Weltwirtschaftsforum in DavosAm WEF schaut wieder jeder für sich – die Weltpolitik gerät in den Hintergrund
Die grossen Säle bleiben dieses Jahr in Davos leer, wenn es um den Klimawandel oder die Gefahren durch KI geht. Das Interesse ist hingegen dort gross, wo das eigene Portemonnaie im Zentrum steht.
- Die Rede von UNO-Generalsekretär Guterres fand beim WEF in Davos wenig Beachtung.
- Viele kümmern sich in Davos um die eigenen wirtschaftlichen Interessen.
- Das hat stark mit Donald Trumps Wirtschaftspolitik zu tun.
Stellen Sie sich vor, der Chef der grössten Staatenorganisation der Welt spricht – und keiner geht hin. Genau das ist am WEF in Davos António Guterres passiert, dem UNO-Generalsekretär. Als er am Mittwoch die Bühne im riesigen Konferenzsaal betritt, sind nur die ersten paar Reihen der weissen Stühle besetzt – überall sonst herrscht gähnende Leere. Das sagt etwas über den Zustand und die Bedeutung der UNO – vor allem aber sagt es viel über das WEF und die Prioritäten der Gäste.
In den letzten Jahren hatte sich das WEF von einem Forum für Wirtschaft zu einem für Weltpolitik entwickelt. Natürlich gab es Deals hinter den Kulissen, die bilateralen Treffen, das Networking. Aber am meisten Aufmerksamkeit bekamen die grossen Auftritte, bei denen mantraartig die Bedeutung von Kooperation hervorgehoben wurde: bei denen es um Menschenrechte ging, um Diversität, um den Klimawandel und um die Chancen des technischen Fortschritts. Und zwar vor vollen Rängen. Natürlich waren die Eigeninteressen der Staaten und der Unternehmen nie weg, aber sie traten in den Hintergrund.
Jetzt ist der Egoismus zurück auf der grossen Bühne. Und niemand schämt sich dafür. Selbst EU-Chefin Ursula von der Leyen betont in ihrer Rede am Dienstag, dass «Tabus und Blockdenken» vorbei seien. Solange die EU ihren Platz unter den Mächtigen sichern kann, macht sie neu Geschäfte mit allen. Es zählen nur noch die nackten Wirtschaftsinteressen. Es zählt das Geld.
Investieren wird einfacher – und steht jetzt im Fokus
Das hat viel mit US-Präsident Donald Trump zu tun. Er wird seinen virtuellen Auftritt am WEF erst am Donnerstagabend haben. Doch die erste Frage an den WEF-Veranstaltungen ist meist nicht, wie es mit dem Klimawandel oder dem Umsetzen von Nachhaltigkeitszielen weitergehen soll. Sondern sie ist ganz trivial: Ist Donald Trump gut oder schlecht fürs Geschäft? Die Vertreter von Banken und Ölkonzernen hoffen darauf, dass es besser wird – weil Trump die entscheidenden Leute in der amerikanischen Regierung auswechselt.
Die meisten WEF-Gäste sind da, um Geschäfte zu machen. Sie treffen sich im Kongresszentrum und halten reihenweise Meetings ab. Sie machen Small Talk in der Wandelhalle des Kongresszentrums und in den Lobbys der Davoser Hotels. Dort ist es voll, dort drängen sich die Leute Schulter an Schulter, dort hofft jeder, nebenbei noch das eine oder andere Geschäft einzufädeln.
So spricht etwa ein Vertreter einer osteuropäischen Wirtschaftsagentur im Café des Kongresszentrums mit einer Investorin aus den USA. Sie verhandeln darüber, wie hoch der Steuerrabatt sein muss, damit sie investiert. «Wenn Sie jetzt einsteigen, dann wird sich Ihr Geld verdreifachen. Da können Sie sicher sein», so der Mann. Zum Handshake kommt es nicht sofort. Aber sollte dereinst ein Vertrag zustande kommen, werden sie sich daran zurückerinnern, dass sie ihn in Davos aufgegleist haben. Womit sich auch die Eintrittsgebühr für das WEF gelohnt haben wird.
Larry Fink fasst die Stimmung an einem Anlass der Nachrichtenagentur Bloomberg in einem Satz zusammen: «Trump schafft die Bürokratie ab – und so wird es einfacher, Kapital zu investieren.» Dabei bringt der Chef des weltgrössten Vermögensverwalters Blackrock ein Hype-Thema mit Trump in Verbindung: künstliche Intelligenz. Fink glaubt, Trump werde dafür sorgen, dass die KI einen Sprung nach vorne macht. Weil er dafür ein offenes Ohr habe. Laut Fink sind in dem Sektor gigantische Investitionen notwendig – und irgendwer muss diese Investitionen managen.
Trump hat am Dienstag auch ein KI-Projekt mit dem Namen Stargate angekündigt. Mehrere Unternehmen, darunter die KI-Firma Open AI, wollen zuerst 100 Milliarden Dollar in die Technologie investieren. In den kommenden vier Jahren solle die Summe auf bis zu 500 Milliarden Dollar anwachsen, so der amerikanische Präsident.
Auch dieses Vorhaben regt die Fantasie der Firmenchefs an.
Verstehen die Leader die Gefahren? Guterres ist sich nicht sicher
UNO-Chef Guterres spricht hingegen über den Klimawandel, die Wichtigkeit der Regulierung von künstlicher Intelligenz – und über den Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas. Dass die UNO bei der Lösung von Konflikten weltweit nur noch eine kleine Rolle spielt, zeigte sich erst jüngst wieder am Deal für den Waffenstillstand im Nahen Osten. Die Amerikaner waren dort federführend, ebenso grosse Regionalmächte aus dem Nahen Osten.
Guterres sagt: «Wir sehen uns mit existenziellen Gefahren konfrontiert – und ich bin nicht davon überzeugt, dass die Leader dieser Welt das verstehen.» Letztes Jahr sei das heisseste in der Geschichte der Menschheit gewesen. Und obwohl die künstliche Intelligenz riesige Fortschritte gemacht habe, gebe es kaum Schritte in Richtung einer Regulierung.
All das zählt Guterres auf, nur eben: Es hört ihm fast niemand zu.
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