Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Rückenmythen im Faktencheck
Warum wir ruhig auch mal krumm auf dem Stuhl sitzen können

Schadet nicht: Zwischendurch kann man ruhig einmal lümmeln statt sitzen.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Seit Jahren wird uns eingetrichtert, aufrecht auf unseren Stühlen zu sitzen und schwere Lasten mit geradem Rücken zu heben. Derartige ergonomische Grundsätze werden in Ausbildungen gelehrt und sogar von Organisationen wie der Suva verbreitet. Doch ein beträchtlicher Teil davon ist überholt, wie neuere Forschungsergebnisse zeigen.

«Was der Körper vor allem braucht, ist Abwechslung», sagt Fabian Pfeiffer, Physiotherapeut und Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. «Es gibt kein Schwarz und Weiss.» Zwischendurch könne man gut auch mal wie eine Banane im Stuhl lümmeln, ohne dem Rücken zu schaden. Der sei nämlich stabiler als gemeinhin angenommen, erklärt Pfeiffer, der auch auf diesem Gebiet forscht. «Der Rücken wird stets als ein besonders verletzlicher Körperteil dargestellt. Dies führt dazu, dass viele ihren Rücken zu stark schonen.»

Einseitiges Bewegen schadet

Pfeiffer hält die rigiden Anweisungen sogar für kontraproduktiv: Sie würden die Bewegungsvielfalt und das Vertrauen in unsere Körper reduzieren und damit auch die Belastbarkeit. «Das ist sicher mit ein Grund, warum wir heute ein so grosses Problem mit Rückenschmerzen haben.»

Fabian Pfeiffer (35) ist Physiotherapeut und Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur. Dort forscht er auch zu Rückenschmerzen und zur muskuloskelettalen Physiotherapie.

Viele dieser fixen Regeln seien zudem im Alltag oder bei der Arbeit gar nicht umsetzbar, erklärt der Experte. Muss man zum Beispiel ein Velo über eine Mauer heben, könne man die Last nicht wie empfohlen nahe am Körper tragen. Und wer Pakete austrage und diese aus einem engen Auto laden müsse, komme häufig nicht um Drehbewegungen herum. Dies sei an sich noch kein Risiko für Rückenschmerzen, betont Pfeiffer. «Wer gut trainiert ist, kann sogar schwere Lasten mit rundem Rücken heben, ohne Schaden zu nehmen.»

Bei Rückenbeschwerden kursieren zahlreiche Vorstellungen, die neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mehr standhalten. Diese 10 lange propagierten Empfehlungen können Sie demnach getrost vergessen:

Gerades Sitzen ist gut für den Rücken

Die Annahme ist verbreitet, dass krummes Sitzen oder ein falscher Stuhl zu Rückenschmerzen führen. Überraschenderweise besteht aber kein wissenschaftlicher Zusammenhang zwischen der Sitzposition und dem Auftreten von Rückenweh. Die ideale Haltung oder den perfekten Stuhl gibt es also nicht. Beim geraden Sitzen sind Spannung und Kompression im Rücken am grössten. Besser ist es deshalb, die Sitzposition häufig zu verändern und regelmässig aufzustehen, um sich zu bewegen. So können sich die Rückenmuskeln zwischendurch entspannen.

Ein Stehpult ist besser als ein Stuhl

Nicht zwingend besser als ein Stuhl: Auch an einem Stehpult kann es zu Verspannungen kommen.

Auch diese Annahme ist falsch: Ein Stehpult schützt noch nicht automatisch vor Rückenschmerzen, denn auch stundenlanges Stehen kann zu Verspannungen führen. Zwischendurch im Stehen zu arbeiten, kann eine gute Abwechslung zur Sitzposition sein. Geeignet sind Büromöbel, die leicht verstellbar sind und einen häufigen Wechsel ermöglichen.

Schwere Lasten heben schadet dem Rücken

Nein, erstaunlicherweise stimmt das nicht. Vielmehr gilt: Ein trainierter Rücken kann sogar sehr schwere Lasten heben und tragen. Man sollte aber die Muskeln kontinuierlich aufbauen – also beim Krafttraining oder Hantelnstemmen mit leichteren Gewichten beginnen und dann steigern.

