Wandern in der KälteDiese Mehrtagesroute ist ein Genuss – auch im Winter
Wandern wird zusehends zum Ganzjahressport – das gilt auch für mehrtägige Ausflüge. Teilstrecken des Alpenpanoramawegs eignen sich besonders dafür. Unsere Autorin schreibt, warum.
- Wandern im Winter ist das Erlebnis wert.
- Zwei Appenzeller Etappen des Alpenpanoramaweges eignen sich dafür besonders.
- Dabei erhält man Einblicke in die Appenzeller Käsekultur und Architektur.
«Vier Nebeltage hatten wir in diesem Herbst», erzählt der junge Bauer Markus Moss oberhalb der Ortschaft Bühler. Er ist gerade dabei, die Schneeketten auf die mannshohen Reifen seines Traktors zu montieren, um beim angekündigten Schneefall die Strassen räumen zu können.
Dennoch hat er «de Wiil», wie die Ausserrhödler für «Zeit haben» sagen, mit den Wandersleuten zu plaudern. Sein Hof liegt in der typischen Hügellandschaft des Appenzellerlandes. «Manchmal wünsche ich mir die Weite Australiens», sagt er. Wie es dort aussieht, erfährt er im Gespräch mit einem jungen Paar, das seine Ferienwohnung gemietet hat.
Die beiden werden nach der Europareise zu Hause den elterlichen Betrieb mit über 800 Hektaren übernehmen. «Aber es würde mir mit der Zeit wohl langweilig, wenn ich erst nach einem Kilometer den Traktor wenden müsste», sagt er schmunzelnd und blickt über die sanften Hügelzüge zum Alpstein hinüber.
Die Unterländer sind neidisch auf die Sonnentage der Einwohner von Bühler. Schliesslich hatten sie ja diesen Herbst gefühlt vier Tage ohne Nebel. Ein Grund mehr, auch in der kalten Jahreszeit eine mehrtägige Wanderung oberhalb des Graus zu unternehmen. Dafür eignet sich der Wegabschnitt von Bühler nach Bad Horn am Bodensee besonders, er ist das ganze Jahr begehbar.
Die Strecke gehört zum Alpenpanoramaweg Nr. 3, der vom Bodensee bis zum Genfersee führt. Hier im Appenzellerland ist der Name Programm. War der Alpstein mit dem Hohen Kasten, der Alp Sigel und der Ebenalp bei der ersten Übernachtung im Hotel Weissbad in Weissbad zum Greifen nah, so breitet sich oberhalb von Bühler die ganze Pracht des Alpsteins bis zum Säntis aus.
Über Wiesen und Waldpassagen geht es eine gute Stunde stetig bergauf. Die Weiden sind inzwischen verwaist. Nur da und dort noch kleine Schaf- oder Ziegenherden. Wo Landwirte die stotzigen Landstücke nicht mehr mit den Maschinen bearbeiten können, sind die Vierbeiner zu Hause; auch selten gewordene Rassen wie die Stiefelziege oder die «Appenzeller Gääs». Ihre Milch ist der Rohstoff für hervorragenden Käse, wie das reichhaltige Frühstücksbuffet im Hotel Weissbad beweist. Hier kann der Gast zwischen sechs verschiedenen Sorten Ziegenkäse auswählen.
So richtig stotzig wird es auf dem Wanderweg nicht. Nach knapp 400 Höhenmetern ist der erste «Gipfel» erreicht. Ein Panoramablick erster Güte eröffnet sich beim Restaurant Hohe Buche. Der ganze Alpstein ist mit Schnee überzuckert, darüber der strahlend blaue Himmel.
Davor zeigt sich die sanft hügelige Landschaft des Appenzellerlandes. Kaum ein paar Schritte weiter auf der breiten Krete öffnet sich auf der anderen Seite ein anderer Blick: Die riesige Weite des Bodensees bildet einen spannenden Kontrast zur alpinen Landschaft.
Auf Wald- und Naturwegen geht es weiter nach Trogen hinunter. Dominierten bis anhin einzelne Appenzeller Häuser mit angebautem Stall, ändert sich der Baustil zunehmend. Das kleine Farbfeuerwerk von roten Stalltüren und grünen Läden in der gelben Hausfront im Innerrhodischen wird zunehmend einfarbiger. Eine komplett andere Szenerie zeigt sich auf dem Landsgemeindeplatz in Trogen: Riesige Sandsteinhäuser zeugen vom Status der Familie Zellweger, die im 18. Jahrhundert dank des Textilhandels zu Reichtum kam.
