Intelligentes StromnetzWenn Elektrogeräte gezielt gesteuert werden
Im sogenannten Smart Grid richtet sich der Verbraucher nach dem Angebot. Das heisst: Strom muss intelligent verteilt werden, um das Netz zu sichern. Die digitale Technik ist vorhanden, aber bei der Umsetzung hapert es.
Der Stromzähler im Keller, der einmal im Jahr Besuch von einem Mitarbeitenden des Elektrizitätswerks bekommt, sieht unscheinbar aus. Bei genauerem Hinsehen entpuppt er sich aber als Schlüsselelement für die Energiewende. Sogenannte Smart Meters spielen für das intelligente Stromnetz (Smart Grid) eine entscheidende Rolle. Sie messen nicht nur den Stromverbrauch, sondern kommunizieren mit den Werken und können die Belieferung beeinflussen.
Rundsteuerungen, welche die Betriebszeit der Warmwasserboiler kontrollieren, gibt es zwar seit langem. Im Smart Grid geht es aber viel weiter, indem der Stromverbrauch einzelner Geräte gezielt gesteuert wird. Damit kann die oft stark schwankende Belastung des Netzes korrigiert werden, wenn statt weniger Kernkraftwerke viele kleine Quellen das Netz speisen. Solar- und Windenergie produzieren sehr unregelmässig Strom. Für die Wende zu den erneuerbaren Energien ist ein geeignetes Netz unerlässlich.
Wenn heute eine Elektroheizung oder eine Klimaanlage eingeschaltet wird, löst dies über viele Netzebenen direkt einen Produktionsauftrag an den Generator im Kraftwerk aus. Das Elektrizitätswerk muss dann schauen, dass der Kunde sogleich die bestellte Energie bekommt. Die neue Philosophie heisst Demand-Side-Management (DSM) und bedeutet, dass nicht das Angebot der Nachfrage folgt, sondern dass die Nachfrage sich am verfügbaren Angebot orientiert.
Ökostrom stresst das Netz
Statt die Produktion und das Netz für viel Geld auf den Spitzenbedarf auszurichten und auszubauen, können die Elektrizitätsverteiler die Spitzen glätten. Energie wird dabei wenig effektiv gespart, aber durch die Verschiebung der Belastungen wird das vorhandene Netz optimal ausgenützt. Dazu dient auch die sogenannte Sektorenkopplung zwischen Haushalt und Mobilität: wenn in der Nacht Elektroautos mit dem Strom geladen werden, der zu dieser Zeit nicht für Staubsauger, Mixer oder Bügeleisen benötigt wird.
Als Lieferant der Energie kommt künftig nicht mehr allein der zuverlässig brummende Generator im
Kraftwerk infrage, wenn Tausende von Hausdächern Solarzellen tragen. Es stehen vielen dezentralen Anbietern ebenso viele mögliche Nutzer entgegen. Das Netz muss zwischen den beiden vermitteln. Dazu muss der aktuelle Zustand bekannt sein, was heute nur ansatzweise der Fall ist. Dann gilt es, die Ressourcen so zu verteilen, dass das Netz ausbalanciert ist.
Für Kundinnen und Kunden bedeutet der Smart Grid, dass sich der Preis dynamisch anpassen kann.
Ist das Netz stark beansprucht, steigt der Preis, einige Verbraucher werden dann ausgeschaltet. Das kann automatisch durch den smarten Zähler besorgt werden. Statt Tag- und Nachttarif und fixe Aufheizphasen für den Boiler gibt es Wärme immer dann, wenn viel Strom verfügbar und der Preis günstig ist.
Strom von privat zu privat verkaufen
Das fällt beim Aufladen von Elektroautos ins Gewicht. Auch Waschmaschinen, Geschirrspüler, Tumbler, Heizungen, Klimaanlagen und Tiefkühlgeräte lassen sich auf diese Weise steuern, sie können verzögert eingeschaltet werden, ohne dass sie deswegen weniger nützlich sind. Bei Kleinverbrauchern wie Haarföhn oder Kaffeemühle, die nur kurz in Betrieb sind, lohnt sich eine Zeitbarriere nicht, bei der Unterhaltungs- und Büroelektronik ist der Stand-by-Verbrauch dagegen ein Thema.
