Hudelwetter an WeihnachtenStarke Windböen fegen über die Schweiz
Auf dem Jungfraujoch und dem Säntis wurden Orkanböen von über 120 km/h gemessen. Der Wind, der Regen und die milden Temperaturen sind auf ein spezielles Wetterphänomen zurückzuführen.
Garstiges Wetter kurz vor Heiligabend mit Wind und ergiebigen Niederschlägen: Am frühen Freitagmorgen fegten starke Windböen über die Schweiz. Am stärksten windete es auf dem Jungfraujoch BE mit 131 Kilometern pro Stunde (km/h).
Orkanböen von 121 km/h gab es auch auf dem Säntis AR. Im Flachland zeigte die Basler Wetterstation St. Chrischona mit 83 km/h die höchste Windgeschwindigkeit an, wie der Wetterdienst Meteonews am Freitag mitteilte.
Der Wind führte zur Einstellung des Seilbahnbetriebs zwischen Grindelwald Terminal und dem Männlichen sowie der Männlichenbahn zwischen Wengen und dem Männlichen, wie der Bahninformationsdienst Railinfo via Twitter und die SBB auf ihrer Internetseite meldeten. Die Dauer der Einschränkung sei unbestimmt, hiess es. Ebenso vermeldeten die SBB, dass die S-Bahn zwischen Appenzell und Wasserauen wegen starker Winde bis am Freitagabend ausfalle.
Für das Schweizer Flachland galt laut dem Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie eine mässige Windgefahr, sprich Windspitzen in den tiefen und mittleren Lagen von 70 bis 90 km/h und ab über 1600 Höhenmetern von 100 bis 130 km/h .
Der starke Regen und die Schneeschmelze führen laut Bundesamt für Umwelt (Bafu) zu einer mässigen Hochwassergefahr.
Für einige Regionen gilt Lawinengefahr
Bereits am Donnerstag hatten Lawinenforscher für Freitag vor der zweithöchsten Lawinengefahrenstufe in Teilen der Schweiz gewarnt. Sie gilt für die Regionen am nördlichen Alpenkamm vom Chablais bis zum Grimselpass sowie für das Unterwallis.
Für diese Region gilt die Gefahrenstufe 4 (gross), wie dem neusten Lawinenbulletin des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF vom Donnerstag hervorging. Sonst gilt verbreitet eine erhebliche Lawinengefahr (Stufe 3), in Graubünden und im Süden oft eine mässige (Stufe 2).
Meteorologen erwarten für die kommenden Tage weiterhin «Hudelwetter». Zum einen sind ergiebige Niederschläge vorhergesagt, zum andern stürmische Westwinde. Die Schneefallgrenze soll in der Nacht auf Freitag von 1600 Meter auf 2000 bis 2300 Meter steigen.
Weihnachtstauwetter: Wie aus dem Lehrbuch
Nachdem der Dezember in der ersten Hälfte winterlich kalt war, kommt es über die Festtage zu einer meteorologischen Zäsur. Die eiskalte Polarluft, die im Schweizer Mittelland während knapp zweier Wochen für Schnee und Kälte gesorgt hat, fällt einem Phänomen zum Opfer, das in unseren Breitengraden unter der Bezeichnung Weihnachtstauwetter bekannt ist.
Beim Weihnachtstauwetter handelt es sich um eine meteorologische Singularität. Das heisst, es ist eine Wetterlage, die jeweils zwischen dem 24. und dem 29. Dezember mit hoher Wahrscheinlichkeit auftritt. Vom Ablauf her erfolgt der Wechsel in diesem Jahr lehrbuchmässig. Nach einer eher hochdruckbestimmten Phase in der ersten Dezemberhälfte erstarkt die Westwindzirkulation pünktlich auf die Festtage.
Das bedeutet: Tiefdruckgebiete greifen mit ihren Fronten vom Atlantik her auf Europa über und verdrängen die winterlich kalten Luftmassen bis weit nach Russland und an den Polarkreis.
