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Grösste Wahl der Welt in Indien
Modi: Ein Mann, ein Land

Supporters of India's ruling Bharatiya Janata Party (BJP) cheer during an election rally addressed by Indian Prime Minister Narendra Modi in Meerut, India, Sunday, March 31, 2024. (AP Photo/Altaf Qadri)
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Narendra Modi ist ein Meister darin, simple Botschaften eindrücklich zu übermitteln. So lässt sich das Wahlversprechen seiner regierenden Bharatiya-Janata-Partei (BJP) für weitere fünf Jahre an der Macht mit vier Buchstaben zusammenfassen: Modi. In der Langversion liest sich das so: «Modi ki Guarantee» – «Modis Garantie» steht derzeit überall in Indien auf Plakaten, Flyern und Bildboards zu lesen, auf safranfarbenem Hintergrund mit Modi-Konterfei dazu.

Ab Freitag sind rund 990 Millionen registrierte Wählerinnen und Wähler in Indien dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Bis zum 4. Juni wird die Wahl dauern, die als grösster demokratischer Vorgang der Welt bezeichnet werden kann. Auch wenn die Demokratie in Indien seit der Regentschaft von Modi und seiner BJP zugunsten immer besserer Wahlergebnisse auch demoliert wurde.

Die Wirtschaft boomt, die Infrastruktur wird besser – und die Gesellschaft polarisiert sich immer stärker, wie in so vielen Ländern der Welt. In Indien zeigt sich das im Hindu-Nationalismus – zulasten von Minderheiten und der Rede- und Medienfreiheit. Modi selbst gibt nur noch sehr selten Interviews, kritischen Fragen mag er sich nicht mal mehr im Parlament stellen. (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Sie beten, turnen und schlagen für die Hindu-Nation».)

Modi-Partei dürfte Mehrheit ausbauen

Im Dezember liess die BJP-Regierung 141 Oppositionelle aus dem Parlament werfen, die kritische Fragen zu einer Rauchbombenattacke in dem Gebäude stellten. «Sie werden auch nach den Wahlen 2024 in der Opposition bleiben, allerdings mit weit reduzierter Zahl», prognostizierte Modi da bereits.

India's Prime Minister Narendra Modi speaks after releasing the Bharatiya Janata Party's (BJP) manifesto ahead of country's upcoming general elections, at the party headquarters in New Delhi on April 14, 2024. (Photo by Sajjad HUSSAIN / AFP)

Vor fünf Jahren gewannen die BJP und ihr Bündnis, die Nationale Demokratische Allianz, mehr als 350 Sitze. Gemäss jüngsten Umfragen könnte Modis Bündnis diesmal 399 der 543 Sitze im Unterhaus gewinnen, seine BJP allein 342 davon. Die Mehrheit liegt bei 272 Sitzen. Modis erklärtes Ziel ist es, mehr als 400 Sitze zu gewinnen. Der mittlerweile 73-Jährige könnte den Staat dann nachhaltig und ohne grosse Behinderung durch die Opposition umbauen. In seiner dritten Amtszeit dürfte er sich primär seinem Vermächtnis widmen.

Dazu gehört die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, die Indien seit seiner Machtübernahme im Jahr 2014 auf Rang fünf der weltweit führenden Wirtschaftsnationen gebracht hat – auch wenn sich dabei, wie überall auf der Welt, die Schere zwischen Armen und Reichen weiter geöffnet hat. Laut einer neuen Studie besitzt ein Prozent der Inder mehr als 40 Prozent des Wohlstands im Land. Auch das ein Effekt von zehn Jahren BJP-Regierung.

Opposition macht schwachen Eindruck

Nur kann die Opposition aus diesem Umstand, der immerhin 99 Prozent der Bevölkerung betrifft, kein Kapital schlagen. Gemäss Prognosen könnte die altehrwürdige Kongresspartei von 52 gewonnenen Sitzen im Jahr 2019 auf 38 fallen – ein Rekordtief. Zusammen mit ihren Partnern, die sich hinter ihrem Spitzenkandidaten Rahul Gandhi im sogenannten «I.N.D.I.A.»-Bündnis zusammengetan haben, würde die Partei demnach nur 94 Sitze erreichen.

