Streit um erneuerbare EnergieNorwegen lockert Gewässerschutz für Wasserkraftwerke – Naturschützer sind ausser sich
Das norwegische Parlament hat dafür gestimmt, geschützte Flüsse für Wasserkraftwerke zu öffnen. Umweltschützer sprechen von einem «Angriff auf die norwegische Natur».

- Norwegen will den Gewässerschutz zugunsten erneuerbarer Energie aufweichen.
- Der Gesetzesentwurf erlaubt Kraftwerke in geschützten Wasserstrassen ab einem Megawatt.
- Umweltschützer kritisieren fehlende öffentliche Konsultationen und Umweltprüfungen.
- Energiepolitische Debatten in Norwegen entfachen oft hitzige Diskussionen über erneuerbare Energie.
Norwegen ist bekannt für spektakuläre Fjorde und unberührte Natur. Das skandinavische Land hat fast 400 Wasserstrassen mit Plänen geschützt, die verhindern sollen, dass sie durch grosse Kraftwerke aufgestaut werden. Doch das norwegische Parlament hat nun einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der den Gewässerschutz zugunsten erneuerbarer Energie aufweichen soll.
Der Gesetzentwurf erlaubt den Bau von Kraftwerken mit mehr als einem Megawatt in geschützten Flüssen, sofern der gesellschaftliche Nutzen «signifikant» und die Umweltauswirkungen «akzeptabel» sind. Der Entwurf wurde am Donnerstag als Teil von Massnahmen zur Verbesserung des Hochwasser- und Erdrutschschutzes verabschiedet.
«Angriff auf die norwegische Natur»
Umweltschützer kritisieren, die Regierung habe den Vorschlag ohne angemessene öffentliche Konsultationen oder Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgepeitscht. «Wir werden für jeden einzelnen geschützten Wasserlauf, für jeden Fluss, jeden Wasserfall und jeden See kämpfen», sagte Truls Gulowsen, Vorsitzender der Norwegischen Gesellschaft für Naturschutz. Und die grüne Parlamentsabgeordnete Une Bastholm bezeichnete den Vorschlag vergangene Woche als «einen historischen Angriff auf die norwegische Natur».
Unterstützer des Vorschlags behaupten jedoch, die Kritiker hätten die Gefahren für die Natur aufgebauscht. Die Kriterien für die Genehmigung blieben unverändert und Unternehmen, die Staudämme für Wasserkraftwerke bauen wollten, müssten sich nach wie vor strengen Prüfungen unterziehen, bevor sie eine Baubewilligung erhielten.
Teil des Hochwasserschutzes
Der Vorschlag wurde am Donnerstag von der Konservativen Partei, der Fortschrittspartei, der Arbeiterpartei und der Zentrumspartei angenommen. Die Christdemokraten zogen ihre Unterstützung zurück und begründeten dies mit Unsicherheiten hinsichtlich des Wortlauts.
Fornybar Norge, die norwegische Lobbygruppe für erneuerbare Energien, erklärte letzte Woche in einer Stellungnahme, sie unterstütze den Vorschlag, den Flussschutz zu lockern. «Dies kommt unter anderem Hochwasserschutzprojekten zugute», teilt Fornybar Norge mit. Es sei aber auch gut, dass die Entscheidung keine Freikarte für den Bau neuer Anlagen in geschützten Gewässern darstelle.
Dank seiner Wasserkraftwerke gehört das norwegische Stromnetz zu den saubersten der Welt. Darüber hinaus ist das Land ein Nettoexporteur von Strom.
Reizthema erneuerbare Energie
Beim Thema erneuerbare Energie kommt es in der norwegischen Politik immer wieder zu hitzigen Debatten. Ende Januar ist es in der Regierung zu einem Streit über die Annahme des jüngsten EU-Pakets für saubere Energie gekommen.
Norwegens Konflikte um erneuerbare Energie drehten sich bisher aber hauptsächlich um Windkraftanlagen. Jahrelang kämpften Rentierzüchter der indigenen Sami gegen Windkraftanlagen, die Teile des Weidelands ihrer Rentiere zerstören. Sie wurden im Streit mit dem norwegischen Staat und den Betreibern von Klimaaktivisten auf der ganzen Welt unterstützt, darunter auch von der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg.
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