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Überblick zum Terror in Wien
Handelte der Täter allein?

Unübersichtliche Lage nach dem Anschlag: Ein Polizist kontrolliert einen Autofahrer in der Wiener Innenstadt.
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In der österreichischen Hauptstadt Wien ist es zu einem Terrorangriff gekommen. Vier Zivilisten und ein mutmasslicher Attentäter wurden getötet. Laut den Behörden ist die Gefahr nicht gebannt, denn vieles ist noch unklar. Wir beantworten die wichtigsten Fragen:

Was ist passiert?

In der Wiener Innenstadt sind gegen 20 Uhr am Montagabend an verschiedenen Tatorten Schüsse gefallen: zuerst in der Seitenstettengasse, in unmittelbarer Nähe einer Synagoge. Kurz danach gab es Vorfälle an weiteren fünf Standorten, alle in der Nähe: am Morzinplatz, dem Salzgries, dem Fleischmarkt, dem Bauernmarkt und dem Graben.

Augenzeugen berichteten von mindestens einem Mann, der Täter wahllos um sich schoss. Ein 28-jähriger Polizist wollte einschreiten und wurde schwer verletzt, ist aber mittlerweile ausser Lebensgefahr. Mehr als zwanzig weitere Personen wurden verletzt, teilweise lebensbedrohlich. Für drei Passanten kam jede Hilfe zu spät, sie starben noch an den Tatorten. Eine weitere Frau erlag im Spital ihren Verletzungen. Bei den vier zivilen Opfern handelt es sich um einen älteren Mann und eine ältere Frau, einen jungen Passanten und eine Kellnerin.

Das sogenannten «Bermudadreieck» nahe dem Schwedenplatz ist ein äusserst beliebtes Ausgehviertel. Laut dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig waren gestern, an einem «lauen Herbstabend», viele Menschen unterwegs und sassen in Aussenbereichen von Restaurants. Denn es war der letzte Abend, bevor in Österreich wegen der Coronavirus-Pandemie ein Lockdown mit nächtlichen Ausgangssperren verhängt wurde.

War es ein islamistischer Terroranschlag?

Alles deutet darauf hin. Die Polizei erschoss einen mutmasslichen Attentäter um etwa 20.09 Uhr. Er war mit eine Kalaschnikow, einer Pistole und einer Machete bewaffnet. Zudem trug er einen Sprengstoffgürtel, bei dem es sich allerdings um eine Attrappe handelte. 

Bei der anschliessenden Durchsuchung seiner Wohnung stellten die Behörden 20’000 Videos sicher, die zeigen, dass der Attentäter ein Sympathisant der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gewesen ist. Österreichs Regierung geht zweifellos von einem islamistisch motivierten Terroranschlag aus. Dieser sei sehr gut vorbereitet gewesen, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz: «Es war ein Anschlag aus Hass, aus Hass auf unsere Grundwerte, aus Hass auf unser Lebensmodell, aus Hass auf unsere Demokratie.»

Wer war der erschossene Attentäter?

Die Behörden haben bestätigt, dass es sich beim Erschossenen um den 20-jährigen Kujtim F. handelt, der in Mödling bei Wien geboren wurde. Er besass neben der österreichischen auch die nordmazedonische Staatsbürgerschaft. Laut der Wochenzeitung «Falter» radikalisierte er sich während der Pubertät, als er regelmässig eine dem Verfassungsschutz bekannte Moschee im Wiener Bezirk Josefstadt besuchte. Trotz seiner Vorgeschichte habe ihm die Polizei aber offenbar keinen Anschlag zugetraut.

Kujtim F. war wegen Mitgliedschaft in einer terroristischer Vereinigung einschlägig vorbestraft. Er hatte versucht, sich dem IS anzuschliessen. Nach Informationen der Zeitung «Der Standard» hatte er es sogar bereits in ein «Safehouse» des IS an der Grenze zu Syrien geschafft, bevor er von der türkischen Polizei verhaftet wurde. Im April 2019 verurteilte ihn ein Gericht in Österreich zu 22 Monaten Haft. Nach gut 7 Monaten wurde er aber vorzeitig bedingt entlassen, weil er als junger Erwachsener galt und damit unter die Privilegien des österreichischen Jugendgerichtsgesetzes fiel.

Verschiedenen Medienberichten zufolge hatte Kujtim F. vor der Tat auf Instagram mehrere Fotos gepostet, auf denen er unter anderem einen Treueschwur gegenüber dem IS-Chef leistete. Ausserdem posierte er mit Waffen, die mit jenen des Terroristen in Wien übereinstimmen. Inzwischen ist der Instagram-Account des Verdächtigen gesperrt.

Handelte der Täter allein?

Das ist noch nicht sicher. Die Polizei geht von Komplizen aus, maximal vier sollen es gewesen sein. Die entsprechenden Ermittlungen laufen auf Hochtouren. «Wir können derzeit nicht ausschliessen, dass es noch andere Täter gibt», erklärte Innenminister Karl Nehammer. Bei 18 Hausdurchsuchungen «im Umfeld des Täters» in Wien und dem Bundesland Niederösterreich sind aber 14 Personen festgenommen worden, die derzeit verhört werden.

1000 Beamte sind in Wien noch im Einsatz, inklusive Spezialeinheiten, Kriminalpolizei und Verfassungsschutz. Alle Menschen werden deswegen aufgefordert, zu Hause zu bleiben und öffentliche Plätze zu meiden. Wer nicht aus beruflichen oder anderen wichtigen Gründen Haus oder Wohnung verlassen müsse, solle das auch nicht tun, sagte Nehammer. Die Lage ist weiterhin unübersichtlich.

Welches Ziel hatte die Attacke?

Auch das ist noch nicht ganz klar. Trotz der Verbindung zur Terrormiliz IS ist das konkrete Motiv für die Tat ebenso wenig bekannt wie ein Bekennerschreiben oder -video. Wollte der Schütze Panik im gut besuchten Ausgehviertel verbreiten, oder hatte er sich die Synagoge als Ziel ausgesucht? Dort fielen die ersten Schüsse.

Gemäss den Behörden kann angesichts des Tatorts ein antisemitischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden. Vorsichtshalber hat die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) alle Synagogen in Österreich zugemacht und die Sicherheitsvorkehrungen landesweit verstärkt. In Wien wurden auch koschere Restaurants, Supermärkte und Schulen geschlossen. Gemeindemitglieder wurden dazu aufgefordert, zu Hause zu bleiben.