Auf die Bedeutung des Demand-Side-Managements für das künftige Stromsystem hat auch der Bundesrat aufmerksam gemacht. Dies im Hinblick auf die Zeit, wenn die Kernkraftwerke nicht mehr liefern werden. Wenn Strom aus vielen erneuerbaren Quellen von geografisch entfernteren Abnehmern gesucht wird, spielt das smarte Netz eine zentrale Rolle. Wobei als naheliegendste Lösung der Eigenverbrauch der Solarbesitzer, der Austausch auf Quartierebene oder der Verkauf der Energie direkt von privat zu privat infrage kommt.
Das Demand-Side-Management werde in der Schweiz heute noch wenig genutzt, schrieb der Bundesrat in der Antwort auf eine Frage im Parlament. Ursache dafür sei unter anderem mangelndes Wissen über die Vorteile. Bei der Flexibilisierung der Tarife oder der Standardisierung der technischen Infrastruktur fehle es noch an Grundlagen. Wichtigster Grund sei, dass «die heutigen Stromproduktionskapazitäten eine genügend hohe Flexibilität aufweisen» und somit Anreize für DSM fehlten, hiess es. Das war allerdings im Mai 2021.
Die Umstellung auf smarte Zähler als erste Stufe für den Smart Grid ist in vielen Regionen längst im Gang.
Smart Meters und Smart Grid versprechen eine gleichmässigere Belastung des Stromnetzes und eine flexible Preisgestaltung. Ziel ist nicht in erster Linie das Stromsparen. Ein automatisiertes DSM kann aber helfen, Strom zu sparen, ohne dass der Kunde sich darum kümmern muss. Versuche in vielen Schweizer Gemeinden wurden schon erfolgreich durchgeführt, die Umstellung auf smarte Zähler als erste Stufe für den Smart Grid ist in vielen Regionen längst im Gang.
Der smarte Zähler misst nicht nur lokal den Stromverbrauch und liefert den Kundinnen und Kunden, wenn sie das denn wünschen, detaillierte Daten zu ihrem Verbrauch. Der Zähler hat auch eine Verbindung zur Aussenwelt, die Werte können vom Elektrizitätslieferanten abgelesen werden, ohne dass Personal von Haus zu Haus gehen muss. Mit den Verbrauchszahlen, die in einem Takt von bis zu einer Viertelstunde ermittelt werden können, arbeiten die Netzbetreiber bei der Planung. Sie sind interessiert daran, möglichst zeitnah den Zustand des Netzes und die Muster der Belastung zu kennen, um rechtzeitig Massnahmen zu treffen.
Mehr Elektrosmog? Weniger Datenschutz?
Kritiker befürchten jedoch, dass eine neue Quelle von Elektrosmog entsteht, wenn jeder Zähler im Land laufend seine Daten über Funk weitergibt. Auch werden Störungen anderer Kommunikationsdienste diskutiert, was allerdings durch Vorschriften über die Nutzung der entsprechenden Frequenzen verhindert werden soll.
Eine andere Kritik betrifft den Datenschutz: Lassen die Stromverbrauchsdaten Rückschlüsse auf die persönliche Lebensführung zu? Verlieren die Endkunden die Kontrolle über den Energieverbrauch, wenn Geräte automatisch von aussen nach den Bedürfnissen des Netzes gesteuert werden? Eine Verschlüsselung soll die Diskretion sicherstellen. Noch wenig erforscht ist sodann die Frage, wie viel Strom DSM selber benötigt, zum Beispiel für Sensoren, die ständig betriebsbereit sein müssen, oder für den Datenaustausch.
Mit Smart Meters und Ansätzen zu einem Smart Grid experimentieren die Elektrizitätsversorger seit Jahren. Dennoch bemängelt der Bundesrat in seinem Bericht zum Thema, dass das Publikum schlecht informiert sei. Wenig ist über die Akzeptanz der neuen Technik und das Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten bekannt. Bis Ende 2027 sollen in der Schweiz 80 Prozent der alten Zähler durch intelligente ersetzt werden.
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