Bundesrat bestellt für 1,5 Millionen MenschenWarum die Schweiz beim Impfstoff nur in der zweiten Reihe steht
Die Schweiz hat für den Impfstoff von Pfizer-Biontech eine Vorreservation. Doch wann er geliefert wird, ist offen.
Die Vorreservation für die erfolgversprechende Covid-Impfung von Pfizer-Biontech ist vereinbart, wie der Bundesrat gestern bekannt gegeben hat. 1,5 Millionen Menschen sollen mit ihr geschützt werden. Mit Impfen könnte im ersten Halbjahr 2021 begonnen werden, sagt Gesundheitsminister Alain Berset. Bis dahin gibt es noch drei Hürden.
Erst einmal müssen die klinischen Versuche erfolgreich abgeschlossen werden. Das könnte noch einige Wochen dauern (hier die wichtigsten Fragen und Antworten dazu). Dann muss die Impfung von der Arzneimittelbehörde Swissmedic zugelassen werden. Das allein reicht allerdings noch nicht aus, damit Menschen in der Schweiz geimpft werden können. Dazu muss die Schweiz erst den genauen Vertrag mit Lieferdatum, Menge und Preis aushandeln. Nur so kann sie früh einen Teil der Produktion ergattern.
Wer als Erstes geimpft werden könnte, ist ebenso offen. Prinzipiell ist zwar vorgesehen, dass Gesundheitspersonal, alte Menschen und andere Risikogruppen zuerst drankommen sollen. Doch ob die Pfizer-Impfung auch für diese Gruppen geeignet ist, muss sich erst zeigen. Das jeweilige Wirkprofil einer Covid-Impfung bestimmt, für wen sie geeignet ist.
Die Schweiz will insgesamt 3 Millionen Dosen bestellen, von der es zwei Spritzen für eine Impfung braucht. Diese Menge ist zwar vergleichsweise klein. Pfizer-Biontech dürften es bis Ende 2021 schaffen, 1,3 Milliarden Dosierungen herzustellen.Davon ist jedoch schon ein wesentlicher Teil vergeben. Es hängt vom
Auslieferungsmodus ab, ob die Schweiz überhaupt unter den ersten Empfängern sein kann.
USA und EU vorne dabei
Prinzipiell kann eine Firma so verfahren, dass sie die ersten Chargen vollständig an ein Land liefert und die Vorbestellungen der Reihe nach abarbeitet. Oder aber sie teilt sie zwischen verschiedenen Staaten auf. Die USA dürften in keinem Fall leer ausgehen: Sie hatten schon im Juli mit dem US-Konzern Pfizer einen Vorvertrag für die schnelle Auslieferung von 100 Millionen Dosen abgeschlossen. Ebenso sicherten sie sich die Nachlieferung von weiteren 500 Millionen.
Auch die Europäische Union war früh dabei und hat sich bei Pfizer-Biontech bis zu 300 Millionen Dosen gesichert. Die Liefervereinbarungen waren im Sommer vorverhandelt und sind nun nach den positiven Studienresultaten unter Dach und Fach gebracht worden. Deutschland hat sich zudem beim deutschen Start-up Biontech noch eine nationale Extralieferung gesichert. Der Staat hatte die Firma zuvor mit Millionen an Forschungsgeldern unterstützt.
Die USA haben sich den Pfizer-Impfstoff für fast die gesamte Bevölkerung gesichert.
Die USA und die EU haben zudem Vorverträge mit anderen Anbietern. Dasselbe gilt für die Schweiz: Sie hat feste Reservierungen bei AstraZeneca sowie Moderna. Ausserdem nimmt die Schweiz an internationalen Initiativen zur Covid-Impfstoffbeschaffung, genannt Covax, teil.
Total hat die Schweiz ein Anrecht auf 16 Millionen Dosierungen. Dies könnte für 8 Millionen Menschen reichen, weil es bei den meisten Impfungen zwei Injektionen braucht. Das wäre mehr als genug, denn es sollen nur 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung geimpft werden.
Doch Vorbestellungen sind ein Glücksspiel, weil einige Impfprojekte noch scheitern dürften. Mit frühen Reservierungen legt sich ein Staat auf bestimmte Impfstoffe fest und leistet Vorauszahlungen, ohne zu wissen, ob sie Erfolg haben werden. Statt Pfizer-Biontech hätte etwa auch Moderna als Erste mit vielversprechenden Zwischenresultaten der grossen klinischen Studie kommen können. Beide Firmen nutzen mit der neuartigen mRNA-Methode dieselbe Technologieplattform. Die Schweiz habe wie viele andere Länder von den drei vielversprechendsten Plattformen zwei potenzielle Impfungen genauer angeschaut und eine vorbestellt, sagt Christian Münz von der Covid-Taskforce des Bundes: «Dass nun Pfizer zeitlich vorne liegen wird, war nicht vorab klar.»
Lonza-Chef spielte eine Rolle
Im Moment prüft Swissmedic die Impfstoffe von AstraZeneca sowie von Pfizer-Biontech. Für den von der Schweiz vorreservierten Moderna-Impfstoff hat die Firma noch keine Zulassung beantragt. Swissmedic-Vizedirektor Philippe Girard geht jedoch davon aus, dass der Antrag bald folgt.
Die Reservierung bei AstraZeneca ist für die Schweiz über die EU zustande gekommen. Beim Entscheid für Moderna spielte eine Rolle, dass der Schweizer Pharma-Zulieferer Lonza den Wirkstoff für dessen Impfung herstellt. Der Lonza-Chef hatte dabei vermittelt. Denn er wollte nicht, dass er bei einem Erfolg des Projektes den Impfstoff in alle Welt liefert, die Schweiz aber leer ausgeht.
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