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Leak zu Stellenabbau beim Pharmariesen
Warum Roche bis zu 400 Stellen streichen will

Auch er ist ein «Unboss»: Roche-Chef Severin Schwan schafft interne Hierarchien ab. 
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Durch das Homeoffice können interne Informationen sehr leicht nach draussen dringen. So ist es kein Wunder, dass die Pläne für den Abbau von 300 bis 400 Stellen beim Basler Pharmakonzern Roche vorab bekannt wurden: Die Info kam per Videokonferenz, die von Angestellten zu Hause mitgeschnitten werden konnte. Das Video wurde dann dem «Blick» zugespielt.

Darin ist Entwicklungschef Levi Garraway zu sehen, wie er zu Hause in Kalifornien vor seiner privaten Fotogalerie sitzt und ankündigt, dass 5 bis 7 Prozent der Stellen in seinem Bereich gestrichen werden. Betroffen sind vor allem die Standorte San Francisco und Basel. Angesichts des Lecks konnte Roche den Stellenabbau nur noch bestätigen, noch bevor die Gewerkschaften informiert werden konnten.

Der geplante Stellenabbau folgt aber nicht der üblichen Sparlogik – auch wenn Roche derzeit keinen guten Lauf hat: Im ersten Quartal 2021 wuchs dank der Covid-Tests nur der Diagnostik-Umsatz, das Hauptstandbein Pharma schwächelte dagegen wegen des Verlusts der Patente der drei Krebs-Antikörpertherapien Avastin, Herceptin und Rituxan, die jahrelang die Bestseller des Konzerns waren. «Es ist jedoch gegen die DNA von Roche, Mitarbeitende zu entlassen, nur um die Gewinnmarge zu steigern», sagt Pharmaexperte Michael Nawrath.

Wie zu hören ist, hatte Roche in der Pharma-Entwicklung wegen einer Vielzahl neuer Wirkstoffe, die derzeit vorangetrieben werden, vorab neue Stellen geschaffen. Hier sei nun fokussiert worden. Das bedeutet: Unter dem Strich geht die Zahl der Jobs nicht zurück.

«Der Wechsel von Antikörpertherapien zu mRNA-Therapien für nahezu alle Krankheitsbereiche verändert die Branche.»

Michael Nawrath, Pharmaspezialist

Hinter dem Stellenabbau steckt jedoch auch Grundlegenderes: Der Pharmakonzern schafft interne Hierarchien ab. Dies sieht der Strategieplan 2030 vor. Die Hälfte der entfallenden Jobs betreffen daher nicht Laborarbeitsplätze, sondern Arbeitsplätze in den Bereichen Projektleitung und Sekretariat.

Ziel von Roche ist es, Budgetprozesse und damit die Medikamentenentwicklung doppelt so schnell zu machen. Berichten zufolge sollen sich Entscheidungen über die Kostenzusprache bei der Pharmaentwicklung bei Roche bis zu acht Monate hingezogen haben, weil sie erst alle Hierarchiestufen durchlaufen mussten. Nun sollen die Forscherinnen möglichst selbst über ihre Projekte entscheiden können.

«Die Pharmaindustrie wandelt sich sehr stark und baut ihre Hierarchien ab», sagt Nawrath. Bei Novartis ist dies unter dem Schlagwort «Unbossing» bekannt. Dasselbe vollzieht sich auch bei Roche, ohne dass es an die grosse Glocke gehängt wird.

«Intern hat sich bei Roche viel geändert», sagt Pharmaspezialist Stefan Schneider von der Bank Vontobel. Es gebe keine Vorabbudgets mehr, sondern Mitarbeitende könnten Geld in eigener Kompetenz verwenden. «Dadurch kann man mit weniger mehr erreichen, denn die Angestellten müssen sich hinterher für ihre Kosten rechtfertigen, was sie zu Sparsamkeit anspornt», sagt Schneider.

«Der Stellenabbau ist eine logische Konsequenz.»

Stefan Schneider, Pharmaspezialist bei der Bank Vontobel

Der Umbau hat noch weitere Gründe: die Digitalisierung sowie der Paradigmenwechsel in der Pharmaforschung. «Der Wechsel von Antikörpertherapien zu mRNA-Therapien für nahezu alle Krankheitsbereiche verändert die Branche», sagt Nawrath. Man könne dies mit der Autobranche vergleichen, die beim Wechsel vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb auch ihre Produktionsprozesse komplett umstellen müsse. Und deswegen Mitarbeitende mit anderen Qualifikationen brauche.

Die Pharmaspezialisten Nawrath und Schneider sind sich einig, dass der Stellenabbau deshalb eine logische Konsequenz dieser Trends sei. In anderen Bereichen könnten dagegen wieder Stellen dazukommen. Auch für den Finanzanalysten der Basler Kantonalbank, Elmar Sieber, ist klar: «Roche ist ein Konzern, der eher Jobs schafft als abbaut.»

Von Roche selbst gibt es jedoch weder zu möglichen weiteren Kürzungen noch zu einem Stellenaufbau in anderen Bereichen Informationen. Sprecherin Nina Mählitz sagt nur: «Die durch die Veränderungen eingesparten Kosten werden entsprechend in Bereiche verlagert, die einen direkten Beitrag zur Forschung und Entwicklung neuer Medikamente leisten.» Weitere Entscheidungen seien derzeit jedoch noch nicht getroffen worden.