Lasten sollte man mit geradem Rücken heben und Drehbewegungen vermeiden

Das ist im Alltag zum Beispiel bei engen Platzverhältnissen oft gar nicht möglich. Deshalb ist es wichtig, häufig notwendige Bewegungen zu üben. Ein gut trainierter Körper kann auch schwere Lasten mit rundem Rücken stemmen.

Rückenschmerzen bedeuten immer etwas Schlimmes

Unser Rücken ist ein sehr zentraler Teil des Körpers. Wenn es klemmt und zwickt in der Wirbelsäule, machen wir uns deshalb schnell Sorgen, dass ein unreparierbarer Schaden entstanden sein könnte. Doch in den meisten Fällen bessern die Beschwerden innerhalb von zwei bis drei Wochen von selbst wieder. Rund 80 Prozent der Menschen leiden immer mal wieder unter Rückenweh oder Verspannungen, besonders im unteren Teil der Wirbelsäule. In Studien zeigt sich aber, dass bei weniger als einem Prozent eine körperliche Ursache dahintersteckt wie Fehlformen, ein verengter Wirbelkanal oder, seltener, auch Tumore. Eine wichtige Rolle spielt hingegen die psychische Verfassung.

Je älter man wird, desto weniger macht der Rücken mit

Es trifft zu, dass schwerwiegende körperliche Ursachen wie etwa eine Verengung des Spinalkanals oder Wirbelbrüche im Zusammenhang mit Osteoporose (Knochenschwund) mit zunehmendem Alter häufiger vorkommen. Doch unspezifische Rückenschmerzen sind bereits bei jungen Menschen weit verbreitet.

Häufig ist die Bandscheibe schuld an Rückenschmerzen

Überraschenderweise vermag die Anatomie die auftretenden Symptome häufig nicht zu erklären. Zum Beispiel sind Bandscheibenvorfälle (Diskushernien) bei Gesunden gleich häufig wie bei Menschen mit Rückenschmerzen. Bildgebende Verfahren wie etwa das MRI zeigen bereits bei 50 Prozent der 21-Jährigen degenerative Veränderungen der Bandscheiben. Das Wissen um solche Befunde führt bei Betroffenen häufig zu übertriebener Sorge, was zu einem verhängnisvollen Teufelskreis führen kann: Mangelnde Bewegung und fixierte Konzentration auf die betroffene Stelle können das Problem verstärken. Oft werden Behandlungen eingeleitet, die weiteren Schaden anrichten können oder zumindest unwirksam und teuer sind. In der Schweiz liegen die Kosten für Rückenschmerzen und unnötige Operationen jährlich bei über 10 Milliarden Franken.

Eine harte Matratze ist besser als eine weiche

Dieser viel gehörten Volksweisheit liegt wohl Märtyrertum zugrunde. Welche Matratze passt, ist eine individuelle Angelegenheit. Besonders für bewegliche Menschen ist ein weiches Bett meist besser, weil es sich der Neigung der Wirbelsäule genauer anpasst. Allzu stark durchhängen sollte es aber auch nicht. Bei der Wahl einer Matratze gilt: ausprobieren. Am besten während mehrerer Nächte.

Brustschwimmen und Joggen sind schlecht für den Rücken

Wer hat das nicht schon einmal gehört: Das hohle Kreuz beim Brustschwimmen und die Schläge beim Joggen sollen schädlich sein für den Rücken. Fakt ist: Die ideale Sportart gibt es nicht. Eher ungünstig für den Rücken sind häufige Stop-and-gos, wie sie im Fussball oder im Tennis und Squash vorkommen. Besser sind Schwimmen, Yoga, Pilates oder Bauchmuskeltrainings, wie Studien gezeigt haben. Wichtig ist: Es muss sich gut anfühlen.

Wärme lindert Rückenschmerzen

Wenn die Beschwerden neu akut auftreten, ist eher Kühlung angezeigt – zum Beispiel mit einem Coldpack. Das wirkt schmerzstillend. Nach ein, zwei Tagen ist hingegen Wärme sinnvoll, weil sie die Muskeln entspannt. Eine warme Bettflasche oder ein Wickel können Linderung verschaffen. Aber auch hier gilt: ausprobieren.