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Jihadisten-Terror in Südostafrika
«Wahllos, grausam und teuflisch»

Schon letztes Jahr gab es Angriffe von Jihadisten: Verwüstete Häuser in einem Dorf im Norden Moçambiques.
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Als die Krankenschwester Maria Rachide das Gerücht aufschnappte, Aufständische seien in ihr Dorf in der Provinz Cabo Delgado im Norden Moçambiques vorgedrungen, lief sie los – so schnell sie konnte. Im Spital hatte sie bereits Schüsse gehört, sagte sie dem Fernsehsender Voice of Africa. Rachide floh anschliessend mit ihrer Familie vor den Angreifern, zusammen mit ihrer Tochter und zwei Neffen versteckte sie sich drei Tage lang im Wald – während Bewaffnete 52 Menschen in ihrem Dorf ermordeten. «Wahllos, grausam und teuflisch», wie die lokale Polizei mitteilte.

Die Opfer hätten sich geweigert, sich den Terroristen anzuschliessen, sagte ein Polizeisprecher. Einige wurden an jenem 7. April enthauptet, andere erschossen. Die Behörden machten den Angriff erst Wochen später öffentlich. Die Polizei sprach bei der Medienkonferenz von einem «Massaker».

Im Norden Moçambiques hat sich eine neue Zelle des Islamischen Staates (IS) herausgebildet – wobei das Bekenntnis der Gruppe zum IS das einzig Neue ist. Bereits im Jahr 2017 hatten Aufständische in den nördlichen Provinzen begonnen, die Bevölkerung zu terrorisieren. Für zahlreiche Anschläge tragen sie die Verantwortung. Bislang waren sie als Ahlu Sunnah Wa-Jamo («Anhänger der prophetischen Tradition») bekannt.

Das Ziel: Kalifat im Norden Moçambiques

Seit Beginn des Aufstands wurden im Norden Moçambiques laut dem Armed Conflict Location and Event Data Project (Acled) mehr als 1000 Menschen getötet und mehr als 100’000 vertrieben. Allein in den ersten Monaten dieses Jahres zählt das Acled mehr als 100 gewalttätige Zwischenfälle in Nordmoçambique. Dies entspricht einem Anstieg von 300 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Lange war unklar, wie die Milizen genau organisiert sind. Mit ihrem Bekenntnis zum IS haben sie nun zumindest ihre Ziele offenbart.

«Wir wollen keine Regierung von Ungläubigen, wir wollen eine Regierung Allahs», sagte einer der Männer in einem Propagandavideo. Die Terroristen besetzten kurzzeitig Regierungsgebäude, blockierten Strassen und hissten in mehreren Städten und Dörfern die schwarz-weisse Flagge des IS. In den Propagandamedien erklärten sie die Errichtung eines «islamistischen Kalifats» im Norden Moçambiques zu ihrem Ziel.

Die Region ist reich an unerschlossenen Bodenschätzen. Im Jahr 2010 wurden riesige Gasreserven im Rovuma-Becken vor der Küste von Cabo Delgado entdeckt. Doch bisher kam bei dem Grossteil der knapp 30 Millionen Moçambiquer wenig von dem Reichtum an, und daran dürfte sich kurzfristig auch nichts ändern. Experten rechnen frühestens 2028 mit Staatseinnahmen aus der Erdgasförderung. Moçambique ist immer noch eines der ärmsten Länder der Welt, und vor vier Jahren war es sogar fast bankrott.

Nun wird das Land vom Terror bedroht. Im Norden toben die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und den IS-Zellen. Ende April erklärte Innenminister Amad Miquidade, Spezialkräfte hätten innerhalb weniger Wochen 129 Terroristen in der Provinz getötet. «Wir haben den Feind, seine Trainingslager und Stützpunkte ausfindig gemacht», sagte er. Alex Vines, Experte des Thinktanks Chatham House, sieht hingegen in den Angriffen der vergangenen Wochen einen Rückschlag für die Streitkräfte. Auch erwartet er in den kommenden Monaten zahlreiche weitere Anschläge. «Viele Kommandeure sind erschöpft oder korrumpiert von einer aufstrebenden Kriegswirtschaft», heisst es in einer Analyse.

Moçambique bittet um internationale Hilfe

Präsident Filipe Nyusi, der im Januar für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren vereidigt wurde, will den Aufstand im Norden um jeden Preis eindämmen. Er habe «die Krise zu seinem Hauptaugenmerk gemacht und ist de facto Verteidigungsminister geworden», sagt Vines. Vergangene Woche hat Nyusi um internationale Hilfe im Kampf gegen den IS gebeten. Am Freitag bestätigte Südafrikas Ministerin für internationale Beziehungen und Zusammenarbeit, Naledi Pandor, dass die Regierungen der beiden Nachbarländer darüber in Verhandlung stünden.

Die Krankenschwester Maria Rachide hatte in ihrem Versteck nichts zu essen oder zu trinken, drei Tage lang. Als sie wieder in ihr Dorf heimkehrte, waren Häuser und Geschäfte niedergebrannt. So etwas, sagt sie, wünsche sie nicht einmal ihren Feinden.