Was wir lesenLiv Strömquist: «Im Spiegelsaal»
Spieglein, Spieglein an der Wand: Die Comic-Künstlerin geht dem Phänomen der Schönheit nach.
Haben Sie sich schon einmal gefragt, wieso knapp 400 Millionen Menschen Kylie Jenner auf Instagram folgen? Oder wieso man auf einmal eine Mode schön findet, die man vor einem Jahr noch für schrecklich hielt? Ich schon. Und wie auf so viele Fragen, die mich beschäftigen, habe ich auch darauf Antworten bei der schwedischen Comic-Künstlerin Liv Strömquist gefunden.
In ihrem Buch «Im Spiegelsaal» geht sie in fünf Comic-Essays dem Phänomen der Schönheit nach und behandelt da nicht nur Fragen wie die obigen, sondern denkt auch über den Zusammenhang von Schönheit und Geliebtwerden nach, über den Einfluss fremder Blicke auf das eigene Schönheitsempfinden und über die Vergänglichkeit des Schönen. Und wie in allen Werken Strömquists ist es auch in diesem Buch die Mischung aus ernsthafter Thematik, satirischem Humor, genialer Zeichnung und kluger Philosophie, die mich begeistert, unterhält und auch zum Nachdenken bringt.
Zum Beispiel habe ich mir nie ganz genau überlegt, wieso ich es hasse, fotografiert zu werden. Strömquist aber zeigt am Beispiel von Kaiserin Sisi, wieso man sich vor einem Bild von sich selbst fürchten kann; findet man es schön, muss man konstant daran arbeiten, diese Schönheit aufrechtzuerhalten; findet man es nicht schön, muss man konstant daran arbeiten, die Schönheit zu erreichen – oder alle Bilder sofort vernichten, was auch anstrengend ist.
Nebst der Kaiserin Sisi dienen Strömquist unter anderem auch Kim Kardashian, die biblische Lea, Schneewittchens Stiefmutter (wieso im Märchen immer die Stiefmutter die Böse ist, wird auch erklärt!), Marilyn Monroe oder George Eliot als Beispiele für ihre Fragestellungen. Mühelos streift sie durch Geschichte und Popkultur – und kombiniert für ihre Antworten ebenso mühelos soziologische Theorien von René Girards mimetischem Begehren über Hartmut Rosas Resonanz bis hin zu Susan Sontags Gedanken über Fotografie. Dabei sind ihre gezeichneten Erläuterungen immer so zugänglich, dass man sie leicht nachvollziehen kann – nur ab und zu wird man vielleicht vom eigenen Lachen unterbrochen.
Wer auch lachen und nachdenken will, kann noch bis zum 3. September im Museum Strauhof in Zürich eine Ausstellung zum Werk der feministischen Künstlerin besuchen. Oder sich einfach «Im Spiegelsaal» kaufen.
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