Entscheid zu GeschäftsmietenWalliser Manöver gegen Zürcher und Berner Wirte
Im Sommer wollte der Nationalrat Geschäftsmieten reduzieren, jetzt macht er womöglich kehrt. Eine Schlüsselrolle spielen dabei Parlamentarier aus dem Kanton Wallis, der vom Problem weniger betroffen ist.
![Betriebsschliessungen wegen Corona können die Inhaber in grosse Probleme bringen.](https://cdn.unitycms.io/images/5wbRzbZHqo89ahCBijPrsK.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=kj4DPpsnvoY)
Lockdown, keine Einnahmen, hohe Mietschulden: In diese Situation sind im Frühling viele Kleinunternehmer geraten, insbesondere aus der Gastronomie. Und jetzt, wo die Corona-Zahlen dramatisch steigen, wächst die Furcht, dass erneut eine allgemeine Schliessung verfügt wird. Und die Probleme wieder von vorne beginnen.
Hoffnung machte daher vielen Wirten und anderen Gewerbetreibenden das Gesetz, das der Nationalrat am Donnerstag berät. Es sieht vor, dass Geschäftsinhaber nur noch 40 Prozent der Miete bezahlen müssen, wenn der Staat wegen Corona einen Lockdown verordnet. Allerdings ist inzwischen keineswegs mehr sicher, ob das Gesetz eine Mehrheit findet. Denn seit Sommer, als sich das Parlament für rasche Hilfe bei den Geschäftsmieten aussprach, ist politisch einiges in Gang geraten: Die Rechtskommission des Nationalrats empfiehlt dem Plenum jetzt mit 14 zu 11 Stimmen, auf das Gesetz nicht einzutreten. Zustande kam die ablehnende Mehrheit dank der CVP, die sich in der Kommission den Skeptikern aus FDP und SVP anschloss. Im Sommer hatten die Christlichdemokraten den Plan noch unterstützt.
Wenig Beachtung fand dabei bislang die Schlüsselrolle, die den Vertretern des Kantons Wallis zukommt – eine Rolle, die unter Befürwortern des Gesetzes einen pikanten Verdacht auslöst. Zwei der drei CVP-Mitglieder in der Rechtskommission stammen aus dem Wallis; der Oberwalliser Philipp Matthias Bregy, im Sommer noch ein Befürworter, wird gar als Kommissionssprecher für den Nichteintretensantrag werben. Auf linker Seite vermutet man nun, Bregy und seine Mitstreiter hätten realisiert, dass die Geschäftsmieten vor allem ein städtisches Problem seien. Im Wallis gebe es unter den Wirten viel weniger Pächter als in Zürich, Bern oder Basel. Eigentümer der Liegenschaften seien dort meist die Wirte selber oder nahe Verwandte. Probleme mit der Miete regle man, wenn überhaupt, «in der Familie».
Viel mehr Pächter in den Städten
In Zahlen ist das schwerlich zu fassen, da geografisch aufgeschlüsselte Statistiken fehlen. Dem Branchenverband Gastro Suisse liegt lediglich die Angabe vor, wonach Restaurants ohne dazugehörige Hotels schweizweit zu 73,6 Prozent von Mietern beziehungsweise Pächtern betrieben werden. «Dass es aber in der Gastronomie der Grossstädte einen deutlich grösseren Anteil Pächter und Mieter gibt als auf dem Land, das ist bekannt», bestätigt Robert Weinert, Leiter Immo-Monitoring bei der Firma Wüest Partner.
Philipp Matthias Bregy bezeichnet die Vorwürfe an seine Adresse dennoch als «Unterstellung». Er hält fest: «Meine Herkunft spielt für meine Entscheide oft eine Rolle, aber nicht bei diesem Geschäft.» Für ihn sind, wie er sagt, andere Überlegungen massgeblich. Seit Frühling habe sich gezeigt, dass die Probleme bei den Geschäftsmieten viel weniger gross seien als befürchtet. In den meisten Fällen hätten sich Mieter und Vermieter geeinigt; der Staat brauche daher nicht einzugreifen. Zudem sei unklar, ob der geplante Eingriff ins Eigentumsrecht mit der Bundesverfassung konform gehe.
Gastro Suisse freilich beurteilt die Lage weniger optimistisch. Laut einer Umfrage des Verbands führten die Verhandlungen über die Geschäftsmiete in zwei Dritteln der Fälle zu keiner befriedigenden Lösung. Bei 41 Prozent der Betriebe ohne Umsatz soll die Vermieterschaft gar das Gespräch verweigert haben.
Wie sich die CVP-Fraktion insgesamt zur Vorlage positionieren wird, ist offen. Es gibt darin neben Gegnern wie Bregy auch überzeugte Befürworter wie den Zürcher Nationalrat Nik Gugger – der sogar noch weiter gehen will: Das jetzige Gesetz sei «nur ein erster Schritt». Die Wirte bräuchten langfristige Planungssicherheit. «Ich werde eine dauerhafte Regelung vorschlagen, durch die den Wirten bei Schliessungen 50 Prozent der Geschäftsmiete erlassen wird.»
Fest steht: Die Immobilienbranche könnte ein Ja zum jetzt auf dem Tisch liegenden Entwurf wohl verschmerzen. Laut Botschaft des Bundesrats würden den Vermietern 212 Millionen Franken entgehen – 1,6 Prozent der jährlichen Einnahmen aus Geschäftsmieten.
Fehler gefunden?Jetzt melden.