Weisse-Arena-CEO im Interview«Laax hat weder ein Matterhorn noch ein Jungfraujoch»
Die Weisse Arena im Bündnerland mischt die Wintersportbranche immer wieder mit Innovationen auf. Ihr Chef Markus Wolf erklärt die Notwendigkeit, der Konkurrenz stets eine Skilänge voraus zu sein.
Herr Wolf, die Wintersaison steht vor der Tür – worauf freuen Sie sich?
Ich bin seit dreieinhalb Jahren bei der Weisse Arena Gruppe und habe noch keinen normalen Winter erlebt. Erst hielt uns Covid auf Trab, im vergangenen Winter gab es so wenig Schnee wie noch nie. Ich freue mich auf einen normalen Winter mit Schnee und unbeschwertem Sport.
Und was bereitet Ihnen Sorgen?
Da wären wir wieder beim Schnee. Immerhin hat es bereits geschneit, und auch die Produktion von technischem Schnee läuft. Aber wie es in der Hochsaison aussieht, wissen wir noch nicht. Wenig euphorisch stimmen derzeit das Konsumverhalten und der Eurokurs.
Sorgt technisch produzierter Schnee für Entspannung?
Für die Schneeproduktion brauchen wir im November und Dezember entsprechende Verhältnisse mit passender Lufttemperatur und Feuchtigkeit. Das Gros unseres Skigebietes liegt zwischen 1800 und 2500 Meter über Meer. Eigentlich eine ideale Höhe, aber gerade im letzten, schneearmen Winter gab es auch hier praktisch keinen natürlichen Schnee. Und wir können hier nur die Hauptpisten, nicht aber das ganze Gebiet flächendeckend beschneien. In der Vergangenheit war das nicht nötig.
Wird die Weisse Arena nachbessern?
Wir werden in Beschneiung in höheren Lagen investieren. Dafür muss zuerst die Wasserversorgung optimiert werden. Dazu sind noch einige bewilligungstechnische Hürden zu überspringen. Hilfreich ist sicher, dass das Thema Wassermanagement am Berg an Bedeutung gewinnen wird.
Erklären Sie.
In Zukunft werden wir wohl weniger Niederschlagsperioden haben, dafür heftigeren Regen. So wird es von zentraler Bedeutung, Wasser in höheren Lagen speichern zu können und verschiedenen Nutzungen zuzuführen, ich denke neben der Beschneiung an Stromproduktion oder an die Rückgabe an die Natur in Trockenperioden.
Ist Wintersport ohne technische Beschneiung überhaupt noch denkbar?
In Europa wohl kaum. Es geht aber nicht nur um die in gewissen Höhenlagen schwindende Naturschneemenge, sondern auch um erhöhte Anforderungen an die Unterlage. Das heutige Material verlangt erstklassige, kompakte Pisten. Technischer Schnee ist dem Naturschnee qualitativ klar überlegen.
Aber Umweltschützer sehen technisch produzierten Schnee weiterhin kritisch.
Wir verwenden für die Schneeproduktion keine chemischen Zusätze, nur Wasser und Strom. Wir wollen den gesamten Strombedarf aus eigener, nachhaltiger Produktion decken, um unabhängig zu werden. Und Wasser geht ja nicht verloren, sondern versickert mit der Schneeschmelze im Boden. Es bleibt also, abgesehen vom Prozentsatz, der verdunstet, im Kreislauf.
«Ein Befreiungsschlag wäre die Realisierung einer grossen PV-Anlage auf dem Berg.»
Besteht die Gefahr, dass Sie zu viel technischen Schnee produzieren?
Das Schneemanagement hat eine enorme Bedeutung, aus ökologischer und aus ökonomischer Sicht. Praktisch alle grossen Bahnbetreiber setzen heute bei der Pistenpräparierung GPS-basierte Systeme wie Snowsat ein. Die Systeme messen, wie dick die Schneedecke unter der Maschine ist. Die Fahrer der Pistenfahrzeuge können so eine gleichmässige Schneedecke präparieren, sodass man weniger technisch produzierten Schnee benötigt. Wir können mit den digitalen Hilfsmitteln bis zu 20 Prozent Schnee sparen.
Hat Wintersport in den Bergen angesichts des Klimawandels eine Zukunft?
Die Frage ist zu pauschal, und wir dürfen sie nicht nur aus ökologischer Sicht beantworten. Auch wenn das Sommergeschäft an Bedeutung gewinnt, so bleibt der Wintertourismus die treibende Kraft in vielen alpinen Gebieten. Was wären Flims und Laax oder andere Bergdestinationen ohne Wintersport? Wer würde hier noch wohnen und arbeiten? Ich bin davon überzeugt, dass der Wintersport in den Höhenlagen, in welchen wir in unserer Destination Ski fahren, sicher auf 20 bis 30 Jahre und wohl auch darüber hinaus eine Zukunft haben wird.
Kann die Weisse Arena grüner werden?
