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Meinung

Kommentar zur Polizeigewalt
Warum sie auf Schwarze schiessen

Für Trump ist sie eine Terroristin: Demonstrantin auf dem Union Square in New York, 5. September.
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Und schon wieder ist es passiert. Vor kurzem schoss ein Polizist siebenmal auf den Afroamerikaner Jacob Blake – von hinten. Auch wurde bekannt, dass die Polizei in Rochester, New York, einen wehrlosen Mann am Boden erstickt hatte. Und das sind nur zwei von vielen Fällen, die sich in den letzte Monaten und Jahren ereignet haben.

Unvergessen der Tod von Amadou Diallo, einem 23-jährigen afroamerikanischen New Yorker. An einem Februarmorgen, das Jahr war 1999, stand er vor seinem Haus, als vier Polizisten an ihm vorbeifuhren. Wenig später lag Diallo tot am Boden, von Kugeln durchsiebt. Alle Polizisten wurden freigesprochen.

Der kanadische Journalist Malcolm Gladwell hat die Kombination von Fehleinschätzungen, Missverständnissen und Überreaktionen nachrecherchiert, die zu den Schüssen geführt hatten. «Um diese Fehler zu verstehen», sagte er im Gespräch, «muss man wissen, was die Schützen sahen.» Sie sahen einen Mann, der einem gesuchten Vergewaltiger ähnlich sah; der nicht auf ihre Rufe reagierte; der etwas aus der Tasche zog, das sie für eine Waffe hielten. Es war sein Portemonnaie; Diallo wollte sich ausweisen.

Gladwell hat an sich selber einen psychologischen Test vollzogen. Dieser setzt der Versuchsperson Bilder von Frauen und Männern verschiedener Kulturen vor und bittet sie, ihre allererste Reaktion zu beschreiben. Gladwell konnte den Test so oft wiederholen, wie er wollte; immer empfand er bei einer Person dunkler Hautfarbe Gefühle von Angst und Gewalt. Dabei ist Gladwell ein Mestize, sein Vater Brite und seine Mutter Jamaikanerin.

Die US-Polizei hat ein Rassismusproblem

Was Gladwell widerfuhr, scheint auch vielen Polizisten in den USA zu passieren. Wie Statistiken belegen, erschiessen weisse Cops überdurchschnittlich viele Afroamerikanerinnen und Afroamerikaner im Vergleich zu deren Anteil der Bevölkerung. Dreimal mehr Opfer sind Schwarze als Weisse, in einzelnen Staaten liegt die Quote doppelt so hoch; ausserdem sind Schwarze häufiger unbewaffnet als Weisse.

Die schnellste Erklärung für solche Vorfälle ist richtig, aber nicht vollständig: Die amerikanische Polizei hat ein offensichtliches Problem mit Rassisten in ihren Rängen. Das haben unzählige Studien und Recherchen belegt. Warum das so ist, und warum sich daran auch nichts ändern wird, ist ebenso aufschlussreich wie deprimierend.

Polizisten sind schlecht bezahlt, sie bringen sich in Gefahr und bekommen weder Achtung noch Verständnis.

Der Basler Polizei- und Strafrechtler Markus Mohler, der das amerikanische Polizeisystem aus der Nähe erlebt hat, sagt im Gespräch: Vieles habe mit ungenügender Vorbildung, der mangelnden oder fehlenden Ausbildung zu tun. In gewissen Gemeinden brauche einer bloss eine Uniform, um als Polizist angestellt zu werden, in den besser strukturierten Korps bekomme er ein paar Wochen Schulung. Jede Gemeinde, jede County, jede Autobahnbehörde, jeder Gliedstaat bestimme das für die eigene Polizei selber.

Der Job ist schlecht bezahlt, man bringt sich in Gefahr und bekommt weder Achtung noch Verständnis, dafür eine Menge Kritik. Mohler glaubt auch nicht, dass sich das Verhalten der fehlbaren Polizisten so rasch ändern werde, dazu fehle schon die Ausbildung und daher Einsicht. Dazu komme, dass sich die USA auch in solchen Fragen über jede Kritik erhaben fühlten. «Ausserdem wenden sie das Prinzip der Verhältnismässigkeit viel larger an als wir, falls überhaupt.»

Es mag bequem klingen, für alles, was in den USA schlecht läuft, Donald Trump die Schuld zu geben.

Zudem verschone die sogenannte «qualified immunity» Polizeiangehörige, die selbst nach amerikanischem Recht ein Verbrechen begangen haben, vor gerichtlichen Sanktionen. Dennoch habe das Oberste Gericht Mitte Juni erneut abgelehnt, die Haltbarkeit dieser Rechtsregel zu überprüfen. Im Ergebnis stelle sie die Polizei über das Recht.

Es mag bequem klingen, für alles, was in den USA schlecht läuft, Donald Trump die Schuld zu geben. Aber es fällt auf, dass er sich nie von der extremen Rechten und ihren Taten distanziert und ihre Gegner pauschal als «inländische Terroristen» bezeichnet. Darum wird er von so vielen Amerikanerinnen und Amerikanern verehrt, die ihn als letzten Garanten weisser Herrschaft sehen.

Letzte Woche gab Donald Trump bekannt, er wolle die Gelder für interkulturelle Trainings gegen Rassismus kürzen. Er nannte sie «unamerikanische Propaganda». Denselben Ausdruck verwendete Joseph McCarthy in den Fünfzigerjahren: um Linke als Kommunisten zu diffamieren.