Energie sparen Wenn Google den Thermostat steuert
In Texas beschweren sich Smarthome-Besitzer über Thermostate von Google, die während Stromknappheit ein Eigenleben entwickelt haben.
In einer der berühmtesten Szenen von Stanley Kubricks «2001: Odyssee im Weltraum» befiehlt Astronaut Dave dem Bordcomputer HAL, die Türen einer Raumkapsel zu öffnen. Die Maschine weigert sich: «Das kann ich nicht tun, Dave.» Die Szene wird von Untergangsjüngern immer beschworen, wenn es darum geht, die bevorstehende Machtübernahme der Maschinen zu illustrieren.
Ganz ähnlich wie Astronaut Dave dürften sich einige Stromkunden in Texas gefühlt haben, genauer gesagt jene, die ihr Haus mit einem smarten Thermostat, also einem mit dem Internet verbundenen Gerät, regulierten.
Ein Fernsehsender in Houston interviewte den aufgebrachten Brandon English, dessen Familie gut gekühlt bei vermutlich ortstypischen 70 Grad Fahrenheit (20 Grad Celsius) einschlummerte, und schwitzend bei rund 78 Grad Fahrenheit (26 Grad Celsius) aufwachte. Die Sorge, das drei Monate alte Baby könnte bei solchen Temperaturen dehydrieren, mag überzogen sein, die Wut des Stromkunden aber nachvollziehbar.
Stromnetz stand erst kürzlich in den Schlagzeilen
Während einer Hitzewelle, wie sie derzeit in Teilen der USA herrscht, die Kontrolle über die Temperaturen im eigenen Haus behalten zu wollen, ist kein völlig utopischer Anspruch. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass die Familie English für die Misere selbst verantwortlich war. Sie hatte im Zuge eines Gewinnspiels eingewilligt, an einem Stromsparprogramm mit dem Namen «Smart Savers Texas» teilzunehmen. Das Programm arbeitet mit Thermostat-Herstellern wie Google und Amazon zusammen.
Ein Kunde von Googles Thermostat «Nest» teilte seine Erfahrung via Tiktok: Während einer von den Anbietern definierten mehrstündigen «Energy Rush Hour» konnte er die Temperatur in seinem Haus nicht manuell einstellen. Es handelt sich dabei nicht etwa um eine Verschwörung der Maschinen sondern um menschliche Absicht. Die «Smart Saver» stimmen gegen die Teilnahme an einem Gewinnspiel zu, dass Google und Amazon im Fall von Stromknappheit an ihren Thermostaten schrauben.
Der texanische Gouverneur beschwor damals, alles zu tun, um das marode Stromnetz krisenfester zu machen.
Schon vor einigen Monaten war das texanische Stromnetz unrühmlich in die Schlagzeilen geraten. Die örtlichen Stromlieferanten hatten damals nach Kraftwerksausfällen während einer Kältewelle grosse Probleme, die Häuser der Texaner zu heizen. Es kam zu tagelangen Stromausfällen und danach zu kontrollierten Ausfällen, bis alles wieder lief.
Über hundert Texaner fanden den Tod, die meisten von ihnen waren erfroren. Der texanische Gouverneur beschwor damals, alles zu tun, um das marode Stromnetz krisenfester zu machen. Peinlich nun, dass die Netze schon wieder über Gebühr beansprucht wurden, diesmal jedoch aus entgegengesetzten Ursachen.
Strom ist knapp wegen Reparaturen der Kraftwerke
Hintergrund ist die historische Entscheidung der Texaner, ihr Stromnetz vom Rest der USA zu entkoppeln, sodass bei Stromknappheit Produzenten ausserhalb des Bundesstaats nicht aushelfen können. Viele Stromproduzenten hielten es zudem nicht für nötig, ihre Kraftwerke gegen unwahrscheinliche Ereignisse wie Kältewellen in Texas abzusichern. Hitzewellen hingegen sind in Texas erwartbar.
Der Energieaufsichtsbehörde ERCOT zufolge wurde der Strom knapp, weil letzte Woche rund drei mal so viel Energie wegen Reparaturen der Kraftwerke nicht zur Verfügung stand wie in normalen Zeiten. Zudem ist der Stromverbrauch im Bundesstaat erneut gestiegen, weil immer mehr Menschen nach Texas ziehen und die Wirtschaft boomt.
Programme wie «Smart Saver Texas» sind deshalb eigentlich eine gute Sache. Klimaanlagen, die in den USA praktisch in jedem Haushalt eingesetzt werden, sind Stromfresser. ERCOT zufolge kann jedes Grad weniger den Verbrauch der Geräte um sechs bis acht Prozent senken. Immer mehr Texaner setzen zudem auf smarte Geräte, so dass ein Programm wie «Smart Saver» echte Einsparungen bringen kann.
Zumindest theoretisch. Brandon English hat das Programm nach dem Schreck der vergangenen Woche umgehend wieder abbestellt. Preisausschreiben hin oder her.
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