmässig als tolerant einstufen würde, überkommt mich in jüngster Zeit ein gewisses Unverständnis, wenn ich die modischen Styles im Umfeld meiner zwei Teenies betrachte.

Von unten bis oben irritierend

Fangen wir beim Schuhwerk an. Hatte ich anfangs der Neunzigerjahre noch Rotz und Wasser geheult, weil meine Mutter meine Chucks – diese Stoffturnschühchen mit seitlichem Sternsymbol – ungefragt in den Müll geworfen hatte, weil zu verlöchert, zu abgetragen, zu schmuddelig («Was sollen denn die Nachbarn denken?»), mögen es viele jungen Menschen heutzutage offenbar proper an ihren Füssen.

Hauptsache blitzblank: Sneakers haben heutzutage so auszusehen, als wären sie neu und ungetragen.

Meine Tochter etwa hat kürzlich einen Sonntagnachmittag damit verbracht, ihre Sneakers zu schrubben und zu polieren. Schliesslich gelten Turnschuhe als harte Währung auf hiesigen Pausenhöfen, die es zu pflegen gilt. Was mich grundsätzlich hätte erfreuen sollen, irritierte mich: War blank und poliert nicht mal der Inbegriff von elterlicher Biederkeit, der es dringend zu entkommen galt?

Verbirgt sich hinter dieser radikalen Optik etwa ein stiller Protest?

Das scheint heutzutage kein Thema mehr zu sein. Wie auch die Tatsache, dass eindeutige Erkennungsmerkmale – früher konnte man ja bereits an den Schuhen erkennen, ob jemand Hippie, Skater oder Punk war – weitgehend verschwunden sind. Schwarze Regenjacken der Marke The North Face beispielsweise werden genauso gerne von Menschen aus der Hip-Hop-Szene getragen, wie von Jugendlichen aus der rechten Bewegung «Die junge Tat» – und dies wohl weniger, weil sie besonders wetterbeständig sind, sondern einer gewissen Krawalloptik entsprechen.

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Gefragte Krawalloptik: Neonazis trugen an der Corona-Demonstration in Bern ebenfalls North-Face-Jacken.
Sturmmaske und North-Face-Jacken als Markenzeichen: Ricta im «Balaclava»-Musikvideo.
Gefragte Krawalloptik: Neonazis trugen an der Corona-Demonstration in Bern ebenfalls North-Face-Jacken.

Einer Ästhetik, die sich im Umfeld meiner zwei Grossen in jüngster Vergangenheit zunehmend ausgebreitet hat. Dazu zählen auch Sturmmasken, die zum modischen Accessoire mutiert sind und nicht mehr nur an stürmischen Tagen auf der Skipiste getragen werden. Sowie auch der sogenannte Boxerhaarschnitt («Seiten auf Null»), ein Frisurentrend, der sich bei den Jungs nun schon eine ganze Weile hält und mich an Soldaten aus Nazideutschland erinnert.

Der Boxerhaarschnitt mit geschorenen Seiten ist bei Jugendlichen nun schon seit einiger Zeit im Trend.

Was hat es mit dieser radikalen Optik auf sich? Verbirgt sich dahinter ein stiller Protest? Und wenn ja, wogegen richtet er sich? Oder liegt es vielleicht einfach nur an meinem zunehmenden Alter, dass ich die jugendlichen Trends nicht mehr einzuordnen vermag?

Wie sehen Sie das, liebe Leserschaft? Lösen gewisse Looks Ihrer Kinder bei Ihnen manchmal auch Irritation aus?