Mit unserer Greenstyle-Initiative setzen wir schon seit vielen Jahren ökologische Massnahmen um. Wir installieren Solaranlagen auf Dächern, haben viele Gebäude energietechnisch saniert und vieles mehr. Natürlich gibt es noch Verbesserungspotenzial wie beispielsweise bei der Umrüstung der Pistenfahrzeuge von fossilen auf erneuerbare Treibstoffe. Ein Befreiungsschlag wäre die Realisierung einer grossen PV-Anlage auf dem Berg. Falls sie umgesetzt werden kann, wird sie ziemlich genau den heutigen Jahresbedarf an Strom decken.
Freestyle, Digitalisierung: Warum ist die Weisse Arena Vorreiterin in vielen Bereichen im Tourismus?
Das liegt am Innovationsgeist der Gründer: Reto Gurtner und bereits vorher sein Vater Walter haben sehr viel angestossen und bahnbrechende Ideen umgesetzt. Wir dürfen nicht vergessen: Laax hat weder ein Matterhorn noch ein Jungfraujoch. Die Destination musste immer nach Alleinstellungsmerkmalen suchen.
Und jetzt sind Sie auch bei den Bergbahnen der Konkurrenz einen Schritt voraus?
Wir eröffnen Mitte Dezember in Flims die zwei ersten Sektionen des FlemXpress – eine Weltneuheit, die wir mit dem Bahnbauer Bartholet entwickelten. In einem Jahr sind dann auch die restlichen drei Sektionen offen.
Wie funktioniert diese Gondelbahn der Zukunft?
Der Gast entscheidet sich an einer Wahlsäule für eines der fünf Ziele. Es wird oberhalb einer Tür, wie wir sie von Liften in Hochhäusern kennen, angezeigt, und er kann bequem in die stehende Gondel einsteigen. Die Zehnergondel bringt die Passagiere an den gewünschten Ort, ohne Zwischenstopp. Die Gondel fährt also nur nach Bedarf und hängt nicht in der Dauerschlaufe.
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Was erhoffen Sie sich vom «Ropetaxi»?
Wir rechnen mit der Hälfte der Energiekosten im Vergleich zu einer konventionellen Bahn und mit erheblichen Einsparungen bei der Wartung. Auch bezüglich Personaleinsatz betreten wir neue Dimensionen: Statt zehn oder zwölf Mitarbeitenden braucht es nur einen Operator, der alle fünf Sektionen überwacht. Und die neue Bahn erfüllt alle Inclusionsvorgaben, ist rollstuhlgängig.
Weshalb investieren die Weisse Arena und die Gemeinde Flims total 85 Millionen Franken in das Projekt?
Der FlemXpress ist eine Ganzjahresbahn. Sie bringt uns auf die Landkarte im Ausflugstourismus, denn sie erschliesst bequem das Unesco-Weltnaturerbe Tektonik Arena Sardona. Wir werden attraktiv für Schulausflüge und Reisegruppen, aber selbstverständlich auch für Individualgäste.
Wie viel Innovation erträgt die Gastronomie am Berg?
Es wird in nächster Zeit viel Innovationsgeist in der Gastronomie brauchen. Es war eine meiner ersten Amtshandlungen, vier grosse Selbstbedienungsrestaurants durch digital geprägte Konzepte zu ersetzen. Schliesslich ist Laax auch dank der eigenen App ein Vorreiter in der Digitalisierung. Das Konzept, bei dem die Gäste Essen und Trinken am Bildschirm oder über die App ordern, spart Personal und bringt den Gästen sehr viel mehr Komfort und mehr gemeinsame Zeit in der Mittagspause.
Über eine Franchise rüsten wir nun eins der Restaurants im Tal ganz auf Cordon bleu um: Der Gast zapft sich dort das Getränk selber und ordert digital ein Cordon bleu, auch in vegetarischer Variante. Das Lokal soll uns helfen, herauszufinden, wie man Gastronomie trotz Fachkräftemangel erfolgreich betreiben kann.
Weshalb lohnt es sich, fünf Freestyle-Parks und die grösste Halfpipe der Welt zu betreiben?
Für unsere Positionierung als cooles Freestyle-Resort mit Weltruf ist das unabdingbar. Wir müssen eine Top-Infrastruktur bereitstellen, die gleichermassen Anfänger und die Weltbesten anzieht. Wir kennen keine Kompromisse, die Schneekanonen für den Bau der Parks und die alpinen Pisten beginnen gleichzeitig zu laufen.
Unter anderem dank der konsequenten Freestyle-Positionierung ist unsere Kundschaft deutlich jünger als anderswo. Der Anteil der 14- bis 19-Jährigen liegt bei 24 Prozent, in andern grossen Gebieten bei 14 Prozent. Und bei uns sind 29 Prozent der Wintersportler Snowboarder, anderswo 12 Prozent.
Im Rahmen des Schneespass-Specials wurde dieser Artikel aktualisiert. Er erschien erstmals am 17.11.2023.
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