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Fehler bei der Auszählung
St. Gallens Rechtsrutsch ist abgesagt, SP feiert mit Prosecco

Spontan versammelten sich vor dem St. Galler Rathaus SP-Mitglieder, um die unerwartete Wahlwende zu feiern.
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Nicht einmal 24 Stunden durften sich die bürgerlichen Parteien in St. Gallen über ihren Wahlsieg freuen. Nach der Korrektur eines groben Auszählungsfehlers erreichen FDP, SVP, Mitte und EVP doch nicht die hauchdünne Mehrheit von 33 Sitzen im 63-köpfigen Stadtparlament.

Wie der Präsident des Stimmbüros, Andreas Vögeli, am Montagabend bekannt gab, war es durch «menschliches Versagen» beim manuellen Eintragen der Resultate zu einem Fehler gekommen.

Mit der Korrektur der Wahlergebnisse ist der Rechtsrutsch nun abgesagt. Statt über eine Mehrheit von 33 Sitzen verfügen die bürgerlichen Parteien jetzt nur über eine Minderheit von 30 Sitzen.

Die FDP ist die Verliererin

Am dramatischsten ist die Korrektur beim Freisinn: Statt auf 15 Sitze kommt er nur auf 10 Sitze. Die Partei verliert damit sogar einen Sitz im Vergleich zu 2020. Die strahlende Siegerin FDP wird zur tragischen Verliererin dieser Lokalwahlen.

Die SP dagegen verliert nicht zwei Sitze, sondern bleibt bei 18 Sitzen wie vor vier Jahren. Drei weitere Sitze gehen nach der Korrektur an SVP, Mitte und GLP. SP, Grüne, Grünliberale und die Politische Frauengruppe St. Gallen kommen auf eine knappe Mehrheit von 33 Sitzen.

Das SP-Kopräsidium Peter Olibet (links) und Jenny Heeb mit FDP-Präsident Oskar Seger am Montagabend vor dem Rathaus.

FDP-Präsident Oskar Seger sprach am Montagabend von einer «Katastrophe, dass dieser Fehler im Wahlbüro passiert ist». Die Freude, nach einem engagierten Wahlkampf die Ernte einzufahren, ist jäh einer grossen Enttäuschung gewichen. Seger hatte gehofft, die St. Galler Politik mit einer erstarkten FDP bürgerlicher zu machen. «Jetzt bleibt aber alles beim Alten: Die GLP wird auch in den nächsten vier Jahren das Züngeln an der Waage spielen.»

SP feiert mit Fahnen und Schaumwein

Freuen kann sich dagegen die SP. Spontan versammelten sich am Montagabend vor dem St. Galler Rathaus Parteimitglieder mit Fahnen und Prosecco, um die unerwartete Wende zu feiern.

SP-Co-Präsident Peter Olibet hatte sich schon auf «schwierige vier Jahre» eingestellt, in denen viele Projekte, die von Links-Grün angeschoben worden waren, durch den bürgerlichen Sparkurs im Parlament blockiert worden wären. Nun nimmt Olibet mit Genugtuung zur Kenntnis, dass seine Partei keinen Sitz verloren hat und die städtische Politik weiterhin dominieren kann. Die SP ist auch mit zwei Sitzen in der Stadtregierung vertreten.

«Fehler hätte früher bemerkt werden müssen»

Während der Auszählungsfehler für die FDP eine «Katastrophe» ist, sagt der SP-Co-Präsident: «Fehler können passieren.» Es sei gut, dass die Panne entdeckt worden sei.

Laut dem Leiter des Wahlbüros wurde die Zahl unverändert eingelegter FDP-Wahllisten falsch in eine Excel-Tabelle übertragen. «Das Vieraugenprinzip hat nicht funktioniert», sagte Andreas Vögeli dazu vor den Medien. «Der Fehler hätte schon am Abend festgestellt und korrigiert werden müssen.» 

Der Leiter des St. Galler Wahlbüros, Andreas Vögeli, und die Sekretärin des Wahlbüros, Noëmi Huber, versuchen, die Panne zu erklären.

Die Sekretärin des Wahlbüros und er selbst hätten aber erst am Montagmorgen die Unstimmigkeit bemerkt und dann die Zahlen von Hand überprüft. «Wir werden das Achtaugenprinzip einführen», sagt Vögeli. Dem Wahlbüroleiter stand an der Pressekonferenz kein Mitglied der Stadtregierung zur Seite: Sie hatte von dem Fehler auch erst am späten Nachmittag erfahren.

Der Auszählungsfehler wirft grundsätzliche Fragen nach der Zuverlässigkeit des Wahlprozesses auf. Das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler wird auf die Probe gestellt. (Lesen Sie unseren Kommentar: Unsere tägliche Datenpanne gibt uns heute)

Resultate auf Plausibilität prüfen

Der St. Galler Politologieprofessor Silvano Möckli hatte von Beginn weg Zweifel an den offiziellen Wahlergebnissen. Er schrieb auf X: «Wenn die FDP bei den Stadtparlamentswahlen in SG plötzlich nahe an die SP herankommt, ist das nicht unmöglich, aber im zeitlichen Vergleich nicht plausibel.» Er fordert nun «Plausibilitätsprüfungen» bei Wahlen und Abstimmungen.

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Der Leiter des Wahlbüros ist gesetzlich verantwortlich für die Korrektheit der Auszählung und der Information. Andreas Vögeli schliesst nicht aus, dass er persönlich die Konsequenzen des Fehlers tragen und von seinem Amt zurücktreten wird.

In St. Gallen hatte sich am Sonntag eine historische Wende angekündigt. Erstmals seit den 1990er-Jahren hätten die Bürgerlichen im Stadtparlament eine Mehrheit erreicht. St. Gallen ist mit knapp 75’000 Einwohnerinnen und Einwohnern die achtgrösste Stadt der Schweiz.

Das «St. Galler Tagblatt» hatte die bürgerliche Wende in der Stadt verkündet und feiernde Freisinnige auf der Frontseite abgebildet.

Sie wäre somit die grösste Schweizer Stadt gewesen, in der FDP, SVP, Mitte und EVP eine bürgerliche Parlamentsmehrheit gebildet hätten. Überall sonst dominiert in den grossen Städten Rot-Grün.

Das bürgerliche  «St. Galler Tagblatt» hatte in einem Wahlkommentar am Sonntag noch von einer «diametralen» Veränderung geschrieben. Die Mitte-links-Stadtregierung werde es in den nächsten vier Jahren «nicht mehr so einfach haben», ihre Klima- und Verkehrspolitik durchzusetzen. Tempo 30, die Aufhebung von Parkplätzen oder die Begrünung von Strassenräumen hätten nach Ansicht des Blatts keine Chance mehr gehabt.

Nun kommt es in St. Gallen doch ganz anders, als es am Sonntagabend noch schien.