Die Kongresspartei wurde in den vergangenen Monaten durch eine Steueruntersuchung und eine Sperrung der Parteikonten am Wahlkampf gehindert. Viele ihrer Anführer sind in Korruptionsskandale verwickelt, was in Indien jedoch keine Seltenheit ist und sich nicht auf die Opposition beschränkt. Auch bei der BJP gibt es solche Fälle. Nur schaden sie der Regierungspartei weniger, zumal Premier Modi selbst nie davon betroffen war.

epa11096246 A handout photo made available by India's Press Information Bureau (PIB) shows Indian Prime Minister Narendra Modi attending the inauguration ceremony of the Ram Mandir temple in Ayodhya, Uttar Pradesh, India, 22 January 2024. The Indian prime minister presided over the inauguration of the grand temple dedicated to the Hindu god Lord Ram at a site believed to be his birthplace. The temple replaces a 16th-century mosque that was destroyed by Hindu mobs in 1992. The demolition sparked riots across the country killing around 2,000 people, mostly Muslims. The dispute was resolved in 2019, when India's Supreme Court granted the site to Hindus and ordered a separate plot of land for Muslims, where construction of a new mosque has yet to start.  EPA/INDIA PRESS INFORMATION BUREAU HANDOUT  HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES

Modi gilt als bescheiden und nicht korrumpierbar, auch wenn die beiden reichsten Inder, Gautam Adani und Mukesh Ambani, zu seinen engen Beratern gehören. Adani hat 2023 NDTV gekauft, bis dahin eines der letzten kritischen Medienportale, das anschliessend auf Regierungslinie gebracht wurde. Die Wirtschaft steht hinter Modi und der BJP. Momentan wirkt es so, als würde Modi alles richtig machen und als würden die Wählerinnen und Wähler lieber auf den Sieger setzen. Die Opposition wirkt hilflos.

Also Modi im vergangenen Januar den Tempel von Ayodhya eröffnete – der noch gar nicht richtig fertiggestellt war –, ging es vorrangig darum, ein altes BJP-Wahlversprechen einzulösen. Ein hinduistischer Mob hatte an dieser Stelle 1992 eine Moschee aus dem 16. Jahrhundert niedergerissen. Modi legte sich vor der Eröffnung angeblich tagelang auf dem Boden des hinduistischen Tempels zum Schlafen und trank Kokoswasser.

Wirtschaft ankurbeln und Jobs schaffen

Die Opposition sprach von einer Wahlkampfshow und blieb der Eröffnung demonstrativ fern. Andere Politiker, Geschäftsleute, Sport- und Medienstars aber erschienen in grosser Zahl. Tausende tanzten in safranfarbenen Kleidern auf den Strassen. Die BJP bezichtigte die Opposition, keine wahren Hindus zu sein, und Rahul Gandhi und seine Mitstreiter sahen wie schlechte Verlierer aus.

Über die Person Modi hinaus besteht das BJP-Wahlprogramm vorwiegend daraus, die Wirtschaft weiter anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen. Die indische Bevölkerung, die seit vergangenem Jahr als die grösste der Welt gilt, ist in weiten Teilen immer noch arm. Die Angst vor Arbeitslosigkeit, Inflation, vor Armut und Bildungsmangel ist vor allem in den ländlichen Regionen gross.

Neben der wachsenden Zahl der Superreichen muss in der Breite der wachsenden Bevölkerung Wohlstand geschaffen werden. Die Arbeitslosenquote stieg von 4,9 Prozent im Jahr 2013, kurz bevor Modi an die Macht kam, auf 5,4 Prozent im Jahr 2023. Fast 16 Prozent der Jugendlichen in den Städten in der Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen blieben aufgrund mangelnder Qualifikationen und fehlender hochwertiger Arbeitsplätze erwerbslos.

Wirtschaftsexperten äussern Kritik

«Unser Schwerpunkt wird auf der Schaffung von Arbeitsplätzen durch Investitionen liegen», sagte Modi bei der kürzlichen Veröffentlichung seines Wahlprogramms in der BJP-Parteizentrale in Delhi. Die Regierung wolle sich auf die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Bereichen Infrastruktur, Luftfahrt, Eisenbahn, Elektromobilität, grüne Energie, Halbleiter und Pharmazeutika konzentrieren. «Indiens Jugend wird sich nicht einmal vorstellen können, wie viele Möglichkeiten sich ihr bieten», sagte Modi vor jubelnden BJP-Mitgliedern.

Wirtschaftsexperten der indischen Citigroup kritisierten gemäss einem Reuters-Bericht, die BJP habe in ihrem Wahlprogramm jeden Hinweis auf strukturelle Wirtschaftsreformen wie Änderungen des Arbeits- und Bodenrechts ausgelassen. «Es könnte eine kleine Enttäuschung sein», sagten die Citigroup-Ökonomen Samiran Chakraborty und Babar Zaidi, «dass die grossen strukturellen, aber umstrittenen Reformen» in diesen Bereichen keine Erwähnung fanden. Auch wenn man das Bestreben, Indien zu einer Macht in der globalen Wirtschaft zu machen, klar ablesen könne.