Schweizer Doppelsieg in Kitzbühel«Wenn schon einer schneller sein muss, dann am liebsten Beat»
Beat Feuz und Marco Odermatt sorgen in Tirol für einen Schweizer Glanztag. Für den einen ist das Gold für den Kopf, für den anderen scheinen eigene Gesetze zu gelten.
Es ist schon verrückt bei diesem Beat Feuz. Da ist er für einmal nicht Seriensieger wie in den Jahren zuvor – und schon kommen Fragen nach seiner Form auf. Nach Rang 8 am Freitag auf der verkürzten Streif habe er hören müssen, wie schlecht er doch sei, so sagt es der Emmentaler. «Dann ist es doppelt schön, konnte ich so zurückschlagen.»
Und wie das der 34-Jährige tut. Zum dritten Mal gewinnt er in Kitzbühel die spektakulärste Abfahrt des Ski-Weltcups – nach den zwei Triumphen im Vorjahr. Nur einer bewegt sich an diesem Sonntag auf derselben Ebene wie der beste Abfahrer der letzten vier Jahre: Marco Odermatt, der junge Nidwaldner, dem offenbar nicht zu viel zugetraut werden kann. Nur weil er bei der neuen Einfahrt in die Traverse vor dem Ziel zu viel riskiert, gewinnt er nicht. Es wäre selbst für den Mann, der im Gesamtweltcup schier uneinholbar führt, etwas zu viel gewesen.
Ob er «nicht ganz gebacken» sei, hätte er jemanden gefragt, der vor der Saison das prophezeit hätte: Sieger beim Riesenslalom in Adelboden; Sieger beim Super-G in Wengen; Zweiter in der verkürzten Lauberhornabfahrt; Vierter auf Originalstrecke; Fünfter auf der kurzen Streif; Zweiter auf der langen. Doch genau das ist eingetroffen, sind das Odermatts Resultate der letzten zwei Wochen. Die Flughöhe des 24-Jährigen kurz vor den Olympischen Spielen in Peking ist gewaltig. Natürlich hätte er lieber gewonnen, sagt er dann noch, «auch wenn wir es super haben zusammen. Aber wenn von den 51 am Start schon einer schneller sein muss als ich, dann am liebsten Beat.»
Der Sieg «riecht gut»
Es ist für Feuz ein wichtiger Sieg. «Er riecht sicher gut», so sagt er es. Über die Frage, ob es gar eine Befreiung sei für ihn, freut er sich dann weniger. «Dafür bin ich zu lange dabei, als dass das eine Befreiung sein könnte. Ich war bis am Freitag Zweiter der Abfahrtswertung, so schlecht ist das jetzt auch wieder nicht. Von einer Befreiung würde ich bei weitem nicht reden.» Zweiter ist er auch jetzt wieder, nur acht Punkte hinter Aleksander Kilde.
Es zeigt, wie enorm hoch die Ansprüche an Feuz sind nach diesen letzten Jahren, in denen es so wunderbar lief für ihn. Bis auf den Sturz in Bormio und Rang 8 am Freitag hat er es in sämtlichen Abfahrten dieses Winters in die Top 5 geschafft, sprich sechsmal, fünfmal stand er auf dem Podest. Nur ein Sieg fehlte ihm bislang. Es ist zu spüren, wie gut ihm tut, dass er diesen nun hat, und das erst noch auf der schwierigsten Strecke überhaupt. Vielleicht passt dieses Bild ganz gut: Es ist für ihn wie Gold für den Kopf – zwei Wochen vor der Olympia-Abfahrt.
Kurz zu Hause entspannt
Den Kopf frei bekam er vor seinem grossen Auftritt derweil zu Hause in Oberperfuss, eineinhalb Fahrstunden von Kitzbühel entfernt. Am vergangenen Montag kam seine zweite Tochter zur Welt, am Freitag reiste er gleich nach der ersten Abfahrt heim. «Ich konnte richtig entspannen und die Familie geniessen. Die ganzen Emotionen vom Skifahren waren weg. Besser hätte es nicht sein können.» Seine Freundin und die Töchter sind auch mit ein Grund, weshalb er später als die anderen Abfahrer abfliegen wird Richtung China, «und weil ich mich so kurz wie möglich dort aufhalten will». Vorfreude klingt anders.
Komplett gegenteilig sind die Emotionen, die er im Zielraum der Streif hat, auf der er so lange vergeblich den Sieg jagte und viermal Zweiter werden musste, bis er 2021 gleich beide Abfahrten gewann. Nun hat er hier so oft gewonnen wie in Wengen und sorgt er mit Odermatt für den ersten Schweizer Doppelsieg auf der Hahnenkammabfahrt seit 30 Jahren, als Franz Heinzer, Daniel Mahrer und Xavier Gigandet gar ein reines Schweizer Podest schafften. Diesmal komplettiert dieses der Österreicher Daniel Hemetsberger.
Er habe am Lächeln der Betreuer oben beim Start gemerkt, dass Odermatt gut unterwegs sei, erzählt Feuz, «als wir im Ziel dann so viel Vorsprung hatten, wusste ich, dass unsere Fahrten nicht so schlecht gewesen sein können». 21 Hundertstel holt er auf seinen Teamkollegen heraus, neun Zehntel auf den Dritten. Der Hahnenkamm ist jetzt endgültig auch sein Berg.
Sie besichtigen zusammen
Davon profitiert auch Odermatt, der meist mit Feuz die Strecke besichtigt und die Linienwahl bespricht, «er hat jeweils einen Grundplan», sagt Feuz, «hat aber noch nicht so viel Erfahrung in Speedrennen. Und doch kann ich mit ihm fachsimpeln, er ist ein intelligenter Skifahrer und ziemlich unbekümmert.» Was Odermatts ganzes Umfeld dem Athleten attestiert, ist seine schnelle Auffassungsgabe, in welchem Tempo er dazulernt und Inputs auf der Piste umsetzen kann.
Kaum ein Ort zeigt das besser als Kitzbühel. Vor drei Jahren reist der begnadete Riesenslalomfahrer erstmals in den Nobelort in Tirol, um sich als 21-Jähriger die sagenumwobene Strecke hinunterzustürzen. Im ersten Training verliert er 5,77 Sekunden, im zweiten 3,90, im Rennen als 24. noch 2,44 Sekunden. Im letzten Jahr wird er Zehnter, am Freitag Fünfter, am Sonntag Zweiter. Während die meisten Athleten Jahre brauchen, um sich hier wohlzufühlen – sofern sie das überhaupt je tun. Für Odermatt scheinen grundsätzlich andere Gesetze zu gelten.
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