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Anschlag in Wien
Eine Nacht des Terrors und der Panik

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Es sind die letzten Stunden vor dem Inkrafttreten der Corona-Ausgangsbeschränkungen in Wien, die Strassen und Aussenbereiche der Restaurants sind aufgrund der ungewöhnlich warmen Temperaturen voll, als sich die Nachrichten plötzlich überschlagen. Von einem Anschlag auf die Synagoge in der Innenstadt berichten mehrere Medien gegen 20 Uhr, dann wieder von einer Schiesserei in der Nähe, im sogenannten Bermuda-Dreieck, einer bekannten Ausgehmeile. In den sozialen Netzwerken werden Videos von blutenden Menschen geteilt, von Schüssen auf dem Wiener Schwedenplatz und von panisch davonlaufenden Passanten.

Die Lage bleibt den ganzen Abend über unklar.

Am frühen Dienstagmorgen verkündet dann Österreichs Innenminister Karl Nehammer: Es gab mindestens einen Angreifer mit islamistischem Motiv, dieser Mann, der laut Nehammer mit dem «Islamischen Staat» sympathisierte, ist tot. Erschossen um 20.09 Uhr von Polizeikräften. Der Täter habe einen Sprengstoffgürtel gehabt, der sich als Attrappe herausgestellt habe, und ein Sturmgewehr. Er habe offenbar Panik verbreiten wollen. Man können nicht ausschliessen, dass es weitere Täter gegeben habe. Mindestens vier Zivilisten haben ihr Leben verloren, zwei Männer und zwei Frauen. Mehr als ein Dutzend weitere Menschen sind verletzt, darunter ein Polizist.

Attentäter schoss «wahllos auf Personen»

In den Stunden nach den ersten Notrufen am Montagabend sind Hunderte Einsatzkräfte in Wien unterwegs. «Wir tun das Beste, um der Situation Herr zu werden. Es kann noch mehrere Stunden dauern», heisst es aus dem Innenministerium. Das öffentliche Leben steht still, die gesamte Innenstadt wird abgeriegelt. Busse und Bahnen fahren keine Haltestellen in der Innenstadt mehr an. Die Wiener Bevölkerung ist aufgefordert, auf keinen Fall vor die Tür zu gehen oder sonst Zuflucht in Gebäuden zu suchen.

Schwer bewaffnete Spezialkräfte der österreichischen Polizei kontrollieren in den Abendstunden die Wiener Innenstadt.

Bürgermeister Michael Ludwig erklärt, bei dem Angriff sei «wahllos auf Personen in den Lokalen» geschossen worden – vor allem auf jene, die draussen sassen. Auch Ludovico U. ist an diesem Abend unterwegs in Wiens Erstem Bezirk, er will gerade einparken, als er einen Knall hört. «Zuerst dachte ich, ich wäre auf das Auto hinter mir aufgefahren», erzählt der 17-Jährige. Beim zweiten Knall schaut er aus dem Rückfenster, sieht eine Frau und einen Mann, die beiden rennen, ihr Verfolger hat ein Gewehr. Die Schnelligkeit, mit der die Schüsse aus der Waffe feuern, ist dem jungen Mann im Gedächtnis geblieben. «Ich habe dann sofort ins Gaspedal getreten und bin weggefahren», sagt Ludovico. Als er der Gefahr entronnen ist, ruft er die Polizei.

Im Wiener Burgtheater dürfen die Besucherinnen und Besucher nach dem Ende der letzten Vorstellung vor dem Lockdown nicht nach Hause gehen. Direktor Martin Kušej wendet sich von der Bühne aus an das Publikum: Niemand dürfe das Theater verlassen, polizeiliche Anordnung. Noch während der Aufführung waren die ersten Schreckensmeldungen auf den Handys im Zuschauerraum aufgeploppt, das Ensemble spielte dennoch zu Ende. Im Theater habe ja keine Gefahr bestanden, erklärt Kušej im ORF.

Seinen Anfang nahm der Anschlag in der Seitenstettengasse, in der der jüdische Stadttempel seinen Standort hat.

Stundenlang läuft der Polizeieinsatz, in ganz Wien sind immer wieder Sirenen und kreisende Helikopter zu hören. Die Berufsrettung richtet einen Triage-Platz ein, wo Verletzte nach der Schwere ihrer Blessuren und Dringlichkeit eingeordnet werden können.

Ein ORF-Reporter berichtet am späten Abend von einem Hotel, das nun Menschen für die Nacht einbuche – kostenlos. Andere Unterkünfte hätten Passanten aus ihren Lobbys zurück auf die Strasse geschickt.

Die Hintergründe bleiben den Abend über unklar. Seinen Anfang nahm der Anschlag gegen 20 Uhr in der Wiener Seitenstettengasse, der Gasse, in der der jüdische Stadttempel seinen Standort hat. Die Israelitische Kultusgemeinde kann allerdings nicht bestätigen, dass es einen Angriff auf die Synagoge gegeben hat. Sie sei zu dem Zeitpunkt geschlossen gewesen, ebenso wie das Lokal daneben, sagt der oberste Vertreter der Juden in Österreich, Oskar Deutsch, in einer ersten Stellungnahme im österreichischen Fernsehen.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz verurteilt die Vorkommnisse in der Wiener Innenstadt als «widerwärtigen Terroranschlag». Bundespräsident Alexander Van der Bellen sichert den Opfern seinen Beistand zu. «Wir alle sind tief betroffen», schreibt das Staatsoberhaupt auf Twitter.