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Interview mit dem WEF-Chef
«Wir nehmen die Schilderungen über unser Arbeitsklima sehr ernst»

Børge Brende spricht an einer Veranstaltung des WEF in Tianjin, China, im Juni 2023.
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In Kürze:
  • Das Weltwirtschaftsforum erwartet hochrangige US-Vertreter trotz Trumps Inaugurationstag.
  • Brende zeigt sich optimistisch für Trumps mögliche Teilnahme am WEF.
  • Ein Sonderausschuss prüft Vorwürfe gegen das WEF wegen Diskriminierung.

Herr Brende, stimmt es, dass aus den USA weder Präsident Trump noch seine Minister und auch keine Abgeordneten nach Davos kommen werden?

Konkrete Namen nennen wir erst an der Pressekonferenz vom Dienstag. Aber ich kann Ihnen versichern, dass in Davos viele öffentliche Personen aus den USA anwesend sein werden, auch Vertreter der neuen Trump-Regierung. Dies zusätzlich zu fast 60 Staats- und Regierungschefs, darunter alle Regierungschefs und zahlreiche Minister aus dem Westbalkan sowie wichtige Staats- und Regierungschefs aus dem Nahen Osten. Dazu kommen 250 Kabinettsminister mit Schlüsselressorts und mehr als 900 Firmenchefs und Vorstandsvorsitzende der grössten Unternehmen der Welt.

Unglücklich ist, dass exakt am Eröffnungstag in den USA die Inaugurationsfeier von Donald Trump stattfindet.

Man kann es auch anders sehen: Durch die Amtseinsetzung steigt das Interesse für Davos, vor allem, weil wir ein sehr US-relevantes Programm haben. Wir rechnen damit, dass die Präsenz der USA im Laufe der Woche zunehmen wird.

Besteht die Möglichkeit, dass Trump nach der Inaugurationsfeier anreisen wird?

Trump ist der einzige US-Präsident, der in seiner Amtszeit zweimal nach Davos gekommen ist. Ich weiss, dass er unbedingt wieder nach Davos kommen will. Wir werden sehen, wie sich das in den nächsten Tagen entwickeln wird.

Und wer von seinen Ministern kommt ans WEF?

Die Diskussionen laufen noch. Erst vor ein paar Tagen war ich in Washington, wo ich zwecks Vorbereitung unseres Jahrestreffens mit mehreren von Trumps Leuten gesprochen habe, und gerade erst am Donnerstagnachmittag hatte ich ein Gespräch mit einem hochrangigen Führungsmitarbeiter von Donald Trump über die Davos-Woche. Die neuen Minister müssen vom US-Senat bestätigt werden, bevor sie ihr Amt ausüben und etwa auch Reisen antreten können. Das passiert frühestens am Nachmittag des 20. Januar – aber ich bin immer noch optimistisch, da Davos ein so wichtiger Treffpunkt ist.

Was ist mit Elon Musk? Davos sei langweilig, meinte er vor zwei Jahren. Haben Sie ihn dieses Jahr eingeladen?

Vielleicht wird ihm Trump von seiner tollen Davos-Erfahrung erzählen, denn Trump hat mir einmal gesagt, dass das Jahrestreffen eine der besten Reisen in seiner Präsidentschaft gewesen sei. Wenn er das nächste Mal kommt, bringt er vielleicht Elon Musk mit.

Sie hoffen also, dass Musk seine Meinung ändert – einmal mehr.

Ich möchte es so sagen: Wenn Präsident Trump erneut nach Davos kommt, dann ist auch Elon Musk herzlich willkommen, ihn zu begleiten.

Wird Chinas Staatspräsident Xi Jinping anreisen?

Aus China erwarten wir hochrangige Vertreter. Eine angemessene Vertretung Chinas ist wichtig, denn mit 18 Prozent Anteil an der Weltwirtschaft macht China zusammen mit den USA fast die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung aus.

Bei der WEF-Organisation ist Gründer Klaus Schwab jetzt nicht mehr Executive President, sondern Präsident des Stiftungsrats. Sind Sie damit offiziell sein Nachfolger?