Wo einst das Wasser die Mühle antrieb
Ein paar Schritte aus dem Dorf heraus ist man bereits wieder mit sich allein unterwegs. Es geht Richtung Chastenloch, wo der Säglibach in die Goldach mündet. Das Wasser hat sich hier tief ins felsige Flussbett eingegraben und es ausgewaschen. Einst wurde die Wasserkraft für das Mahlen von Korn genutzt.
Heute ist es ein wildromantischer Ort, wo am Wochenende das Wirtshaus geöffnet ist, was eine Möglichkeit bietet, sich vor dem steilen Aufstieg nach Rehetobel und hinauf zum Kaienspitz zu stärken. Der stetige Anstieg über Waldpartien und offene Abschnitte heizt den Körper auf. Die eine oder andere «Zwiebelschicht» wandert in den Rucksack. Auf dem Kaienspitz wartet ein weiterer Aussichtspunkt. Beinahe der ganze Bodensee ist überblickbar.
Nach 15 Kilometern ist das Tagesziel Heiden erreicht. Die Beine sind müde. Die Kondition von der Wandersaison ist offensichtlich verloren gegangen. Der Sprudeltopf im Hotel Heiden weckt die Lebensgeister wieder und lässt dem «Wedegehnte», wie die Appenzeller den Muskelkater nennen, keine Chance.
Heiden liegt auf einer Sonnenterrasse über dem Bodensee. Bad Horn, das nächste Ziel, ist schon fast vom Hotelfenster aus zu sehen. Vor dem Abstieg lohnt sich ein Rundgang durch den Ort mit dem klassizistischen Dorfkern. Auch ein Halt beim Denkmal für Henri Dunant. Frische Kränze von deutschen Rotkreuzsektionen zeugen davon, dass der Gründer des Roten Kreuzes ein Lebenswerk vollbracht hat, das nichts von seiner Bedeutung verloren hat.
Weit weg vom Weltgeschehen und von anderen Sorgen geht es rund 450 Höhenmeter hinunter zum See. Rostbraunes Buchenlaub bedeckt weite Teile der Waldpartien. Es lädt ein, mit den Wanderschuhen in den Blättern zu rascheln und «de Wiil haa», wieder einmal Kind zu sein.
Derweil spielt der Wind mit den letzten Blättern in den Ästen. Licht fällt zwischen die Stämme und beleuchtet Moospolster und Baumstämme. Zum Glück werden einem die dreckigen Schuhe im Hotel Bad Horn, wie an den anderen Etappenzielen, nicht übel genommen.
Im Sprudeltopf im Bad Horn wird noch einmal bewusst, wie genussvoll eine Mehrtageswanderung in der kalten Jahreszeit sein kann. Über dem Rand des Whirlpools ist der Blick frei auf den Bodensee. Die Nacht senkt sich langsam über die Landschaft. Nichts und niemand drängt. Wir machen es so wie die Appenzeller: «de Wiil haa», sich selbst, dem Körper und der Seele Gutes tun.
Infos zur Wanderung
Anforderungen: Die Wanderung auf dem Alpenpanoramaweg zwischen Bühler und dem Bodensee verläuft in Höhenlagen bis maximal 1130 Meter über Meer. Die Tour kann ganzjährig unternommen werden. Im Winter können die Wege schneebedeckt sein. In diesem Fall sollten die Wanderleute Grödel oder Snow-Spikes und Stöcke mitnehmen.
Etappe 1: Bühler–Heiden auf dem Alpenpanoramaweg, 15 km, rund 810 Höhenmeter Auf- und Abstieg.
Etappe 2: Heiden–Horn auf dem Alpenpanoramaweg, 12 km, rund 500 Höhenmeter Abstieg.
Übernachtungsmöglichkeiten: Hotel Hof Weissbad, Hotel Heiden, Hotel Bad Horn. Der Gepäcktransport zwischen den Hotels kann auf Wunsch über Private Selection Hotels & Tours organisiert werden.
Reise wurde unterstützt von Private Selection Hotels & Tours, Luzern
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