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Tauender Permafrost und Waldbrände
CO2-Bilanz in der Arktis droht zu kippen

Eine Gruppe von Eisbären versammelt sich um den Kadaver eines Grönlandwals am Ufer der russischen Wrangelinsel. Foto von Max Stephenson, aufgenommen am 19. September 2017.
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Die Arktis und das Weltklima: Das war während Tausender Jahre eine gute Partnerschaft. Sträucher und Gräser der Tundra, Wälder und die Feuchtgebiete der arktisch-borealen Zone der Erde sind gigantische CO2-Speicher, die wichtig für das Gleichgewicht des Klimas sind. 

Diese Eigenschaft hat das Polargebiet noch heute, aber sie könnte durch die steigende Erderwärmung allmählich verloren gehen. Von Alaska über Kanada, Nordeuropa bis nach Sibirien: Es gibt zahlreiche Landschaften, die unter dem Strich mehr Kohlenstoff in Form von CO2 an die Atmosphäre verlieren, als sie speichern. Das ist das Fazit einer neuen Studie, die kürzlich im Fachmagazin «Nature Climate Change» erschienen ist.

Karte der nördlichen Permafrostregionen mit Tundra und borealen Gebieten hervorgehoben.

Die arktische Vegetation nimmt für ihr Wachstum gigantische Mengen an Kohlenstoff aus der Atmosphäre auf. Pflanzen und Mikroben im Boden «veratmen» aber auch Kohlenstoff in Form von CO2, das sie an die Atmosphäre abgeben. Solange dieser Austausch insgesamt zugunsten einer Kohlenstoffspeicherung ausgeht, sprechen die Fachleute von einer Senke. 

Nun zeigen Feldmessungen von 2001 bis 2020, die ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des amerikanischen Woodwell-Klimaforschungszentrums auswertete: Die arktisch-boreale Zone ist zwar insgesamt immer noch eine zunehmende Senke, aber mehr als 30 Prozent dieser Region hat sich in eine CO2-Quelle verwandelt. «Quellregionen und Brände kehren langjährige Trends um», sagt Anna Virkkala, Wissenschaftlerin des Woodwell-Klimaforschungszentrums und Hauptautorin der Studie. 

Die Ergebnisse sind laut den Forschenden die bislang aktuellste und umfassendste Bewertung der Kohlenstoffflüsse für die arktisch-boreale Zone. Die Studie soll helfen, eine Wissenslücke zu schliessen. Die bisherigen Daten ergaben nur ein sehr beschränktes Bild über den Kreislauf des Kohlenstoffs der arktischen Landschaft.

Risiko für Feuer steigt

Mit den neuen Daten haben die Forschenden die Möglichkeit, den CO2-Austausch gründlicher zu studieren. Denn die Arktis ist alles andere als eine homogene Landschaft. Sie ist ein riesiges Gebiet mit unterschiedlichen Ökosystemen und klimatischen Bedingungen.

Karte der Arktis mit blau und rot gefärbten Regionen, die CO2-Senken und -Quellen darstellen. Es sind Datenquellen angegeben.

Vor allem die Emissionen durch Feuer spielen offensichtlich in manchen Landschaften für die CO2-Bilanz eine bedeutende Rolle. Einen prägenden Einfluss der Feueremissionen erkennt das Forschungsteam in den borealen Wäldern von Sibirien. Auch wenn die Datenbasis heute noch gering ist, wie die Forschenden schreiben, so gibt es Indizien, dass Waldbrände in dieser Polarregion eine CO2-Senke in eine Quelle verwandeln können.

Dies sei ein grosses Problem, schreiben die Forschenden der Studie. In Sibirien sei mehr als die Hälfte der Kohlenstoffvorräte der Permafrostregion gespeichert und derzeit würde sich die Region schneller erwärmen als andere Gebiete der arktisch-borealen Zone. Die Trends des sibirischen CO2-Flusses, müsse weiter untersucht werden.

Das zeigt: Die beobachtete Begrünung der Arktis durch den Anstieg der Sommertemperaturen hat nicht nur zur Folge, dass Pflanzen mehr CO2 aufnehmen können und das Ökosystem zu einer CO2-Senke machen. Mit dem Zuwachs der Biomasse und häufigeren Dürren steigt auch das Risiko für intensivere Feuer.