Es stimmt, dass wir im Herbst die Verantwortlichkeiten geklärt haben. Zum besseren Verständnis: Wir sind jetzt mehr wie ein Schweizer Unternehmen organisiert, zum Beispiel wie die UBS. Wir haben einen Vorstand unter meinem Vorsitz als Präsident und CEO mit voller Exekutivverantwortung. Daneben haben wir einen Aufsichtsrat, der nicht geschäftsführend ist und als «Board of Trustees» bezeichnet wird und dessen Vorsitz Klaus Schwab innehat.

Wie zu hören ist, suchen Sie seit einigen Monaten verstärkt den Kontakt zu wichtigen Persönlichkeiten aus der internationalen Politik und Wirtschaft, was früher Klaus Schwab getan hat. Sie treten also in seine Fussstapfen.

Das ist im Grunde nicht neu. Klaus und ich arbeiten schon lange sehr gut zusammen. Das Forum steht mit vielen Ländern in gutem Kontakt. Dabei war manchmal Klaus Schwab der wichtigste Gesprächspartner, manchmal ich. Wir haben beide sehr viele Staatsoberhäupter, Regierungen und CEOs getroffen in den letzten Jahren. Es ist jedoch richtig, dass ich mit der neuen Rolle als CEO seit Herbst zusätzliche Verantwortung übernommen habe. Nicht nur bei der internationalen Kontaktpflege, sondern auch intern.

Gegen das WEF und Klaus Schwab läuft in den USA ein Gerichtsverfahren wegen Diskriminierung. Hat es Auswirkungen auf das bevorstehende Treffen in Davos?

Zum konkreten Fall des laufenden Gerichtsverfahrens kann ich mich nicht äussern. Doch: Wir nehmen die Schilderungen über unser Arbeitsklima sehr ernst. Gleichzeitig haben wir nicht das Gefühl, dass das Bild, das im Artikel des «Wall Street Journal» vom Forum gezeichnet wurde, der Realität entspricht. Wir sind eine sehr moderne und erfolgreiche Organisation mit mehr als 90 Nationalitäten und über 1000 Mitarbeitern. Dennoch gibt es natürlich auch in unserer Organisation Bereiche, in denen Verbesserungen möglich sind.

Wie meinen Sie das?

Jede Organisation kann sich verbessern, auch wir. Deshalb haben wir im Herbst viel daran gearbeitet, unsere Abläufe weiter zu professionalisieren. Darüber hinaus haben wir aufgrund der Diskriminierungsvorwürfe unter der Leitung unseres Aufsichtsratsmitglieds und Axa-CEO Thomas Buberl einen unabhängigen Sonderausschuss eingerichtet, der die Vorwürfe überprüft.

Wer führt diese Untersuchung durch?

Neben Thomas Buberl umfasst der Sonderausschuss zwei weitere Forumsaufsichtsräte, die mit zwei renommierten internationalen Anwaltskanzleien zusammenarbeiten. Dieser Ausschuss wird unter anderem Gespräche mit aktuellen und ehemaligen Angestellten führen und daraus abgeleitet Empfehlungen erarbeiten, die wir selbstverständlich befolgen werden. Wir haben bereits begonnen, erste Änderungen vorzunehmen. Wie gesagt: Das Bild, das das «Wall Street Journal» im letzten Sommer gezeichnet hat, entspricht nicht unserer Firmenkultur. Da wir offen sind und eine Vorbildinstitution sein wollen, haben wir beschlossen, diese Überprüfung durch ein unabhängiges Komitee durchzuführen.

Wie kann diese Untersuchung unabhängig sein, wenn dem Gremium drei WEF-Stiftungsräte angehören?

Unsere 28 Aufsichtsräte sind nicht in unser Tagesgeschäft involviert. Es ist ihre Aufgabe, das Management, also die Geschäftsleitung und mich, zu überprüfen. Da die drei Stiftungsräte mit zwei komplett unabhängigen, externen Anwaltskanzleien zusammenarbeiten, und weder Klaus Schwab noch ich diesem Ausschuss angehören, handelt es sich um eine völlig unabhängige Untersuchung. Das ist meiner Meinung nach ein normales und zeitgemässes Verfahren.

Welche Änderungen haben Sie konkret vorgenommen?

Wir haben unter anderem ein neues Führungsmodell eingeführt, inklusive der Durchführung von 360-Grad-Beurteilungen und Coaching unserer Führungskräfte. Gleichzeitig haben wir unseren Verhaltenskodex gestärkt, insbesondere im Bereich des angemessenen Verhaltens am Arbeitsplatz, und wir haben das Wohlbefinden, einschliesslich Stressbewältigung und Unterstützung bei psychischen Problemen, zum Thema gemacht.