Temperatur: Mild, aber keine Rekorde
Besonders stark macht sich die Wetterumstellung heuer in der Phase zwischen dem 23. und dem 25. Dezember bemerkbar. In einer turbulenten West- bis Südwestströmung werden extrem milde und feuchte Luftmassen zum Alpenraum geführt. Selbst in Höhenlagen oberhalb von 2000 Meter wird die Temperatur deutlich in den Plusbereich ansteigen. Im Flachland sind Höchstwerte von 10 bis 15 Grad zu erwarten. In den Föhntälern könnte es sogar noch ein paar Grad wärmer werden.
Das ist zwar sehr mild für die Jahreszeit, von Rekorden sind wir aber weit entfernt. Zum Vergleich: Im Dezember 1989 stiegen die Temperaturen in den Föhntälern der Alpennordseite verbreitet auf Werte über 20 Grad an. Gemäss Daten von Meteo Schweiz war die Luftmasse damals noch milder als jetzt. In einer Höhe von knapp 1500 Meter wurden 16 Grad gemessen – ein Rekord, der bis heute gilt.
Die wärmste jemals aufgezeichnete Temperatur an einem 24. Dezember wurde in Zürich-Fluntern (556 m) im Jahr 1977 erreicht: Damals stiegt das Thermometer auf 14,1 Grad. Im tiefer gelegenen Basel-Binningen (316 m) stieg das Thermometer am 24. Dezember 2013 sogar auf 17,1 Grad. Diese Werte werden in der nun anstehenden Mildphase mit hoher Sicherheit nicht geknackt werden.
Wind: Eher Stürmchen statt Sturm
Zum Thema wird über die Festtage auch der Wind. Zwischen Donnerstagabend und Samstagmorgen ziehen, eingebettet in die westliche Höhenströmung, mehrmals Tiefdruckgebiete mit Starkwindfeldern über Mitteleuropa.
Allerdings dürften die Auswirkungen im Flachland eher bescheiden sein. Den Sturmtiefs fehlt vor allem die Unterstützung durch Höhenkaltluft. Diese sorgt normalerweise dafür, dass die heftigen Winde aus der Höhe bis zum Boden heruntergemischt werden können. Das wird diesmal nicht passieren. «Wir erwarten Maximalböen um 70 km/h im Flachland», sagt Ludwig Zgraggen, Meteorologe bei Meteo Schweiz. Nennenswerte Schäden treten bei solchen Windspitzen in der Regel nicht auf. In den höheren Berglagen muss jedoch mit Sturmböen von deutlich über 100 km/h gerechnet werden.
Regen: Vollwaschgang bis in grosse Höhen
Über die Weihnachtstage wird gebietsweise sehr viel Niederschlag fallen. Aber nicht in Form von Schnee. Die Temperaturen sind so hoch, dass es bis in grosse Höhen regnen wird. «Die Schneefallgrenze steigt phasenweise auf 2500 Meter», sagt Ludwig Zgraggen.
Die erwarteten Niederschlagssummen sind durchaus beachtlich. Meteo Schweiz rechnet bis am Samstag am Jura und entlang der Voralpen gebietsweise mit 50 bis 100 mm Regen. Im Mittelland dürften zwischen 20 und 50 mm zusammenkommen. In den höheren Gipfellagen (oberhalb 2500 Meter) gibt es am Freitag und Samstag ordentlich Neuschnee (50 bis 70 cm).
Ausblick: Kommt der Winter zurück?
Und wie geht es nach der extrem milden Phase über die Festtage weiter? Am 26./27. Dezember deutet sich ein neuerlicher Vorstoss von sehr milden atlantischen Luftmassen an. In der Altjahreswoche dürften die Temperaturen dann leicht zurückgehen. Ein neuerlicher Vorstoss von kalten Luftmassen aus der Polarregion ist in den Wettermodellen nicht ersichtlich.
Zum Jahresende hin steigen naturgemäss die Unsicherheiten. In den Wettermodellen ist dann so ziemlich alles zu haben: von der milden Föhnlage bis hin zum Wintereinbruch. Eine verlässliche Prognose sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, betont Ludwig Zgraggen.
Mit Material der SDA ergänzt
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