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Mängel im Lötschberg
«Die Betriebssicherheit des Tunnels ist wohl nicht gewährleistet»

Vollgelaufen: Diese Kaverne sollte einen Wasser- und Schlammeintritt in den Tunnel verhindern – das Sanierungskonzept stösst bei Tunnelbauern auf Kritik.
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Wasser und Schlamm drangen am Donnerstag in den Lötschberg-Basistunnel und füllten die Trasse bis zu den Schienen. Zwei Tage musste das Tor ins Wallis komplett gesperrt werden, erst gestern Samstag konnte der Tunnel wieder einspurig befahren werden. Für den Tourismuskanton Wallis, der in den kommenden Weihnachtstagen besonders viele Reisende erwartet, eine grosse Erleichterung. 

Die Bilder aus der Tunnelröhre ähnelten denen vom Frühling 2020. Damals fuhr ein Schnellzug mit über 180 Kilometern pro Stunde durch den Tunnel in Richtung Wallis. Kurz vor dem Südportal im Wallis fuhr der Zug durch Wasser und Sand. Nur mit viel Glück blieben alle Wagen auf den Schienen. Nur mit Glück geschah kein Unfall. 

Die BLS und die Aufsicht beim Bund reagierten schnell und präsentierten ein 15 Millionen Franken teures Sanierungsprojekt und bauten eine Kaverne. Die sollte verhindern, dass wieder Wasser und Sand in den Tunnel dringen. «Mit der Sanierung hat die BLS in kurzer Zeit eine gute Lösung erarbeitet und die Gefahr erneuter Sandeintritte deutlich reduziert», schrieb die BLS damals. Im Februar 2021 war das Bauwerk fertiggestellt. Doch genützt hat es offensichtlich wenig. In der Nacht auf Donnerstag reichten Wasser und Schlamm wieder bis zu den Schienen.

Auch in Zukunft wird Wasser in den Tunnel dringen

Doch wie konnte das nach der aufwendigen Sanierung von 2021 geschehen? Laut BLS hat das System funktioniert «und sicherlich Schlimmeres verhindert», sagt BLS-Sprecher Stefan Locher. Durch ein installiertes Überwachungssystem habe man früh festgestellt, dass Wasser in den Tunnel eingetreten sei. Man sei sich nach der Kavernenlösung von 2021 bewusst gewesen, dass die geologische Situation weiterhin Risiken berge. «Eines dieser Risiken ist nun eingetreten: Das Wasser-Sand-Gemisch hat neue Wege im Karstsystem gefunden und konnte in den Fahrbahnbereich eindringen», sagt Locher.

Der Tunnelbauingenieur Heinz Ehrbar hat sich schon 2020 mit den Wassereinbrüchen beim Lötschberg-Basistunnel befasst. Als früherem Leiter des Rohbaus am Gotthard-Basistunnel sind ihm die Anforderungen an die Tunnelsysteme bekannt. Bereits damals hat er sich kritisch zum gewählten Konzept geäussert.

Laut Ehrbar ist die Ursache für die heutige schwierige Situation beim Bau des Tunnels zu suchen. Die wasserführende Stelle sei damals nicht abgedichtet worden. Stattdessen habe man sich entschieden, eine Wasserleitung in den Tunnel zu führen und das Wasser von dort aus im Tunnel ans Südportal zu leiten. «Dieses System hat seit Anfang 2020 mehrfach versagt», sagt Ehrbar. Dadurch, dass man nun das Bergwasser aus dem Absetzbecken in der Kaverne ohne Notüberlauf für allfällig grössere Wassermengen zurück in den Tunnel leite, habe den Baufehler nicht korrigiert, sondern zementiert. «Es wird deshalb auch in Zukunft zu Wassereintritten im Tunnel kommen», sagt Ehrbar.

In der Nacht auf Donnerstag drangen Wasser und Schlamm in den Lötschbergtunnel, die abgepumpt werden mussten.

Ehrbar betont, dass der Auftrag des Bundes klar war, nämlich einen Tunnel zu bauen, welcher  für die vereinbarte Lebensdauer von 100 Jahren «ohne erhebliche Betriebseinschränkungen und ohne wesentlichen baulichen Unterhalt» betrieben werden könne. Diesen Zustand gelte es wiederherzustellen, wenn man für die restliche Lebensdauer des Tunnels Ruhe haben wolle.  Denn sonst komme es früher oder später wieder zu einem ähnlichen Vorfall. «Das ist nur eine Frage der Zeit», so Ehrbar. 

Der Ingenieur, der bis zu seiner Pensionierung nebenamtlicher ETH-Dozent für Baubetrieb im Tunnelbau war, kann nicht nachvollziehen, dass sich die Betreiber nach so vielen Ereignissen wieder mit den Launen der Natur herauszureden versuchen. «Der Tunnel ist so robust zu bauen, dass er diese beherrschen kann», sagt Ehrbar. Bei keinem der jetzt aufgetretenen Ereignisse, die zu Betriebsunterbrüchen führten, handle es sich um echte Grossereignisse, sondern absolut bekannte und im Tunnelbau durchaus übliche Gefährdungen, so Ehrbar. Wenn die modernen Alpendurchstiche nicht resistent gegen eine intensive Schneeschmelze seien, sei «die geforderte Betriebssicherheit des Tunnels wohl nicht ausreichend gewährleistet», hält Ehrbar fest.

Die Mängel zu beheben, wird schwierig, denn beim betroffenen Gebiet über dem Tunnel handelt es sich um ein «wasserführendes Karstsystem». Weil überdies in den vergangenen Jahren viel Material daraus ausgetragen wurde, habe die Durchlässigkeit des Systems zugenommen – und damit auch die Menge des Wassers, die im Tunnel landet, so Ehrbar. Bei einer erneuten Sanierung müsse darum beachtet werden, dass mit erheblich grösseren Wassermengen gerechnet werden müsse als noch beim Bau des Tunnels. 

Fragt sich, wie man den Schaden beheben kann. Eine Abdichtung der wasserführenden Stelle sei heute kaum mehr machbar, sagt Ehrbar. Somit bleibe nur die Lösung, das Wasser auf geeignete Weise langfristig schadlos aus dem Tunnel zu leiten. Als Alternative hat Ehrbar darum schon vor drei Jahren vorgeschlagen, einen Entwässerungsstollen mit hoher Kapazität oberhalb der Tunnelröhren zu bohren und damit das Wasser zum bestehenden Tunnelfenster in Steg zu führen, um das Wasser von den Fahrröhren fernzuhalten. Diese Variante sei von der BLS aber als nicht machbar und zu teuer bewertet worden, so Ehrbar. Um weitere Betriebsunterbrüche zu vermeiden, müssen die Tunnelbetreiber über die Bücher.