Ghost FestivalWas haben die Bands jetzt von der Million?
Beim Solidaritätsevent Ghost Festival sind über eine Million Franken für Schweizer Musikschaffende zusammengekommen. Die Verantwortlichen erklären, wie es weitergeht.
War das zu verkopft? Inhaltslos? Oder eben genau richtig? Das Konzept des Ghost Festival war auf jeden Fall mutig: Musikfans sollten Tickets für einen Event kaufen, bei dem nichts passieren würde, wo es nichts zu sehen und hören gab. Doch die Idee ging auf: 34’500 Menschen haben letztlich die Solidaritätsaktion unterstützt.
Am Montag konnten die Verantwortlichen hinter dem Festival eine erste Bilanz ziehen und vermelden: 1,2 Millionen Franken wurden allein über den Ticketverkauf eingenommen – der Verkauf von Merchandise läuft noch bis am 14. März. Doch was passiert jetzt genau mit dem ganzen Geld? Und wie profitieren die Künstlerinnen und Künstler davon? Gisela Feuz, Medienkoordinatorin des Festivals, beantwortet die offenen Fragen.
Hatten Sie beim Start ein finanzielles Ziel vor Augen?
Nein, wir hatten ja keine Ahnung, wie die Idee ankommen würde. Sie ist ja durchaus etwas verrückt und nicht ganz einfach zu vermitteln. Schon am Ende der ersten Woche waren wir dann überwältigt von den Ticketverkäufen.
Wie ist die Idee überhaupt entstanden?
Vorbild waren die Geisterspiele im Fussball beziehungsweise wie die Fans darauf reagiert haben. Viele haben sich gesagt: Wir unterstützen den Verein trotzdem, auch wenn wir nicht ins Stadion können. Den Gedanken haben wir übersetzt auf Konzerte. Und noch weitergetrieben: Die Geisterkonzerte haben ja dann nicht einmal stattgefunden.
Haben Sie je am Konzept gezweifelt?
Nein. Uns war klar, dass wir es konsequent und genau so durchziehen müssen. Es ist wichtig, zu sehen: Die Musikschaffenden machen ja nicht nichts. Es ist nicht so, dass sie auf der faulen Haut liegen und wir ihnen Geld dafür geben. Sie schreiben und veröffentlichen neue Songs, die wir zu Hause hören, jetzt mehr denn je – im Lockdown, im Homeoffice. Wir sehen das Ganze auch als Warnsignal: Wenn wir nicht zu den Künstlerinnen und Künstlern schauen, bleiben die Bühnen irgendwann leer und die Musik verstummt.
War es mal Thema, das Festival über Livestream stattfinden zu lassen?
Nein. Wir sind überzeugt, dass man Musik gemeinsam erleben und physisch spüren können muss. Ein Konzert ist ein kollektives Erlebnis und das Live-Moment absolut zentral. Alles andere ist kein Ersatz dafür. Zudem hätten wir mit Livestream-Konzerten nur ein paar wenige Bands in den Vordergrund gerückt. Wir hatten aber 297 Bands auf dem Line-up, die alle gleich wichtig und wertvoll sind.
«Die Bands konnten bei der Anmeldung selbst bestimmen, wer Geld erhalten soll.»
Wie wurde eigentlich beschlossen, welche Bands dabei sind?
Es gab keine ökonomischen Kriterien. Insgesamt haben drei Leute so breit als möglich Bands aus allen Sprachregionen der Schweiz angefragt. Uns ist bewusst, dass ein paar Namen nicht dabei sind, die auf dem Plakat hätten stehen müssen, und auch die Sparten sind etwas ungleich verteilt. Wir haben das Ghost Festival in kürzester Zeit aus dem Boden gestampft und gemacht, was uns möglich war. Normalerweise hätte man für ein Festival dieser Grösse mindestens ein Jahr Zeit. Wir hatten ein paar wenige Wochen und erledigten alles neben unseren regulären Jobs.
Wie wird jetzt verteilt?
Fürs Verständnis: Es sind nicht die Acts, die als Gruppen bezahlt werden, sondern die einzelnen involvierten Personen. Die Bands konnten bei der Anmeldung selbst bestimmen, wer Geld erhalten soll. Einige haben ganz verzichtet und gaben dafür ihren Tontechniker oder ihre Bookerin an. Zum Teil verzichten einzelne Mitglieder in der Band, während andere sich etwas auszahlen lassen. Es gibt ganz unterschiedliche Konstrukte.
Wie viele Personen erhalten denn jetzt wie viel Geld, ganz konkret?
Insgesamt haben wir 1299 angemeldete Personen. Wir teilen die ganze Summe auf diese Personen auf, sodass alle exakt den gleichen Betrag erhalten.
«Die Solidarität mit den Musikschaffenden hat viele Menschen tiefer ins Portemonnaie greifen lassen.»
Das gibt rund 1000 Franken im Schnitt, das ist nicht viel.
Es geht ja nicht allein ums Geld. Wir wollen den Musikschaffenden zeigen, dass sie nicht vergessen werden. Dieses Signal ist mindestens ebenso wichtig. Und: 1000 Franken sind nicht nichts, davon lässt sich beispielsweise eine Monatsmiete bezahlen. Man darf nicht vergessen: In dieser Branche leben viele von der Hand in den Mund, zudem kann kaum jemand alleine von der Musik leben. Auch die grossen Namen nicht.
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Wie gestaltet sich die konkrete Schlussabrechnung?
Die Einnahmen aus den Ticketverkäufen und Unterstützungsbeiträge gehen vollumfänglich an die Acts. Von den Merchandising- und CD-Verkäufen geht nach Abzug der Produktionskosten ebenfalls alles an die Musikschaffenden. Unsere Löhne beziehen wir von den Beiträgen der Sponsoren, was davon übrig bleibt, wandert ebenfalls in den Gesamttopf. Da der Kauf von Merch und Unterstützungsbeiträge noch möglich sind, werden wir Anfang April die Abrechnung präsentieren können.
Wie reagierten die Künstlerinnen und Künstler auf die 1,2 Millionen?
Schon während der ganzen Aktion kamen sehr viele positive Rückmeldungen, wobei nicht der finanzielle Aspekt im Fokus stand, sondern vor allem die Solidarität.
Können Sie sagen, wer vor allem Tickets gekauft hat?
Das lässt sich nicht im Detail eruieren. Was wir aber sagen können, ist, dass mehrheitlich VIP- und Zweitagespässe gekauft wurden. Die Solidarität mit den Musikschaffenden hat viele Menschen tiefer ins Portemonnaie greifen lassen.
Die Corona-Krise ist noch nicht ausgestanden, in der Livebranche erst recht nicht. Gibt es Pläne für weitere Ausgaben?
Im Moment sind wir alle einfach mal sehr glücklich darüber, wie es gelaufen ist, und versuchen die Augenringe wieder in gesellschaftstauglichen Zustand zu bringen. Dann schauen wir weiter.
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