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Von Kopf bis Fuss: «Skin Picking Disorder»
Wenn die eigene Haut zum Feind wird

Probleme mit der Gesichtshaut können für junge Menschen sehr belastend sein.
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Das Bedürfnis, einen lästigen Pickel auszudrücken, kennt wohl jede und jeder von uns. Vor allem in der Pubertät oder bei hormonellen Veränderungen, wenn Hautunreinheiten spriessen, braucht es viel Selbstbeherrschung, um die Haut nicht zu malträtieren. Im schlechtesten Fall bleiben danach kleine Narben und Hautverdickungen zurück, die sich später nur durch kosmetische Eingriffe verbessern lassen.

Gewisse Menschen sind vom Pickelausdrücken so fasziniert, dass sie es lieben, einem Profi dabei zuzusehen. So hat die Ärztin Sandra Lee, besser bekannt als Dr. Pimple Popper, eine eigene Sendung auf dem amerikanischen TV-Sender TLC, in der die Zuschauer ihren Kampf gegen Hautunreinheiten und -krankheiten mitverfolgen können.

Wer allerdings erwartet, dass sich dieser hauptsächlich auf Pickel bezieht, wird enttäuscht. Oder kann im gegenteiligen Fall frohlocken: Denn Lee ist die Dermatologin für die schweren Fälle. Sie behandelt Hautwucherungen, Geschwüre und gutartige Tumore, von denen ihre Kollegen und Kolleginnen lieber die Finger lassen.

Sogar Scheren kommen zum Einsatz

Natürlich ist es noch nicht krankhaft, wenn man hin und wieder bei einer Unreinheit selber Hand anlegt. «Wenn das Kratzen, Zupfen, Drücken und Quetschen allerdings zu einem inneren Zwang wird, und es die Betroffenen nicht unterlassen können, jede noch so kleine Hautveränderung oder Hautunreinheit entfernen zu wollen, spricht man vom sogenannten Skin Picking Disorder», sagt der Dermatologe Dr. Felix Bertram. «Das Phänomen kennt man bereits länger unter dem Begriff Dermatillomanie. Dieses grenzt sich vom gelegentlichen Ausdrücken eines Pickels durch eine zwanghafte Komponente und eine fehlende Impulskontrolle ab».

Dr. Felix Bertram ist Dermatologe in Aarau.

Dieser Zwang äussert sich auch darin, dass die Betroffenen, vor allem junge Frauen, nicht nur ihre Finger und Fingernägel einsetzen, sondern auch «Werkzeuge» wie Nadeln, Pinzetten oder auch Scheren. «Dies kann dazu führen, dass offene Wunden entstehen, die sich entzünden und vereitern können».

Wie in Trance

Was aber ist der tiefere Grund für das Skin Picking? «Es muss als Ventil für Gefühlsstörungen betrachtet werden. Stress, negative Emotionen, Überforderung oder generell psychische Krisensituationen sind in aller Regel Grundlage oder Auslöser der Problematik», so Bertram. Die genauen Gründe, weshalb fast ausschliesslich Frauen in der späten Jugend oder im jungen Erwachsenenalter betroffen sind, ist nicht genau bekannt. Allerdings wird eine unbekannte Dunkelziffer auch bei jungen Männern vermutet.

Auch wenn häufig die Gesichtshaut betroffen ist, werden auch andere Körperstellen wie der Hals, die Schultern oder die Brust «behandelt». Obwohl viele der Betroffenen sich darüber im Klaren sind, welche negativen oder gar gesundheitsgefährdenden Folgen ihre Handlungen haben können, können sie oft nicht aufhören, bis sie ihre «Zerstörungsarbeit» beendet haben.

Ähnlich wie beim Ritzen, einem anderen selbstverletzenden Verhalten, spüren die Betroffenen keine Schmerzen, da sie beinahe wie in Trance ihrem Drang nachgehen. «Das Bearbeiten der Haut wird kurzfristig als entspannend empfunden, danach aber stellen sich oft Schuldgefühle ein», so Bertram. Mit Make-up wird oft versucht, die Spuren zu überdecken, bis sich der Zwang erneut einstellt.

So reicht denn auch eine rein dermatologische Behandlung in den meisten Fällen nicht aus, um Menschen, die unter Skin Picking leiden, zu behandeln: «Eine kognitive Verhaltenstherapie oder eine psychotherapeutische Intervention sind in der Regel eine wichtige Hilfe», sagt Dr. Bertram. Denn nur so liessen sich mögliche Ursachen für eine mögliche Zwangsstörung ergründen.