Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

DNA-Analyse
War Kolumbus etwa gar kein Italiener?

Ein Forscher inspiziert in Granada das, was die sterblichen Überreste von Christoph Kolumbus und seiner Familie sein sollen. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

In Genua steht nahe dem Zentrum ein kleines efeuumranktes Haus. Wehende Flaggen, bröckelnder Stein. Eine Touristenattraktion, die Bewertungen sind allerdings mittelmässig. «Beeindruckend klein», schreibt jemand. Andere zeigen sich offen enttäuscht. «Witz des Jahrhunderts», meint einer. Und: «Er würde sich bestimmt schämen.»

Er, das ist Christoph Kolumbus. Was er von dem bescheidenen Haus seiner Jugendzeiten hielt, ist nicht überliefert. Vor Ort scheint man dennoch mächtig stolz darauf zu sein, das nachgebaute Heim des berühmtesten Seefahrers der Welt zu besitzen. In lateinischen Buchstaben steht hier eingraviert: «Es gibt kein Haus, das mehr Beachtung verdient als dieses, in dem Christoph Kolumbus seine Kindheit und Jugend verbrachte.» Soll wohl heissen: Der ist unser!

War seine Vorgeschichte eine Tarnung?

Doch ist er das wirklich? Tatsächlich ist die Liste der Orte, die die Geburtsstätte des berühmten Entdeckers sein wollen, lang. Die Küstenmetropole Valencia, das 600-Einwohner-Dorf Espinosa de Henares, das mallorquinische Genova, Ibiza-Stadt, das portugiesische Alentejo – sie alle erheben Anspruch darauf, Kolumbus' Heimat zu sein. War der Segler etwa ein spanischer Adliger? Oder ein gebürtiger Portugiese? Seine Vorgeschichte nur eine Tarnung, um seine jüdischen Wurzeln in einer Zeit des Antisemitismus zu vertuschen, wie manche gar behaupten? Oder ist er doch Sohn eines genuesischen Wollwebers?

Eben das soll nun ein für alle Mal geklärt werden. Dafür wurde 1300 Kilometer südwestlich von Genua ein gepanzerter Raum aufgeschlossen. Seit bald 20 Jahren liegen hier vier Knochenfragmente, die Forscher der Universität von Granada einst aus der Kathedrale von Sevilla gehoben und analysiert hatten. Mit dem Ergebnis, dass es wohl tatsächlich die Gebeine des westlichen Entdeckers von Amerika sind. Ob der Mann, der für die spanische Krone segelte, wirklich gebürtiger Italiener war, wie viele Historiker glauben, darauf liessen die DNA-Analysen damals noch keinen Schluss zu. Die Forscher konnten schlicht nicht genug genetische Information bekommen, das Projekt wurde auf Eis gelegt.

«Es war eine Verschwendung der Knochen», sagt José Lorente. Der Professor für Rechtsmedizin aus Granada klingt aufgeregt, wenn er am Telefon über das Rätsel von Kolumbus' Herkunft und das Projekt «Colon Admiral» spricht. Er weiss, welche Emotionen dahinterstecken, wenn die Identität eines längst nicht mehr unumstrittenen, aber trotzdem weltbekannten Entdeckers geklärt werden soll – und jeder ein Stück des Kuchens abbekommen will. «Manchmal will eben ein ganzes Land mit einer Person verwandt sein», sagt er.

Seefahrer Christoph Kolumbus, auf einem undatierten Gemälde des italienischen Künstlers Sebastiano Del Piombo. 

«Halo effect», nennt die Psychologie dieses Phänomen: Wer sich im Heiligenschein eines anderen wähnt, wirkt attraktiver und kann die Verbindung für Marketingzwecke verwenden – mit Museum, passendem Gebräu und eigenem Wanderweg. Nach der Wahl von Joseph Ratzinger zum Papst Benedikt beispielsweise stand das bayerische 2700-Einwohner-Dorf Marktl kopf: Es gab Benedikt-Torten, Vatikanbrot, Papstbier, Benedikt-XVI.-Kräutertee – und reichlich Spott, der Ort sei zum «Media-Marktl», verkommen. Dass Ratzinger hier nur die ersten zwei Lebensjahre gelebt und selber keine wirklichen Erinnerungen mehr an den Ort hatte? Irrelevant.

Wo die Herkunft nicht gänzlich geklärt ist, wird umso härter gekämpft. Das gilt auch im Fall des Weltenbummlers Kolumbus, der auf dem ganzen Globus als Namensgeber für Städte, Schulen und Parks firmiert. So lehnte es die Dominikanische Republik, wo ebenfalls sterbliche Überreste des Seefahrers lagern sollen, einst ab, die Knochen zu exhumieren. Ob da jemand um seine Touristenattraktion bangte?

So weit will Forensiker José Lorente nicht gehen, er ist ein Diplomat. Dafür konzentriert sich der Wissenschaftler jetzt auf das, was er einst in Heidelberg und Münster lernte: die Sequenzierung von DNA. 24 Teile sollen dabei helfen: vier Knochenfragmente von Kolumbus, zwölf seines Bruders Diego, sieben seines Sohnes Hernandez sowie dessen Zahn.

«Wir wollen nur die Wahrheit»

Um Gewissheit zu haben, wird Lorente Kolumbus und seine Verwandten 529 Jahre nach dessen Ankunft in Amerika noch einmal auf Reisen schicken. Die Überreste werden von Granada aus zu Laboren in Rom, Florenz, Mexiko und den USA gebracht und mit neuesten Methoden analysiert.

Die Frage ist, welchen Namensvettern die ausgewertete DNA am Ende mehr ähnelt. Den «Colombos» aus Norditalien? Oder den «Coloms» aus der katalanischen und mallorquinischen Ecke? Lorente weiss, dass die Forschung zu einem der grössten Rätsel der Geschichte nun mit Argusaugen beobachtet wird – und dass Emotionen eine grosse Rolle spielen. Umso mehr betont er seine Rolle als ergebnisoffener Wissenschaftler. «Wir wollen einfach nur die Wahrheit ans Licht bringen», sagt er.

Das Ergebnis soll am 12. Oktober in einer Dokumentation im spanischen Fernsehen veröffentlicht werden – zum sogenannten «Kolumbus-Tag», der in Spanien Nationalfeiertag ist. Auf dass Kolumbus endlich seine ewige Ruhe findet – als Italiener, Spanier oder sonst wer.

Newsletter
Celsius
Erhalten Sie die wichtigsten Hintergründe und Analysen rund um Klima und Wetter.

Weitere Newsletter