Wahlkampf in IndienMit einem Tempel zelebriert Modi seine Macht
In der Stadt Ayodhya ist ein grosser neuer Hindutempel eröffnet worden. Es war mehr ein politisches als ein religiöses Spektakel – und ein schmerzliches Signal an die muslimische Minderheit.
Bei der Eröffnung des Ayodhya-Tempels Anfang Woche ging es vor allem um Symbole. Indiens Premierminister Narendra Modi hatte sich in den Tagen vor der Eröffnung nur noch auf dem Boden des Ayodhya-Tempels zum Schlafen gelegt und Kokoswasser getrunken. «Es ist mir eine grosse Freude, an diesem göttlichen Programm teilzunehmen», twitterte Modi dann auf dem sozialen Netzwerk X vor Beginn der Zeremonie.
Die Opposition wertete die Tempeleröffnung als Wahlkampfaktion und blieb der Veranstaltung fern. Die Regierungspartei warf der Kongresspartei daraufhin vor, keine wahren Hindus zu sein, und so wurde das Religiöse politisch gedeutet und das Politische religiös, wie häufig in Indien, der grössten Demokratie der Welt, die in den vergangenen Jahren auch durch religiösen Eifer wieder etwas undemokratischer geworden ist. Ob der Tempel jemals einer wirklich friedlichen Nutzung zugeführt werden kann, darf nach seiner Eröffnung am Montag bezweifelt werden.
Modis Partei stellt den Bau als Erweckungsakt dar
Der Tempel in Ayodhya steht am Geburtsort des Hindugottes Rama. Vor allem Modis hindunationalistische Regierungspartei Bharatiya Janata Party (BJP) stellt seinen Bau als Erweckungsakt für die Hindus dar, nach der jahrhundertelangen Unterjochung durch muslimische und koloniale Mächte. Viele Muslime, die in Indien eine Minderheit darstellen, dürften das anders sehen. Denn bis vor 30 Jahren stand an der Stelle noch die Babri-Moschee.
Sie war 1528 auf Befehl des Grossmoguls Babur errichtet worden, angeblich wiederum auf den Grundfesten eines alten Hindutempels. Dort soll Rama der Legende nach vor 900’000 Jahren geboren worden sein. Alles schon etwas her. Auf Basis der Legende aber wurde die Babri-Moschee 1992 von Zehntausenden Hindus mit Unterstützung der Polizei und zumindest Duldung von Politikern zerstört. In den darauffolgenden Unruhen in mehreren indischen Städten starben mehr als 2000 Menschen, hauptsächlich Muslime.
Der Bau des neuen Tempels geht auf ein Wahlversprechen zurück, das die BJP ihren Wählern vor mehr als 35 Jahren gab. Über 140 Millionen US-Dollar soll er gekostet haben, dafür soll er in Zukunft den Pilgertourismus in der 3-Millionen-Stadt Ayodhya sowie der gesamten Region im grössten Bundesstaat Uttar Pradesh beleben. Voraussichtlich wird der Tempel aber immer eine Festung bleiben. Bei der Eröffnung am Montag bewachten mehr als 10’000 Polizisten die rund 8000 geladenen Gäste.
Politiker, Geschäftsleute, Sport- und Medienstars erschienen. Tausende tanzten in safranfarbenen Kleidern auf den Strassen, schwenkten Safranfahnen und skandierten religiöse Sätze. Safran ist die Farbe der Hindus. Modi sprach Hinduverse, bevor er Blütenblätter zu Füssen der schwarzen Steinstatue niederlegte, die den Gott Rama repräsentieren soll. Draussen liess ein Militärhelikopter Blütenblätter auf den Tempel regnen.
Auftakt der Wahlkampagne
Narendra Modi will in diesem Jahr zum dritten Mal Premierminister des bevölkerungsreichsten Landes der Welt werden. Von den 1,4 Milliarden Inderinnen und Indern sind etwa 80 Prozent Hindus. Die Eröffnung des Tempels kam ihm zum Auftakt seiner Wahlkampagne sehr gelegen, weswegen die BJP auch an dem Termin festhielt, obwohl immer noch gebaut wird.
Die Fernsehsender sendeten am Montag in Dauerschleife, die «Hindustan Times» begleitete die Eröffnung mit einem Liveticker und berichtete unter anderem, dass «die Sonne Ramas Stirn jeden Tag um zwölf Uhr mittags für sechs Minuten beleuchten wird». Al-Jazeera wiederum, das sich vorwiegend an eine muslimische Zielgruppe wendet, schrieb: «Für viele der 200 Millionen Muslime in Indien sind der staatlich gesponserte Pomp und die Zeremonie rund um die Einweihung des Tempels die jüngste in einer Reihe von schmerzlichen Erkenntnissen, dass sich die Demokratie, die sie ihr Zuhause nennen, nicht mehr um sie zu kümmern scheint.»
Von Dienstag an wird der Ayodhya-Tempel für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Etwa 100’000 Besucher werden pro Tag erwartet.
Fehler gefunden?Jetzt melden.