Auch wenn Donald Trump dieses Mal nicht kommen sollte, so wird er doch präsent sein. Zwar nicht physisch, aber in fast allen Gesprächen und in Podiumsdiskussionen – vor allem wegen der Zölle, die er einführen will. Wird er diese Pläne schnell umsetzen?

Wir werden sehen, welche Art von Präsenz wir von Präsident Trump in Davos haben werden. Wenn es um seine Politik geht, kennen wir ihn als «Trump 1.0». Jetzt aber haben wir es mit «Trump 2.0» zu tun.

Was erwarten Sie von «Trump 2.0»?

Bereits während «Trump 1.0» gab es grosse Diskussionen um mögliche Handelskriege. Trump führte dann auch tatsächlich Zölle ein, trotzdem wuchsen der Welthandel und die Investitionen. Ich erwarte, dass es in den kommenden Monaten zu einer Situation kommen wird, in der die Länder ihre nationalen Interessen stärker verfolgen werden – auch über die Einführung von Zöllen. Ich denke jedoch, dass wir damit umgehen können, solange wir vermeiden, dass dies zu einer Entkopplung unserer Volkswirtschaften führt. Eine solche könnte 8 bis 9 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung kosten – also eine beträchtliche Menge Wohlstand.

Was erwarten Sie innenpolitisch von Trump?

Er wird in den ersten Monaten ernsthafte Initiativen gegen die illegale Einwanderung ergreifen. Ausserdem wird er die Inflation bekämpfen wollen, was aber komplexer werden dürfte – zumal die beiden Themen eng miteinander verknüpft sind.

Børge Brende, President speaking in the Stepping up for the future at the Young Global Leaders Annual Summit 2022 in Geneva, Switzerland, 2 September, Copyright: World Economic Forum/Pascal Bitz

Wie?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Im Bausektor arbeiten viele illegale Einwanderer. Sie machen fast 2 Millionen der 7 Millionen Arbeitskräfte im Bausektor aus. Wenn sie ausgeschafft werden, stellen Sie sich nur vor, was das für die Preise bedeuten würde. Dieser Zielkonflikt zeigt sich bereits an den Diskussionen in der Republikanischen Partei. Auch Elon Musk will die Visa für Entwickler und hoch qualifizierte Leute beibehalten.

Was bedeuten diese Veränderungen in der Weltwirtschaft für die Schweiz?

Die Schweizer Wirtschaft ist sehr robust. Mit ihrer starken Pharma- und Finanzindustrie ist sie sehr wettbewerbsfähig, ebenso im Bereich Hightech. Ausserdem ist die Schweiz attraktiv für ausländische Investitionen. Trotzdem wird sie die Verlangsamung des Wachstums in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern Europas spüren, denn die Schweiz lebt nicht in einem Vakuum. Für die Weltwirtschaft sind die Prognosen relativ gut. Mit einem erwarteten globalen Wachstum von 3 Prozent dürfte es in vielen Bereichen aufwärtsgehen. Doch die Situation ist fragil. Kriege können dieses Wachstumspotenzial zerstören – auch dasjenige der Schweiz. Wir müssen eine Eskalation im Nahen Osten, am Horn von Afrika und im Sudan unbedingt vermeiden. Es steht viel auf dem Spiel.

Wann ist das Jahrestreffen Ihrer Meinung nach ein Erfolg?

Wenn es uns gelingt, mehr Vertrauen zwischen den Ländern aufzubauen. Dadurch können wir Kriege und Konflikte entschärfen. Auch wenn es gelingt, in Zusammenarbeit von Regierungen und privaten Firmen Warenlieferungen zu beschliessen, kann dies zu Linderungen beitragen. Ein weiteres Ziel ist, dass sich Regierungen und Firmen darauf einigen, die Abholzung zu stoppen sowie gemeinsam Korruption und Cyberkriminalität zu bekämpfen. Auch beim Plastik möchte ich vorwärtskommen. Wenn wir weitermachen wie bisher, wird es im Jahr 2040 mehr Plastik in unseren Ozeanen geben als Fisch. Ich erhoffe mir Fortschritte bei diesen Themen – oder dass wir wenigstens die Grenzen des Möglichen ausloten.