Die drei stärksten Waldbrände der letzten zwei Jahrzehnte fanden 2019, 2020 und 2024 statt, wie Daten des europäischen Klimadienstes Copernicus dokumentieren. «Die zunehmenden Waldbrände in Sibirien sind ein klares Warnsignal, dass sich dieses lebenswichtige System gefährlichen Klimakipppunkten nähert», kommentiert Gail Whiteman von der britischen Universität Exeter.

Grosse Gefahr: Tauender Permafrost

Die Temperaturen in der Arktis steigen weiter. Seit den 1980er-Jahren dreimal so schnell wie der globale Durchschnitt im gleichen Zeitraum. Das vergangene arktische Jahr war das zweitwärmste seit Beginn der Messungen um 1900. Dieser schnelle Anstieg der Temperatur ist vor allem auf eine tiefere sogenannte Albedo zurückzuführen. Das heisst: Durch den Verlust von Eis und Schnee, verursacht durch die vom Menschen gemachte globale Erderwärmung, wird weniger Sonnenstrahlung reflektiert, dafür nehmen Meer und Land mehr Sonnenenergie auf, was zu einem Anstieg der Temperatur führt.

Das wiederum erhöht die Gefahr, dass Permafrostböden auftauen. Das macht den Forschenden Sorgen, weil die nördlichen Permafrostböden fast die Hälfte der globalen Vorräte an organischem Kohlenstoff enthalten. Ein internationales Forscherteam hat vor wenigen Jahren in einer Publikation in «Nature Geoscience» die Menge abgeschätzt, die frei würde, wenn die Permafrostböden in der Arktis auftauten. Es würde etwa einem Viertel des Kohlenstoffbudgets entsprechen, das der Mensch noch zur Verfügung hat, um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen.

Eingestürzte Küstenlinie mit erodierenden Klippen, die ins Meer fallen, bedeckt mit trockener Grasvegetation.

Das Forschungsteam hebt in seiner Studie vor allem die Tundra heraus. Die waldfreie Zone im hohen Norden macht den grössten Teil des arktischen Festlandes aus. Dort wachsen Flechten, Moose und Farne. Der Boden in der Tundra ist meistens das ganze Jahr über gefroren.

Das ändert sich nun: Es gebe Regionen, in denen die oberste Bodenschicht im jährlichen Durchschnitt über dem Gefrierpunkt liege, heisst es in der Studie. Die Folgen: Mikroorganismen bauen in der wärmeren Umgebung das organische Bodenmaterial im auftauenden Permafrost schneller ab. Sie produzieren dabei CO2 und Methan. Das lasse sich mit dem beschleunigten Erwärmungstrend seit den 1950er-Jahren begründen, schreibt das Forschungsteam.

Aus diesem Grund fordert die Autorenschaft, dass die arktische Permafrostregion noch besser untersucht werden müsse. Noch fehlt es an zuverlässigen flächendeckenden Daten, um ein umfassendes Bild machen zu können, wie stark die Tauprozesse fortgeschritten sind. 

Gefährliche Schadstoffe

Zumal die tauenden Permafrostböden nicht nur für das globale Klima ein Problem sind, sondern auch zu einem grossen Risiko für die arktische Bevölkerung werden, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie eines internationalen Forschungsteams unter Federführung der Universität Wien dokumentiert. Etwa drei Millionen Menschen leben in der Arktis. Die Forschenden haben dabei verschiedene zentrale Risiken für die Bevölkerung ausgemacht: Schäden an der Infrastruktur, unsichere Verkehrs- und Versorgungswege oder die erhöhte Gefahr durch Schadstoffe, die durch das Auftauen der Permafrostböden frei werden. So gibt es Tausende Industriestandorte in der Arktis, aus denen Schadstoffe wie Gas, Erdöl oder Nickel in die Böden sickern und weiter in Flüsse und Seen fliessen können.

Ein Haus mit schwarzem Dach ist aufgrund von Erdrutsch an einem Flussufer gekippt, umgeben von hohen Bäumen.

Für die Forschenden der neuen Arktis-Studie sind die Ergebnisse ein Warnsignal für grössere bevorstehende Veränderungen. «Unsere Studie bietet eine Karte der Orte, die wir in den kommenden Jahrzehnten besser überwachen müssen», sagt Autorin Anna Virkkala vom Woodwell-Klimaforschungszentrum.

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