Kolumne «Heute vor»Wenn Ornithologen ein Motorschiff zum Sinken bringen
In Feldbach läuft im Mai vor 60 Jahren ein Kursschiff auf Grund, und in Horgen schifft das Militär tonnenschwere Fahrzeuge auf Schlauchbooten über den See.
Die Horrorvorstellung eines jeden Böötlers ist im Mai vor 60 Jahren bei einem Kursschiff der Zürichsee-Schifffahrgesellschaft eingetreten. Wie die «Zürichsee-Zeitung» berichtete, war an einem Sonntagvormittag das Zürichsee-Motorschiff Thalwil mit 53 Passagieren an Bord auf Grund gelaufen. Zugetragen hatte sich das Unglück in der Gubler-Bucht bei Feldbach, nahe der Kantonsgrenze zu St. Gallen.
So dramatisch das Szenario, so erheiternd sind die Begleitumstände: Die Passagiere des Bootes waren gemäss dem Zeitungsartikel allesamt Mitglieder des Ornithologischen Vereins Zürich, der das Motorschiff für eine Expeditionsfahrt gechartert hatte. Am Unfallort blieb das Motorschiff wegen zu starken Tiefgangs an einem Fels hängen. Wie die Redaktion der «Zürichsee-Zeitung» ihren Leserinnen und Lesern erklärte, konnte dies nur passieren, da sich alle Ornithologinnen und Ornithologen – wohl zur Vogelbeobachtung – am Heck des Schiffs befanden und mit ihrem Gewicht das Schiff runterdrückten. Erst die ausgerückte Seepolizei konnte das Schiff wieder fahrtüchtig machen.
Ein weiteres Spektakel zu Wasser ereignete sich zur selben Zeit auf der anderen Seeseite. Das Militär stand im Mai 1962 mit einer Vielzahl an Spezialfahrzeugen am Fusse des Albis. Wie der «Allgemeine Anzeiger des Bezirks Horgen» berichtete, mussten diese mit mobilen Fähren über den See nach Meilen verschifft werden. Wasserüberquerung ist eine Aufgabe der Pontoniere, einer zum Brückenschlagen bestimmten Genietruppe des Schweizer Militärs.
Zum Übersetzen der Militärfahrzeuge mussten in Oberrieden und Horgen sogenannte Brückenschlauchboote aufgeblasen werden. Diese Schlauchboote waren in der Lage, bis zu 50 Tonnen zu transportieren. Wie dem Zeitungsbericht zu entnehmen ist, zogen die Soldaten mit geschickten Handgriffen vier 500 Kilogramm schwere Hüllen aus dem Lastwagen, die aufgeblasen und später mit Bolzen, Brückengliedern und Laderampen zu schwertransportfähigen Fähren zusammengebaut wurden.
Mit dem Einbruch der Dunkelheit war es dann so weit, und die Fahrzeuge konnten verschifft werden. Die ersten Fahrzeuge waren ein 17 Tonnen schwerer Kranwagen, ein geländegängiger Lastwagen mit Anhänger und ein Landrover Geländewagen. Diese und noch viele weitere Fahrzeuge schipperten an diesem Abend auf den 27 Meter langen und 5 Meter breiten Schlauchbooten über den See nach Meilen.
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