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Was wir lesen
Patrik Svensson: «Die Chronistin der Meere»

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In meiner Wahrnehmung gibt es zwei Arten von Menschen: Bergmenschen und Meermenschen. Beide suchen etwas, was ihnen im Alltag fehlt. Die Bergmenschen werden auf den Gipfeln ruhig. Bei den Meermenschen verlangsamt sich der Puls hingegen beim Anblick des Wassers. Das Meer fährt einen maximal runter, und zugleich verspricht es einen Neuanfang. Wer in See sticht, dem geht es weniger darum, wo er herkommt, als darum, dass er wegkommt.

Der Schwede Patrik Svensson ist wohl ein Meermensch. Vor vier Jahren schrieb er «Das Evangelium der Aale», eines der berührendsten Bücher, die ich je gelesen habe. Diesen Sommer erschien «Die Chronistin der Meere» auf Deutsch – ein Buch, in dem Svensson leichtfüssig zwei grosse Fragen miteinander verknüpft: Warum waren Menschen schon immer fasziniert vom Meer? Und wie kommt es, dass trotzdem achtzig Prozent der Weltmeere unerforscht sind?

Svensson hat ein gutes Auge für übersehene Protagonisten. Anstatt über den berühmten Paläontologen Hugh Miller zu schreiben, berichtet Svensson vom bitterarmen Bäcker Robert Dick, der sein Leben dem Sammeln von Fossilien – im Dienste Millers – verschrieb. Nicht Herman Melville («Moby-Dick») widmet Svensson ein Kapitel, sondern Francis Allyn Olmsted, der ein Tagebuch über seine Zeit auf einem Walfangschiff führte und 1844 im Alter von 25 Jahren starb. Und im Essay über die Umrundung der Erde erzählt Svensson die Geschichte von Enrique, Ferdinand Magellans persönlichem Sklaven.

«Die Chronistin der Meere» liest sich an manchen Stellen ein wenig wie Jungsbuch-Prosa. Aber gleichzeitig weiss Svensson, dass es nicht nur Neugier, sondern eher Machthunger war, der Menschen auf die Weltmeere trieb. Er schreibt: «Je mehr der Mensch versuchte, die Welt zu erobern und sich selbst von der Ordnung der Evolution zu befreien, desto mehr erschien er wie ein Defekt, wie eine Störung. Man sieht, was der Mensch alles verursacht hat, und fragt sich: Gehören wir hier überhaupt hin?»